Wirtschaft

Feindbild Deflation Wählt Draghi weiter nur das Wort als Waffe?

Wie reagiert EZB-Präsident Mario Draghi auf die neuerlich gesunkene Inflationsrate?

Wie reagiert EZB-Präsident Mario Draghi auf die neuerlich gesunkene Inflationsrate?

(Foto: REUTERS)

Seit Tagen spekulieren die Märkte über eine EZB-Reaktion auf den geringen Preisanstieg. Äußerungen der Ratsmitglieder lieferten dem Handel reichlich Impulse. Doch tief in den Werkzeugkasten greifen, werden die Notenbanker erneut nicht - zum Unmut des IWF.

Ungeachtet der an den Märkten um sich greifenden Deflationsangst wird die Europäische Zentralbank (EZB) aller Wahrscheinlichkeit nach vorerst nichts unternehmen. Davon geht jedenfalls die große Mehrheit der Ökonomen und Geldmarkthändler aus. Und das, obwohl die Teuerungsrate in den 18 Ländern der Währungsunion im März mit 0,5 Prozent so niedrig war wie im Rezessionsjahr 2009.

Euro / US-Dollar
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Dennoch hat die Debatte in der EZB, wie eine ruinöse Abwärtsspirale bei den Preisen verhindert werden könne, Fahrt aufgenommen. Denn eine Deflation kann dazu führen, dass Verbraucher nicht mehr wie gewohnt konsumieren und Unternehmen Investitionen auf die lange Bank schieben. Japan hat dieses Phänomen zwei Jahrzehnte lang wirtschaftlich gelähmt.

Vor einem Monat hatte EZB-Präsident Mario Draghi die Finanzmärkte noch enttäuscht. Der Italiener hatte weder den Leitzins weiter gesenkt noch andere unkonventionelle Maßnahmen ergriffen. Seitdem hat sich an den mittelfristigen Inflationsprognosen nichts verändert - sie erwarten, dass die Teuerungsrate nicht weiter abschmiert, sondern sich auf niedrigem Niveau stabilisiert: "Hat sich der Ausblick denn eingetrübt? Ich denke das nicht", sagt Anders Svendsen, Chefanalyst bei der schwedischen Nordea-Bank. "Und es wäre skurril, etwas zu tun, was man vor einem Monat hätte tun können und sich dagegen entschieden hat."

Gut gefüllter Werkzeugkasten

Der Werkzeugkasten von Draghi & Co. jedenfalls ist alles andere als leer: Neben einem weiteren Trippelschritt bei den Zinsen könnten die Währungshüter die Banken mit einem Strafzins "ermuntern", mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Wertpapierkäufe im großen Stil sind zudem als letzte Waffe eine Option, wenn auch eine mit möglicherweise schweren Risiken und Nebenwirkungen. Gretchenfrage.

Die Hürde für die EZB, zu schwereren Waffen zu greifen, ist allerdings hoch. So werden Draghi, Bundesbankchef Jens Weidmann und viele andere Zentralbanker nicht müde zu betonen, dass die Euro-Länder noch keineswegs in einer Deflation stecken. Denn es sind hauptsächlich stark schwankende Preise für Energie und Nahrung sind, die auf das allgemeine Niveau drücken. So etwa in Spanien, der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone, wo die Preise zuletzt fielen.

Bill Adams, Ökonom bei der Finanzgruppe PNC, sagt, die EZB versuche sich nicht zu stark von den Schwankungen bei Nahrungsmitteln und Energie treiben zu lassen. Stattdessen ziele sie auf die dahinterliegenden Trends. Und genau diese spielen den Währungshütern in die Karten: Denn viele Ökonomen gehen inzwischen davon aus, dass der Tiefpunkt bei der Teuerung in der Euro-Zone erreicht ist und die Preise wieder steigen - wenn auch langsam.

IWF dringt auf Sicherung der Preisstabilität

Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) reicht das nicht. Der Fonds forderte die EZB erneut auf, noch mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. IWF-Chefin Christine Lagarde rief die Eurozone zum Kampf gegen die niedrige Inflation auf. Notfalls solle die EZB auch zu ungewöhnlichen geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen greifen, um die Preisstabilität zu sichern.

"Eine potenziell längere Phase mit geringer Inflation kann die Nachfrage und das Angebot unterdrücken - und Wachstum sowie die Entstehung von Arbeitsplätzen verhindern." Von einer gefährlichen Deflation, also einem Verfall der Preise, kann aber laut Lagarde nicht gesprochen werden.

Insgesamt sei die "bescheidene Erholung" in der Eurozone stabil, sagte die Französin. Sie sei "stärker in der Kernregion, aber noch sehr schwach im Süden".

EZB-Vize prognostiziert Erholung

Derweil warnte EU-Währungskommissar Olli Rehn vor den Folgen einer langen Phase mit zu niedriger Teuerung. Sollte die geringe Teuerung länger anhalten, werde dies eine Korrektur der wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Euro-Zone erschweren, auch wenn sie den real verfügbaren Einkommen einen Schub gibt, sagte er.

Kein Deflationsrisiko sieht indes EZB-Vizepräsident Vitor Constancio. Die Inflationsdaten vom März seien zwar besorgniserregend, sagte er. Die Teuerung werde im April aber wieder höher ausfallen. Eine niedrige Inflation könne die konjunkturelle Erholung bremsen.

"Spätestens nach den Kommentaren von EZB-Vize Constancio dürfte klar sein, dass die EZB keine neuen Lockerungsmaßnahmen beschließen wird", sagte daraufhin ein Disponent am Geldmarkt. Unkonventionelle Maßnahmen, wie die Einführung negativer Einlagesätze, dürften damit erst einmal kein Thema sein. Unter Marktteilnehmern ist ohnehin umstritten, ob negative Einlagesätze tatsächlich die Kreditvergabe in der Eurozone positiv beeinflussen würden. Einige Analysten fürchten unbeabsichtigte Nebenwirkungen, wie etwa eine Verteuerung von Krediten.

Kommt der Strafzins?

Nimmt man hingegen die Euro-Notenbanker mit früheren Äußerungen beim Wort, könnte sich die EZB dazu durchringen, Banken einen Strafzins aufzubrummen. Zuletzt etwa dachten Weidmann und sein finnischer Kollege Erkki Liikanen laut über diese Option nach. Allerdings vermuten viele Experten, dass das eigentliche Ziel der Gedankenspiele der Euro war. Dessen jüngste Aufwertung drückt über fallende Importpreise das Preisniveau zusätzlich - was der EZB nicht recht sein kann.

Marco Valli, Ökonom bei der Bank UniCredit, erwartet, dass Draghi abermals klare Worte finden könnte in Richtung der Währungsspekulanten: "Es wird spannend, ob und - wenn ja - wie die EZB sich entscheidet, bei der Währung deutlicher zu werden." So könne Draghi beispielsweise explizit erwähnen, dass der starke Euro unerwünscht sei. Das wäre eine deutliche "verbale Intervention" der EZB am Devisenmarkt. 

Quelle: ntv.de, jwu/DJ/rts

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