Wirtschaft

Hans-Olaf Henkel erwägt neue Partei "Wir sollten den Euro aufgeben"

Der Euro hat ausgedient, findet Henkel.

Der Euro hat ausgedient, findet Henkel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Hans-Olaf Henkel kritisiert im Interview mit n-tv.de die Euro-Politik der Bundesregierung, warnt vor einem Erstarken des Rechtsradikalismus, kann sich die Gründung einer neuen Partei vorstellen und fordert den Austritt Deutschlands aus der Eurozone, um gemeinsam mit den Niederlanden, Österreich und Finnland einen "Nord-Euro" zu schaffen.

n-tv.de: Sie nennen die Diskussionen im Bundestag und die vom Bundesverfassungsgericht nunmehr vorgeschriebene Einschaltung des Haushaltsausschusses bei Entscheidungen in Sachen Eurokrise Schattenboxen. Die Reaktion Ihres Nach-Nachfolgers im BDI, Hans-Peter Keitel, fällt deutlich positiver aus.

Hans-Olaf Henkel: Ich verstehe die Reaktion von Herrn Keitel, wenn man sich für die Beibehaltung des Einheitseuro – koste es, was es wolle – einsetzt. Wie Sie wissen, bin ich anderer Meinung. Ich denke, wir sollten uns nicht für die Fortsetzung des Einheitseuro – koste es, was es wolle – einsetzen. Ich habe Alternativen.

Welche?

Die Rettung des Euro lohnt für Deutschland nicht, meint Henkel.

Die Rettung des Euro lohnt für Deutschland nicht, meint Henkel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wir müssen aus den schlechten Erfahrungen mit dem Euro in den vergangenen zwölf Jahren lernen. Die Politik hat sämtliche Versprechen gebrochen, die sie bei der Aufgabe der D-Mark gegeben hatte. Die Brandmauer zwischen dem deutschen Steuerzahler und den Sozialpolitikern in Europa, die No-bail-out-Klausel, wurde eingerissen. Jetzt marschieren wir auf die Transferunion zu. Wir sollten diesen Klub zusammen mit anderen Ländern so bald wie möglich verlassen.

Mit wem?

Mit Österreich, den Niederlanden und Finnland, die eine ähnliche Finanz- und Wirtschaftskultur haben wie wir. Die Zentralbankpräsidenten dieser Länder haben sich zusammen mit Herrn Weidmann, unserem Bundesbankpräsidenten, vergebens gegen den Ankauf von Staatsanleihen verschuldeter Euro-Staaten durch die Europäische Zentralbank gewandt. Diese vier wollen offensichtlich in Sachen Schulden, Zinsen und Inflation eine andere Politik betreiben als die EZB.

Das liefe auf eine neue Währung hinaus.

Ja, eine neue Währung neben dem bestehenden Euro, für die ich den Arbeitstitel Nord-Euro gewählt habe. Dies würde nicht notwendigerweise zu mehr Währungen führen. Ich weiß aus Gesprächen in Schweden, dass man dort durchaus bereit wäre, einem Nord-Euro beizutreten, aber niemals dem derzeitigen Euro.

Sie sagen, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Unrecht, wenn sie den Euro mit Europa, präziser der Europäischen Union, gleichsetzt. Aber fällt nicht auch Europa, wenn der Euro fällt?

Hans-Olaf Henkel ist von 1995 bis 2000 Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, von 2001 bis 2005 steht der Hamburger der Leibniz-Gemeinschaft vor. Er ist Autor mehrerer Bücher, Honorarprofessor der Universität Mannheim und einer der führenden Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands.

Hans-Olaf Henkel ist von 1995 bis 2000 Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, von 2001 bis 2005 steht der Hamburger der Leibniz-Gemeinschaft vor. Er ist Autor mehrerer Bücher, Honorarprofessor der Universität Mannheim und einer der führenden Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Euro hat sich zu einem Spaltpilz entwickelt. Innerhalb der Eurozone hat der Verteilungskampf zwischen den künftigen Geber- und Nehmerländern bereits begonnen. Frau Merkel müsste eigentlich merken, dass sie inzwischen in Griechenland die unpopulärste Politikerin geworden ist. Und Herr Schäuble – mit seinen dauernden Ermahnungen an die Adresse Portugals mehr zu sparen, an die Griechenlands mehr zu privatisieren, seiner Forderung, Irland müsse die Steuern erhöhen – ist in diesen Ländern mittlerweile auch nicht sehr beliebt. Die Unzufriedenheit mit dem Euro ist inzwischen ja auch in Deutschland sehr groß. 66 Prozent wollen diese Politik nicht mehr.

Sie sind aber nicht gegen den Euro!

Nicht notwendigerweise. Sie wollen eine alternative Europolitik. Ich sage nicht, dass sie das wollen, was ich vorschlage, weil sie das ja nicht kennen. Aber es wird Zeit, dass wir uns mit Alternativen beschäftigen.

Sie warnen im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Europolitik vor einem Erstarken des Rechtsradikalismus. In Mecklenburg-Vorpommern hat die NPD Stimmen verloren, ist aber trotzdem in den Landtag eingezogen. Sie haben vor, Ihre Ideen auf öffentlichen Veranstaltungen breiteren Kreisen der Bevölkerung vorzustellen. Ist es denkbar, dass rechtspopulistische Kräfte auf diesen Zug aufzuspringen?

Sie haben völlig Recht. Mich beunruhigt das auch. Einige rechtspopulistische Gruppierungen haben meine Vorschläge auf ihre Homepage gestellt. Für mich ist das ein Warnsignal, aber auch eine Aufforderung an die bestehenden Parteien: Wenn man über längere Zeit die Bedenken der Deutschen nicht ernstnimmt und keine alternativen Rezepte präsentiert, darf man sich nicht wundern, dass die Rattenfänger immer erfolgreicher werden. Was wir brauchen, ist eine europafreundliche Partei mit einer alternativen Europolitik.

Wie müsste diese Partei aussehen?

Wie die FDP, nur mit einer anderen Libyen-Politik und einer anderen Euro-Politik. Das wär’s!

Ich wage zu behaupten, dass Ihre Vorschläge so rasch nicht umsetzbar sind. Was muss aber kurzfristig geschehen, damit keine Horrorszenarien wahr werden?

Ich habe ja einen mehrstufigen Vorschlag gemacht. Das Mindeste aber wäre die Re-Nationalisierung der Rettungsschirme.

Das bedeutet, …

Warum rettet Großbritannien Irland?

Warum rettet Großbritannien Irland?

(Foto: picture alliance / dpa)

… dass wir aufhören müssen, deutsche Steuerzahler für die Rettung französischer Banken zahlen zu lassen. Ein Beispiel: Die britische Regierung hat sich am Euro-Rettungspaket für Irland beteiligt. Warum? Großbritannien ist kein Euro-Land. Die Antwort – ganz einfach: Wenn Irland nicht gerettet worden wäre, wären britische Banken in die Knie gegangen, weil sie stark in Irland engagiert sind. Warum hat Präsident Sarkozy Frau Merkel vor mehr als einem Jahr über den Tisch gezogen, als er forderte, Deutschland müsse sich an der Rettung Griechenlands beteiligen? Weil französische Banken in Griechenland am meisten beteiligt waren. Wenn es denn dazu käme, und der Fall ist ja abzusehen, dann müssten die deutschen Steuerzahler die französischen Banken retten. Der Finanzsektor muss auf nationaler Basis stabilisiert werden. Das bedeutet: In Frankreich müssten all diese Banken verstaatlicht werden.

Und in Deutschland?

Für Deutschland sehe ich das Risiko nicht. Bei uns ist der größte Teil des Bankensektors bereits verstaatlicht. Der größte Teil der Papiere liegt in Landesbanken. Für die Deutsche Bank sehe ich keine Probleme. Bei der Commerzbank schon, da wird sich der Staat wahrscheinlich noch einmal engagieren müssen. Aber es ist doch besser, wenn der deutsche Steuerzahler sich an der Rettung deutscher Banken beteiligt als an der französischer Institute.

Was halten Sie davon, die Ratingagenturen einfach zu schließen?

Nichts. Man kann doch nicht den Überbringer schlechter Nachrichten bestrafen.

Im Falle von Lehman Brothers trifft sie aber eine große Schuld.

Hans-Olaf Henkel (r) im Gespräch mit Manfred Blaskin.

Hans-Olaf Henkel (r) im Gespräch mit Manfred Blaskin.

Sie haben völlig Recht. Sie sind nicht irrtumsfrei. Da haben sie eine Menge Schuld auf sich geladen. Ich habe schon während meiner BDI-Zeit vorgeschlagen, eine europäische Ratingagentur zu gründen. Dann gibt es mehr Wettbewerb. Die drei großen US-Agenturen haben ja praktisch ein Monopol.

Können Sie sich die Einführung eines festen Wechselkurses für den Euro vorstellen?

Ja, absolut. Wir hatten solch ein System ja schon vor Einführung des Euro. Ich erinnere an die sogenannte Währungsschlange, die durch Deutschland angeführt wurde. Ich schlage ja ein ähnliches Arrangement der EZB für den bestehenden Euro mit der Bundesbank vor, die dann – unter anderem Namen – für den Nord-Euro verantwortlich wäre, einfach deshalb, um eine zu starke Auf- oder Abwertung dieser beiden Währungen zu verhindern.

Quelle: ntv.de, Mit Hans-Olaf Henkel sprach Manfred Bleskin

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