Jens Korte über Zocker & Wall Street "Wir sollten die Börsen retten"
06.03.2014, 11:09 Uhr
Händler an der Wall Street.
(Foto: AP)

Jens Korte berichtet seit 15 Jahren von der größten Aktienbörse der Welt in New York - unter anderem für n-tv.
(Foto: Jens Korte)
Um die weltweiten Aktienmärkte ist es nicht sonderlich gut bestellt, sagt Jens Korte. Das Finanzsystem sei korrumpiert, doch darüber zu klagen reiche nicht aus. Mit dem Börsenkorrepondenten spricht n-tv.de über Zocker, Reformen und Dark Pools.
n-tv.de: Ihr Buch hat den Titel "Rettet die Wall Street - warum wir die Zocker brauchen". Meinen Sie das ernst? Wir sollen die Zocker retten?
Jens Korte: Wir sollten die Börsen retten – und zwar nicht nur die New York Stock Exchange. Wir sollten uns für einen starken Finanzplatz einsetzen. Das meine ich ganz ernst.
Sind denn die Börsen in Gefahr?
Das gesamte Finanzsystem ist korrumpiert worden. Wer ohnehin schon über viel Kapital verfügt, der wird immer reicher. Und wer diesen Zugang nicht hat, wird immer stärker ausgegrenzt. Das sehen wir bei Börsengängen wie etwa Facebook. Das sehen wir bei Dark Pools, wo sich die Big Player von den öffentlichen Märkten abschotten. Das sehen wir beim High-Speed-Trading, wo auch nicht jeder mitspielen kann.
Bei Zockern denke ich an gewissenlose Typen, wie Leonoardo Di Caprio gerade einen im Film "The Wolf of Wall Street" verkörpert. Die wollen sie retten?
Da fängt das Problem schon an. Bei Wall Street oder Börsen kommen schnell die Klischees von geldgierigen Bankern auf. Der "Wolf of Wall Street" hat noch nicht mal wirklich in New York gearbeitet. Es läuft viel schief in der Industrie. Das verschweige ich in dem Buch überhaupt nicht. Aber es bringt doch nichts ständig zu klagen. Wir müssen uns mit dem Thema auseinandersetzen. Oder glauben Sie, dass Berlin oder Brüssel einen guten Überblick über die Finanzindustrie haben und genau die richtigen Maßnahmen einleiten?
Was sollen wir denn ihrer Meinung nach machen?
Die Börse ist doch grundsätzlich etwas Positives. Hier können Sie etwa über Aktien am Erfolg einer Idee, eines Unternehmens, einer Entwicklung profitieren. Nur der Zugang zu den Finanzmärkten wird immer schwerer und technisch immer verrückter. Nur ein Beispiel: An der Wall Street werden bei der Datenübermittlung jetzt Laser eingesetzt, die eigentlich von der Air Force kommen und Daten noch schneller übermitteln können als Glasfaser oder Mikrowellen.
Noch einmal die Frage, wie können wir uns dagegen schützen?
Wir müssen vor allem begreifen. Erst dann können wir handeln. Und meiner Meinung nach gibt es gerade in Deutschland eine extreme Abneigung gegen alles, was mit der Finanzindustrie zu tun hat. Nochmal: ja, es gibt eine Menge übler Typen in der Branche. Die gibt es aber zum einen überall. Und, was wollen wir denn? Deutschland spielt doch kaum noch eine Rolle auf dem globalen Kapitalmarkt. Die größte Volkswirtschaft Europas hat nur noch eine ernstzunehmende globale Bank. Dafür machen wir uns abhängig von London, New York, Shanghai oder Honkong. Das wollen wir?
Halten Sie die Kritik an der Finanzindustrie für unbegründet?
Ich habe das Buch ja nicht "Weiter so Wall Street" genannt. Alles super, Zocker. Ich sehe durchaus die Tendenz, dass der Zugang zu den Finanzmärkten den weniger Wohlhabenden erschwert wird. Das ist keine gute Entwicklung. Börsen sind doch grundsätzlich etwas Sinnvolles. Da hat jemand eine Idee, eine Innovation, ein Wachstumsmodell und sucht dafür Geldgeber. Und die Investoren geben dafür ihr Kapital und verdienen im guten Fall mit. Darauf basiert unser kapitalistisches System. Wir können natürlich auch ein Komitee einführen, das zukünftig entscheidet, welche Projekte finanziert werden und welche nicht.
Kennen Sie eigentlich Leute, die auf ähnlichen Partys, wie im Wolf of Wall Street, dargestellt waren?
Exzesse gab und gibt es immer. Das scheint uns ja auch zu faszinieren. Sonst wäre der Film kein Erfolg und für den Oscar nominiert worden. Ich kenne Leute, die haben sich nach einem guten Geschäft ein Cabrio gekauft, die Zigarre im Mundwinkel und haben ihre Runden um die Börse gedreht. So etwas geht heute rein logistisch gar nicht mehr, weil seit den Anschlägen vom 11. September die NYSE weiträumig abgeriegelt ist.
Die Fragen stellte Miriam Braun.
Quelle: ntv.de