Sorge um japanischer Zulieferer Wirtschaft warnt vor Engpässen
16.03.2011, 20:48 Uhr
Anstehen am Supermarkt: Vielerorts lässt sich das öffentliche Leben in Japan nur mühsam aufrechterhalten.
(Foto: AP)
Die Folgen der Atomkatastrophe in Japan sind unberechenbar. Die Panik an den Börsen hat sich vorerst gelegt - doch von Beruhigung kann keine Rede sein. Angesichts der Aussicht auf längerfristige Produktionsausfälle fürchten deutsche Unternehmen Lieferengpässe.
Die Atomkatastrophe in Japan hält die Märkte in Atem. Zwar legte sich die Panik an den Weltbörsen am Mittwoch etwas. Doch in den vergangenen Tagen wurde bereits die unvorstellbare Summe von über einer Billion Euro verbrannt. Die Hiobsbotschaften aus dem Pannenmeiler Fukushima Eins reißen nicht ab, die ökonomischen Folgen einer möglichen atomaren Verseuchung der Metropole Tokio sind unabsehbar.
"Käme es im Rahmen eines GAU zu einem massiven Austritt von Radioaktivität, wären schwerwiegende und nachhaltige Folgen für die japanische Wirtschaft zu erwarten", urteilte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise in einer Studie. Sollte der Großraum Tokio - das wirtschaftliche Herz der drittgrößten Volkswirtschaft - getroffen werden, kämen "große Teile der landesweiten Produktion zum Erliegen".
Das würde auch die Weltwirtschaft treffen: Nach Angaben des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) produziert Japan weltweit ein Zehntel aller elektrotechnischen und elektronischen Erzeugnisse und ist nach China und den USA der drittgrößte Produktionsstandort. "Bei längerfristigen Produktionsausfällen könnte es zu weltweiten Lieferengpässen kommen, die dann Auswirkungen auf eine Vielzahl elektronischer Erzeugnisse hätten", warnte der ZVEI.
Nach Ansicht des Autoexperten Christoph Stürmer könnten dann auch deutsche Autobauer unter Engpässen leiden. Als Beispiel nannte er Porsche, der Getriebe von der japanischen Aisin beziehe, aber auch elektronische Bauteile aus dem schwer getroffenen Land. Porsche habe derzeit keine Lieferengpässe wegen der Katastrophe in Japan, betonte dagegen ein Unternehmenssprecher. Die Entwicklung sei aber wegen der weiter extrem unsicheren Lage nicht absehbar.
Firmen passen sich schnell an

"Kein Nachschub im Moment" steht auf diesem Schild in einem Evakuierungs-Lager in einer Fabrik.
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Nach Einschätzung der Deutschen Auslandshandelskammer in Osaka haben sich viele japanische Firmen auf die Krise eingestellt. "Es gibt natürlich Versorgungsprobleme", sagte der Direktor der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan, Manfred Hoffmann. "Aber die japanischen Unternehmen reagieren schnell und passen sich entsprechend an." Sollte aber Tokio betroffen sein, wären die Folgen aus seiner Sicht verheerend. Nach Angaben Hoffmanns haben 36 Prozent der japanischen Firmen ihren Sitz in dem Großraum.
Der Hightech-Verband Bitkom erklärte, dass sich die direkten Auswirkungen des Erdbebens und des Tsunamis auf die Produktion von Hightech-Produkten bislang in Grenzen hielten. Dies gehe aus den ersten Berichten der Hersteller vor Ort hervor. Viele der japanischen Technologie-Anbieter sind bei Bitkom organisiert.
"Die Unternehmen bemühen sich, die Fertigung wieder in Gang zu bringen oder sie verlagern Produktionskapazitäten in andere Werke", sagte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer und teilt damit die Einschätzung der Deutschen Auslandshandelskammer. "Viele der japanischen Hersteller sind global aufgestellt und produzieren auch außerhalb des Landes in der Nähe ihrer Absatzmärkte." Mit Lieferengpässen in Deutschland bei Geräten sei vorerst nicht zu rechnen. Noch unklar sei allerdings, wie sich die Schäden an der Infrastruktur, Stromknappheit oder gar ein nuklearer Super-GAU auswirken würden.
Deutschland importierte 2010 aus Japan laut Bitkom Hightech-Produkte im Wert von 1,8 Mrd. Euro. Davon entfallen 730 Mio. Euro auf Unterhaltungselektronik, 670 Mio. Euro auf IT-Produkte und 430 Mio. Euro auf Kommunikationstechnik. Dies entspreche vier Prozent aller Einfuhren in diesen Marktsegmenten.
Die ökonomischen Folgen von Erdbeben und Tsunami allein wären nach Ansicht der meisten Experten beherrschbar - sie verweisen auf das schwere Erbeben von 1995 als die Zerstörung des damals weltgrößten Handelshafens in Kobe zu einer starken, aber nur vorübergehenden Schwächung der japanischen Wirtschaft führte. Völlig unberechenbar sind hingegen die Folgen der atomaren Katastrophe.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/DJ