Kritik an der Commerzbank-Führung "Wann wird die Bank von Ihnen befreit?"
19.04.2013, 14:55 Uhr
Selten war eine Commerzbank-Hauptversammlung so spannend wie an diesem Freitag. In Frankfurt muss sich Vorstandschef Martin Blessing viele kritische Fragen gefallen lassen - auch die, ob er noch der richtige Mann an der Spitze ist.
14.15 Uhr
Der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin kann die geplante Kapitalerhöhung der Commerzbank aller Voraussicht nach mit seinem Aktienpaket fast allein durchsetzen. Am frühen Nachmittag liegt die Präsenz auf dem Aktionärstreffen nach Reuters-Informationen bei gut 38 Prozent. Damit kommt der SoFFin annähernd auf die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals. Aufsichtsratschef Müller hat die Präsenz bisher nicht bekanntgegeben. Die großen deutschen Fondsgesellschaften haben das Interesse an der Commerzbank offenbar verloren: Jedenfalls steht keine einzige von ihnen auf der Rednerliste.
12.49 Uhr
Eine Ebene unter dem Hauptversammlungssaal wird das Mittagessen im Kantinenstil ausgereicht. Es fällt einfach aus: Nudeln mit Tomatensoße oder Nudeln und Schweine-Geschnetzeltes. Die Aktionäre stellen sich zwar artig an, sind aber wenig begeistert: "Die da oben leben von unserem Geld", knurrt eine Anteilseignerin.
12.22 Uhr
Karl-Walter Freitag darf wegen seiner zwei Ergänzungsanträge 30 Minuten reden, länger als jeder andere Aktionär. Er zieht ordentlich vom Leder und schließt mit den Worten: "Braucht diese Bank einen Vorstand, der immer so weitermacht? Nein, nein, nein! Wann wird diese Bank endlich von Ihnen befreit?", ruft er Blessing und Müller zu. Im Saal kocht die Stimmung, es gibt "Bravo"-Rufe aus dem Publikum. Als Freitag fertig ist, gibt es minutenlangen Beifall. Danach drängen hunderte Aktionäre Richtung Buffet.
11.52 Uhr
"Wir trauen diesem Management nicht": Auf der Sonderausgabe der Mitarbeiterzeitschrift "Commerzbanker" stehen sich DSW-Vizepräsident Klaus Nieding und Blessing noch einträchtig gegenüber. In einem Interview mit Nieding darf Blessing dort noch einmal seine Positionen darlegen. Auf dem Podium poltert Nieding dann: "Wir trauen diesem Management nicht. Uns reicht's! Wir haben mehr als genug von ihren Durchhalteparolen und sogenannten Erfolgsmeldungen." Wie schon zuvor die SdK kündigt die DSW an, die "Kapitalerhöhungsorgie" abzulehnen.
Doch ob das reicht, um die Pläne zu torpedieren? Zwei Drittel der vertretenen Aktien müssen zustimmen. Der Staat hält allein 25 Prozent, und meistens sind bei der Commerzbank weniger als 50 Prozent des Grundkapitals vertreten. Karl-Walter Freitag, der nach eigenen Angaben 4000 bis 5000 Aktionäre mit 30 Millionen Stimmen vertritt, schwant Böses: "Es steht zu befürchten, dass uns der Staat hier niederstimmen wird."
11.32 Uhr
Der erste Gegner verweigert die Gefolgschaft: Der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) erweist sich tatsächlich als Gegner von Müller: "Ihnen werden wir keine Entlastung erteilen", sagt Hansgeorg Martius an den Vorstand gerichtet - und erntet tosenden Applaus von den Aktionären. Grund seien die schlechten Zahlen und die vorgeschlagene Kapitalerhöhung. Beim Aufsichtsrat differenziert der Aktionärsvertreter: "Sie, Herr Müller, würden wir nicht wieder wählen." Er trage die Verantwortung für viele Fehlentscheidungen. Die anderen Aufsichtsräte dürften bleiben.
11.16 Uhr
Aktionäre wollen sechs Stunden reden: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Commerzbank-Hauptversammlung sich bis in den Abend ziehen wird. 37 Aktionäre haben Redebeiträge angemeldet - und das werden nicht die letzten sein. Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller beschränkt die Redezeit auf zehn Minuten. Wenn sie jeder ausschöpft - und nicht wenige überziehen üblicherweise -, kommt der letzte Redner hier um 17 Uhr an die Reihe. Los geht es mit Kleinaktionärsschützer Hansgeorg Martius von der SdK. Müller unterläuft gleich ein Freud'scher Versprecher: "der erste Gegner" sei an der Reihe.
11.15 Uhr
Blessing ist wieder im Verteidigungsmodus: Blessing verteidigt in seiner Rede die bisherigen Sanierungsfortschritte der Bank. Er wagt einen Hauch von Entschuldigung: Auch die Commerzbank-Mitarbeiter seien mit dem dahin dümpelnden Aktienkurs keineswegs zufrieden. Das Publikum reagiert nicht. Ein älterer Herr, der in einer der vorderen Reihen Platz genommen hatte, erhebt sich und läuft mit seinem Jutebeutel suchend Richtung Ausgang. "Kann man hier irgendwo einen Kaffee trinken?" Als Blessing fertig ist, ertönen giftige Pfiffe aus dem Saal. Inzwischen sind auch die letzten Reihen gefüllt.
10.35 Uhr
Klick, klick, klick. Blessing und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller sonnen sich auf dem Podium im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Die Hauptversammlung beginnt mit 13 Minuten Verspätung. Dann tritt Müller mit ernster Miene ans Mikrofon, rattert die neuen Personalien im Kontrollgremium herunter und packt das heiße Eisen des Aktionärstreffens betont gelassen an: "Wir empfehlen, die Tagesordnungspunkte elf und zwölf abzulehnen." Gemeint sind die Anträge des streitbaren Kölner Investors Karl-Walter Freitag, der ganz offiziell über die Entlassung von Blessing und Müller abstimmen lassen will.
09.35 Uhr
Woran liegt es, dass man Banken nicht mehr traut? Die Aktionäre strömen in die gelbbeflaggte Festhalle. Auf dem Vorplatz stehen fünf junge Joggerinnen in dunklen Laufhosen und grauem Kapuzenpulli, die den neuen TV-Spot der Bank ad absurdum führen: "Woran liegt es, dass man den Banken nicht mehr vertraut?", steht auf den Flyern, die sie verteilen. Die "Jogger", die zur Berliner Aktivistengruppe urgewald e.V. gehören, liefern die Antwort gleich mit: Die Commerzbank präsentiere sich zwar gerne im Saubermann-Image, unterstütze aber nach wie vor die Rüstungs- und Kohleindustrie. "Beim Thema Nachhaltigkeit steht die Commerzbank noch ganz am Anfang ihres Marathons", sagt Initiatorin Barbara Happe.
Quelle: ntv.de, rts