Fast 1000 Tonnen Problem-Hühner? Wiesenhof drängt in den Verkauf
15.03.2012, 13:44 Uhr
Von Magdeburg aus Richtung Berlin: Möckern liegt im Jerichower Land, südlich der A2.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Geflügelproduzent Wiesenhof kommt nicht aus den Schlagzeilen: Einem Zeitungsbericht zufolge soll kurzzeitig für den Verkauf gesperrte Ware nun doch noch in den Handel kommen. Es geht um gewaltige Mengen: Wiesenhof sitzt angeblich auf rund 800.000 fraglichen Tiefkühlhühnern.
Qualitätsbewusste Hühnchenliebhaber werden in den kommenden Tagen beim Einkauf lieber zweimal hinsehen: Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" wartet der Geflügelproduzenten Wiesenhof derzeit auf die Freigabe von mehreren hunderttausend Tiefkühlhühnchen, die nach Hygieneverstößen vorübergehend für den Verkauf gesperrt worden waren.
Bei der fraglichen Ware soll es sich um 800.000 ausgenommene und eingefrorene Tiere handeln, die derzeit in einem Kühlhaus lagern, berichtete das Blatt. Die Behörden hatten Wiesenhof den Vertrieb der Hühnchen untersagt, nachdem Veterinäre in einem Geflügelschlachthof in Möckern Verstöße gegen die Hygienevorschriften entdeckt hatten. Die Vorkommnisse waren offenbar schwerwiegend genug, dass eine sofortige Produktionsunterbrechung unumgänglich erschien.
Details zu beanstandeten Missständen wollten die zuständigen Behörden im Landkreis Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) nicht veröffentlichen. Die Prüfungen verliefen nicht öffentlich, hieß es zur Begründung. Bereits zwei Tage nach der Zwangspause hätten Veterinäre die Produktion wieder freigegeben, hieß es. Darüber könne man sich nur wundern, zitierte die "SZ" einen Sprecher der Umweltorganisation BUND. "Wenn ein solcher Betrieb geschlossen wird, müssen gravierende Mängel vorliegen", sagte der Geschäftsführer des BUND Sachsen-Anhalt, Oliver Wendenkampf, der Zeitung. "Ich habe Zweifel, dass sich die so schnell beseitigen lassen."
Wiesenhof lotet nun alle Möglichkeiten aus, das Fleisch aus dem Betrieb Möckern doch noch in den Handel bringen. Über einen entsprechenden Antrag Wiesenhofs müsse das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt entscheiden, erklärte ein Sprecher des Landkreises. Wiesenhof bestätigte der Zeitung, dass es um 975 Tonnen gesperrtes Fleisch gehe. "Wir werden jede Behördenentscheidung akzeptieren", so ein Firmensprecher. Eine Entscheidung des Landesverwaltungsamtes lag zunächst noch nicht vor.
Wohin mit all dem Fleisch?
"Ich habe große Bedenken, dass dieses Hühnerfleisch auch kontaminiert sein könnte, sonst wäre es wohl nicht aus dem Verkehr gezogen worden", sagte dagegen Wendenkampf. Die Produktion in Möckern war zu Beginn vergangener Woche gestoppt worden. Bei ausreichender Kühlung dürfte sich das betroffene Fleisch der längst geschlachteten Tiere ohne weiteres mehrere Wochen ohne Qualitätsverlust halten. Problematisch wäre ein Verkauf nur, wenn es bereits vor der Einlagerung im Kühlhaus zu gesundheitlich bedenklichen Verunreinigungen gekommen sein sollte.
Laut Wiesenhof hatten die Prüfer "Mängel in der Bratfertiglinie" beanstandet. Dort werden die zuvor getöteten Tiere untersucht und ausgeweidet. Es habe sich lediglich um kleinere technische Mängel gehandelt, hieß es. Diese seien inzwischen beseitigt. Weil bei der Kontrolle durch Veterinäre aus der Region Zweifel an deren Unabhängigkeit aufgekommen waren, hatten sich die Behörden formell an den benachbarten Landkreis Anhalt-Bitterfeld gewandt und um Amtshilfe gebeten. Ein extra hinzugezogener Tierarzt soll nun die Vorwürfe der "Mauschelei mit dem Unternehmen" entkräften.
Alles richtig gemacht?
Der Geflügelproduzent reagierte auf die Vorwürfe mit einer Stellungnahme. "Wiesenhof begrüßt die Entscheidung des Landrates des Landkreises Jerichower Land, die Verantwortung für die Überwachung des Geflügelschlachthofes in Möckern neu zu regeln." Aus Sicht von Wiesenhof seien in dem Geflügelschlachthof Möckern bisher sämtliche Voraussetzungen eingehalten worden, "um garantiert sichere Lebensmittel im Sinne des Verbraucherschutzes zu erzeugen."
Gleichzeitig kritisierte das Unternehmen die Arbeit der für die Kontrolle zuständigen Amtstierärzte. Im Zusammenhang mit der Betriebssperrung hätten auch "sachfremde Erwägungen einzelner, bislang dort tätige Veterinäre" eine Rolle gespielt, die, so Wiesenhof weiter, "stets mit gezielten Indiskretionen an die Öffentlichkeit verbunden waren". Auf diese Weise sei "offenbar gewollt der Eindruck herbeigeführt (worden), es bestünden Unzulänglichkeiten".
Zweifel am Landrat
Der neu nach Möckern beorderte Veterinärmediziner heißt Siegfried Luckner und muss seine Berichte nach Angaben aus dem Landratsamt Jerichower Land direkt dem zuständigen Landrat Lothar Finzelberg vorlegen. Auch hieran knüpft sich Kritik: Denn dem Bericht der "SZ" zufolge ist auch die Unabhängigkeit Finzelbergs nicht unumstritten. Er sei in einen Giftmüllskandal verwickelt, heißt es. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Finzelberg im Umgang mit den Firmen in seinem Landkreis nicht unbedingt im Sinne der Bevölkerung handelt", sagte BUND-Sprecher Wendenkampf der "SZ".
Einzelnen Wiesenhof-Kunden ist die Angelegenheit längst zu heiß geworden: Die Schnellrestaurantkette McDonald's . Der Abnahmestopp gilt befristet, hieß es. Wiesenhof muss sich darum bemühen, jegliche Zweifel auszuräumen, um auch in den Augen der Verbraucher zu einem "Garanten für die Erzeugung einwandfreier und sicherer Lebensmittel" auftreten zu können.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa