Riesige Wetten Wie Zocker den Börsen-Crash viel schlimmer machten


In Tokio fiel der Nikkei so stark wie seit 35 Jahren nicht mehr.
(Foto: AP)
Erst stürzt die japanische Börse dramatisch ab, nur einen Tag später schießen die Kurse nach oben. Das zeigt, was für einen erheblichen Einfluss beliebte Spekulationen auf die weltweiten Finanzmärkte haben.
Die plötzliche Furcht vor einer Rezession in den USA und das Platzen einer Spekulationsblase bei Technologie-Aktien – das sind die am häufigsten genannten Ursachen für das weltweite Beben an den Aktienmärkten zum Wochenbeginn. Ein wesentlicher Grund wird aber selten erwähnt: sogenannte Carry Trades.
Was nach einem irgendwo in den Tiefen der Finanzmärkte versteckten Leckerbissen für Börsenfeinschmecker klingt, ist in Wirklichkeit eine weitverbreitete Wette von Investoren. Der Mechanismus dahinter: Sie leihen sich billig Geld in einem Land mit schwacher Währung und niedrigen Zinsen und legen es in einem Land mit stärkerer Währung und höheren Zinsen an – etwa in Aktien oder Staatsanleihen.
Eines der beliebtesten Länder, in dem sich Anleger für solche Geschäfte Geld leihen, ist Japan. Angesichts jahrzehntelanger ultra-lockerer Geldpolitik der Notenbank sind dort die Zinsen extrem niedrig und der Yen schwach. Erst im vergangenen April hatte sich die Zentralbank von Negativzinsen verabschiedet.
Bevorzugtes Anlageziel sind die USA, wo die Leitzinsen in einer Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent liegen, und dessen Tech-Aktien angesichts des Hypes um Künstliche Intelligenz in den vergangenen Monaten an der Börse massiv zugelegt haben. Zur Einordnung: In Japan liegt der Leitzins bei 0,25 Prozent, der Börsen-Leitindex Nikkei hatte bis zum vergangenen Februar gebraucht, um endlich den Ende 1989 erzielten bisherigen Höchststand wieder zu erreichen.
Yen steigt kräftig
Nicht nur Hedgefonds setzen vor diesem Hintergrund auf Carry Trades, sondern zahllose japanische Kleinanleger machen das ebenfalls. Das liegt auch daran, dass starke Kursschwankungen beim Yen selten sind. Doch die Wetten gehen nur gut, wenn die japanische Währung nicht plötzlich kräftig aufwertet.
Genau das ist in den vergangenen beiden Wochen aber passiert. Von Mitte Juli bis Anfang August schoss der Yen zum Dollar um mehr als sieben Prozent nach oben – am Devisenmarkt ist so ein Kurssprung ungewöhnlich.
Viele Carry-Trader hatten nun ein Problem. Sie beeilten sich, ihre Wetten auf den schwachen Yen zu beenden, um hohe Verluste zu vermeiden. Verstärkt wurde das von den auf Pump finanzierten Deals. Investoren, die sich in Japan für Carry Trades Geld geliehen hatten, wurden von den Finanzinstituten mit Nachschussforderungen konfrontiert. Der Grund: Als Sicherheit für die Yen-Kredite dienende Investitionen in ausländischer Währung hatten stark an Wert verloren. Verstärkt wurde diese Entwicklung, weil etwa US-Aktienkurse ohnehin gefallen waren.
Da viele Anleger plötzlich Geld flüssig machen mussten, um die Forderungen der Banken zu erfüllen, waren sie zu Notverkäufen gezwungen und trennten sich von Investitionen, die sich schnell zu Geld machen lassen – beispielsweise Aktien, Gold oder Kryptowährungen.
Nikkei fährt Achterbahn
Welches genaue Volumen die Carry Trades insgesamt hatten, lässt sich nicht feststellen. Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zufolge hatten japanische Banken im Frühjahr umgerechnet eine Billion Dollar an Ausländer verliehen. Die französische Société Générale sprach von der Auflösung des größten Carry Trades, den die Welt jemals gesehen habe.
Die Folgen waren am japanischen Aktienmarkt eindrucksvoll zu sehen. Der Nikkei stürzte um rund zwölf Prozent ab und erlitt den heftigsten Tagesverlust seit 35 Jahren. Am heutigen Dienstag schoss er um zehn Prozent nach oben – der größte Tagesgewinn seit Herbst 2008. Viele Anleger nutzten den Absturz offenbar, um sich günstig mit japanischen Aktien einzudecken.
Quelle: ntv.de