Frauen in der Wirtschaft Wie Dynamit: Laurence Parisot
21.10.2009, 08:19 Uhr
Parisot krempelte das Unternehmerlager um und ging auch die Gewerkschaften aggressiv an.
(Foto: dpa)
Eine Frau wie Dynamit - unscheinbar und gefährlich. So beschreiben konservative französische Unternehmer ihre "Chefin" Laurence Parisot. Zierliche 1,60 Meter zwingen die Präsidentin des Unternehmerverbandes MEDEF, sogar zu Nicolas Sarkozy aufzublicken. Doch wie der kleinwüchsige Staatschef weiß Parisot sich durchzusetzen. Wie Sarkozy bricht sie Tabus und Traditionen und erntet dafür große Bewunderung und heftige Abneigung, aber nie Gleichgültigkeit. Die "Lara Croft der Reformen" nennt sie das Finanzblatt "La Tribune".
"Das Leben ist prekär, die Liebe ist prekär: Warum sollte die Arbeit nicht prekär sein?" Gelassen, fast achselzuckend zündet Parisot verbale Bomben. Dann lächelt die unspektakulär gekleidete Blondine mit dem Kurzhaarschnitt leise. "Laurence Parisot, eine Frau im Krieg", heißt ein Buch über sie. Wer sie sieht, mag das kaum glauben. Die eher dezent gekleidete 50-Jährige wirkt nicht aggressiv, sondern verbindlich.
Der sehr konservative Baron Ernest-Antoine Seillière hatte Parisot als Quotenfrau in den MEDEF eingeführt. Als sie 2005 um seine Nachfolge als MEDEF-Chef antrat, verlor der alte Herr die Contenance. Doch Parisot hatte "sowieso keine Chance": Sie hat nicht Wirtschaft studiert, sondern Jura und Politik. Und sie leitet keinen bedeutenden Konzern, sondern das Umfrageinstitut Ifop. Außerdem stößt ihr Werben für einen angelsächsisch-liberalen Kapitalismus im altväterlich geführten Unternehmerlager auf Kritik.
Alles ist anders im Unternehmerlager
Parisot gewann und seitdem ist alles anders in Frankreichs Unternehmerlager. Auf dunklen Nadelstreifen-Anzug, Zigarre und arrogante Distanz des Barons Seillière folgten T-Shirt, Blackberry und freche Klappe. "Ich will die Franzosen mit dem Unternehmertum versöhnen", verkündete Parisot und griff den stärksten MEDEF-Industrieverband UIMM an, der wegen einer "schwarzen Kriegskasse" von 617 Millionen Euro in die Schlagzeilen geraten war. "Parisot will den totalen Krieg", erklärte der Ex-UIMM-Chef Daniel Dewavrin schockiert. Sie gewann ihn und mehrere alte MEDEF-Kader mussten gehen.

Im Kampf gegen die Gier der Manager fordert Parisot einen Ehrenkodex.
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Provokativ ging Parisot auch die Gewerkschaften an, die gegen die Aufweichung des Arbeitsschutzes protestierten. Bis in blogs hinein schlug ihr Zitat Wellen: "Die Gedankenfreiheit endet dort, wo das Arbeitsrecht beginnt." Doch in der Finanzkrise reicht Parisot den Gewerkschaften die Hand zur Sozialpartnerschaft und bietet ihnen jetzt Gespräche über "die Aufteilung des Mehrwerts" an. Dafür legt sie sich mit der Regierung an, die die Aktienoptionen für Manager beschränken will.
Das hatte das Pariser Establishment nicht erwartet. Denn Parisot galt als "Erbin", der Vermögen und Amt in den Schoß gefallen waren. Laurence Hélène Suzanne Parisot war am 31. August 1959 als Tochter des Besitzers des größten Möbelherstellers Frankreichs geboren worden. "Dank Papi" bekam sie Ifop. Beziehungen führten sie zum MEDEF. Und nun das.
Denkgrenzen überwinden
Surrealistisch erscheint vielen diese Liebhaberin surrealistischer Kunst, die sich selbst einmal "Über-Premierminister" nannte. Surrealistisch wie ihre wütenden Attacken auf die Gier der Manager. "Mit der Haltung 'nach mir die Sintflut' ist Schluss", erklärte Parisot und forderte "das Ende der Exzesse". Doch schärfere Gesetze will sie nicht. Ein Ehrenkodex soll reichen. Seitdem präsentiert die TV-Satiresendung "Guignols" Parisot als Frau, die theatralisch ihr Entsetzen über Auswüchse des Kapitalismus äußert, die sie soeben entdeckt.
Doch so eindimensional ist Parisot nicht. "Wir sind fähig, zu allem Fragen zu stellen: Ethik, Kapitalismus, der Profit und sein Fehlen, Krise, Aufschwung, politische Korrektheit, Freiheit", erklärt sie. Man müsse auch über Kinder sprechen. "Kinder erlauben, die wesentlichen Fragen anzugehen und die Dinge unter einem anderen Blickwinkel und kreativer zu sehen", sagt die kinderlose Frau. Man soll Denkgrenzen überwinden. Zum diesjährigen MEDEF-Sommerkongress lud sie neben Unternehmern und Politikern auch den polnischen Altpräsidenten Lech Walesa und die frühere britische First Lady Cherie Blair, einen Buddhistenmönch und Ex-Rennfahrer Alain Prost.
Quelle: ntv.de, Hans-Hermann Nikolei, dpa