Digitalministerium in Bayern "Wir sind Trüffelschwein für Technologien"
07.10.2019, 18:12 Uhr
Gerade die deutsche Forschung im Bereich der Robotik habe echte Chancen, zum Global Player zu werden, sagt Gerlach.
(Foto: picture alliance/dpa)
Laptop und Lederhose hatte die CSU schon unter dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zu ihrem Motto gemacht. Heute könnte es auch Dirndl und Digitalisierung heißen. Denn Bayern hat im November 2018 das erste Digitalministerium in Deutschland eingeführt, und die erst 33-jährige Digitalministerin Judith Gerlach leitet es. Im Interview mit n-tv.de erklärt Gerlach, in welchen Bereichen das Tempo besonders erhöht werden muss und wieso es gerade in der öffentlichen Verwaltung nur in kleinen Schritten vorangeht.
n-tv.de: Frau Gerlach, seit fast einem Jahr führen Sie das erste Digitalministerium in Deutschland, inzwischen gibt es auch eines in Hessen. Wie oft mussten Sie denn erklären, was Sie eigentlich machen? Und wo sehen Sie Ihre Hauptaufgabe?
Judith Gerlach: Das musste ich ziemlich häufig erklären, was auch ziemlich normal ist für ein völlig neues Ministerium. Und es ist auch eines, das nicht ganz typisch ist. Andere Ministerien haben ganz klare Zuständigkeiten. Bei uns läuft es etwas anders. Wir sind das Ministerium, bei dem die Fäden zusammenlaufen, das den Hut aufhat, um digitale Innovation voranzubringen. Wir sind der Treiber in der Staatsregierung, diejenigen, die auch Schwachstellen herausfiltern müssen. Wir sind sozusagen das Trüffelschwein für neue Technologien, um diese dann auch anwendbar zu machen.
In welchen Bereichen fordern Sie mehr Tempo bei der Digitalisierung in Deutschland?
An erster Stelle in der Infrastruktur, aber auch im Bildungsbereich müssen wir besonders schnell sein. Und zwar nicht nur, wenn es darum geht, ein digitales Klassenzimmer auszustatten mit Whiteboards oder den Kindern ein Tablet in die Hand zu drücken. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir die Kinder mit dem Wissen von morgen ausstatten. Wie unterrichten wir sie, welche Berufsfelder entstehen durch die Digitalisierung neu und wie bereiten wir unsere Kinder darauf vor? Ich glaube, da bedarf es noch einiger Anstrengung, um die Schullandschaft daran anzupassen.
Nun ist es ja so, dass die Forschung in Deutschland zum Beispiel in Sachen Künstlicher Intelligenz teils Weltspitze ist, aber das große Geld verdienen oft Firmen in anderen Ländern. Was läuft da falsch?
Die Plattform-Ökonomie wird von Internetgiganten aus dem Ausland beherrscht. Wir sehen vieles im europäischen Kontext auch anders. Wir sollten uns in der Forschung auf Bereiche konzentrieren, in denen wir traditionell stark sind. Also zum Beispiel "Gesundheit" oder "Robotik", um nur zwei zu nennen. Da sollten wir unser Engagement reinlegen, um erfolgreich zu sein. So wie im Automobilbereich können wir auch in der Künstlichen Intelligenz dastehen, wenn wir uns auf die Bereiche konzentrieren, in denen wir ohnehin stark sind.
Sehen Sie dann gerade in den genannten Bereichen "Gesundheit“ und "Robotik" Chancen, dass da in Deutschland auch mal wieder ein echter Global Player entsteht?
Ich glaube, dass wir eine extrem gute Verknüpfung haben zwischen der Grundlagenforschung, der industriellen Anwendung, aber auch den ethischen Fragen. Das ist nicht zu unterschätzen, dass wir auch Ethik und Datenschutz mitdenken, in der Entwicklung und dann auch im Rollout für die Praxis. Das könnte schon einen Mehrwert haben in dieser Kombination, der dann Made in Bavaria, Made in Germany oder Made in Europe groß rausbringt. Wir setzen hier auf Werthaltigkeit.
Nehmen wir noch ein Beispiel, bei dem die Politik Vorbild sein könnte: die Verwaltung. Dienstleistungen könnte man digital so einfach zugänglich machen wie Online-Shopping. Warum geht das nur in kleinen Schritten voran?
In Bayern geben wir bei der digitalen Verwaltung richtig Gas und haben uns auch sehr ambitionierte Ziele gesteckt - ambitionierter als der Bund. Es wird von den Bürgern nicht mehr akzeptiert, dass wir ihnen eine analoge Verwaltung präsentieren. Deswegen investieren wir auch kräftig in eGovernment. Wir arbeiten zusammen mit den Landkreisen in Digitallaboren, damit Verwaltungsdienstleistungen, die von den Menschen häufig genutzt werden, schnell digital verfügbar sind. Es bringt nichts, wenn im Hintergrund die komplette Verwaltung digitalisiert wird, aber die Services von der Bevölkerung erst später genutzt werden können. Das muss Schritt für Schritt auf den Markt gebracht werden.
Gibt es schon konkrete Beispiele?
Mit dem Bayernportal haben wir jetzt schon eine tolle Plattform. Wir müssen dort noch mehr Verwaltungsleistungen digital anbieten. Unser Ziel: die 54 wichtigsten schon bis Ende 2020, also zwei Jahre früher als vom Bund verlangt. Nur so haben die Menschen einen Mehrwert und nehmen uns auch als digitalen Service-Staat wahr.
Mit Judith Gerlach sprach Andreas Popp
Quelle: ntv.de