Wirtschaft

Weltwirtschaftsforum in Davos Wovor Manager Angst haben

Schwer bewachter Tagungsort: Davos 2011.

Schwer bewachter Tagungsort: Davos 2011.

(Foto: REUTERS)

In Davos treffen rund 2500 Unternehmer und Wissenschaftler auf Spitzenpolitiker aus allen Teilen der Welt. An brisanten Gesprächsthemen mangelt es auch nach der Finanzkrise nicht. Eine Risikostudie verrät, wo die dringlichsten Gefahren liegen. Ein Überblick.

Gespräche im Sessel: Klaus Schwab diskutiert bei der Eröffnungsveranstaltung mit Dimitri Medwedew (rechts).

Gespräche im Sessel: Klaus Schwab diskutiert bei der Eröffnungsveranstaltung mit Dimitri Medwedew (rechts).

Klaus Schwab, Wirtschaftswissenschaftler und Gründer des Weltwirtschaftsforums, gibt auch in diesem Jahr das Motto vor: Die "neuen Realitäten" sind es, mit denen sich die 2500 Wirtschaftslenker, Wissenschaftler, Politiker und Vertreter aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft im Schweizer Luftkurort Davos befassen sollen.

Das 41. World Economic Forum steht ganz im Zeichen mentaler Aufräumarbeiten: Die akuten Auswirkungen der Finanzkrise scheinen überwunden. Die Weltwirtschaft erholt sich. Tiefgreifende Veränderungen werden sichtbar.

Die Welt dreht sich schneller

"Die Verlagerung der politischen und wirtschaftlichen Macht von Westen nach Osten und Norden nach Süden sowie die rasante Entwicklung technologischer Innovationen haben eine vollkommen neue Realität geschaffen", beschreibt Schwab die Ausgangslage. Der gebürtige Deutsche spielt damit unter anderem auf die neue Rolle Chinas in der Welt und das wachsende Gewicht der Entwicklungs- und Schwellenländer an.

"Der Euro wird niemals abgeschafft": Nicolas Sarkozy.

"Der Euro wird niemals abgeschafft": Nicolas Sarkozy.

"Die globalen Systeme und Modelle der Entscheidungsfindung werden dem Tempo und der Komplexität dieser Veränderungen nicht mehr gerecht", stellt Schwab fest. Für ihn geht es vor allem um globale Zusammenarbeit. Keine Regierung könne es sich mehr leisten, in einer Welt der gegenseitigen Abhängigkeiten und komplexen Zusammenhänge die Lösung für die zahlreichen Probleme im Alleingang suchen zu wollen.

In diesem Zusammenhang beschreibt er das Jahrestreffen in Davos auch als den "einzigen Weltgipfel, der all die Herausforderungen der globalen Agenda in ihrer Gesamtheit behandelt". Damit beansprucht das Weltwirtschaftsforum eine neue Rolle. In Davos sollen die Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft Lösungsansätze entwickeln, die später im Rahmen der G20-Gipfel in politisches Handeln gegossen werden könnten.

Tunesien: Einzelfall oder Vorbild?

Dass die Welt dringend gut durchdachte Konzepte braucht, dafür gab es zuletzt eine ganze Reihe an Beispielen: Der Umgang der Europäer mit wachsenden Staatsschulden, der Streit um Exportschranken, die Debatte um Währungskriege, die Proteste gegen die steigenden Nahrungsmittelpreise, die sozialen Spannungen in Nordafrika und die Staatskrisen in Ländern wie Elfenbeinküste oder Tunesien.

Ex-Staatsmann und UN-Nahost-Beauftragter: Tony Blair.

Ex-Staatsmann und UN-Nahost-Beauftragter: Tony Blair.

Wie in den Jahren zuvor haben Unternehmensberater, Analysten und Rückversicherer im Vorfeld des Treffens und im Auftrag des Veranstalters eine gemeinsame Studie vorbereitet, in der sie die aus ihrer Sicht gefährlichsten Risiken des Jahres 2011 beschreiben. Ein Blick in diese Studie zeigt, dass auch dem Ende der Finanzkrise keinen Grund zum Zurücklehnen besteht.

"Die Welt ist nicht in der Lage, größere neue Schocks zu verkraften", heißt es in der Studie "Global Risks 2011" ernüchternd. Die Finanzkrise habe die Belastbarkeit des Weltwirtschaftssystems geschwächt und gleichzeitig geopolitische Spannungen verstärkt. Wachsende soziale Sorgen legen nahe, dass sowohl die Regierungen als auch die gesellschaftlichen Kräfte nach der Krise weniger denn je in der Lage sind, mit weltumspannenden Problemen überlegt und vernunftorientiert umzugehen.

Die Politik eilt der Globalisierung hinterher

Zwei weltumspannende Risiken macht die Studie aus: Die zunehmende "wirtschaftliche Ungleichheit" zwischen den Weltregionen und ein mögliches "Versagen der internationalen Politik" im Umgang mit vernetzten Problemstellungen. Die Schuldenberge in den Industrienationen auf der einen Seite führt demnach im Zusammenspiel mit dem Aufstieg der Schwellenländer auf der anderen Seite zu einem ganzen Bündel an Folgeproblemen: Währungsschwankungen, Haushaltskrisen und die Gefahr platzender Preisblasen an den Aktien- und vor allem Immobilienmärkten.

Die Weltwirtschaft wird auch weiblicher: Pepsi-Chefin Indra Nooyi.

Die Weltwirtschaft wird auch weiblicher: Pepsi-Chefin Indra Nooyi.

Daneben fürchten die Risikoanalysten die Gefahren aus der Schattenwirtschaft, wo dank der neuen Ungleichgewichte Korruption, illegaler Handel und organisiertes Verbrechen florieren. Das Volumen der weltweiten Aktivitäten außerhalb des Rechtsrahmens schätzen die Experten auf rund 1,3 Billionen US-Dollar, Tendenz steigend.

Ein weiteres Risikofeld bereitet den Experten große Sorgen. "Wasser, Nahrungsmittel, Energie", nennen sie einen Problemzusammenhang, der durch die wachsende Weltbevölkerung und begrenzte Ressourcen schnell dramatische Dimensionen annehmen kann. Die Nachfrage dürfte ihrer Ansicht nach in den kommenden beiden Jahrzehnten um 30 bis 50 Prozent steigen. Engpässe könnten soziale und politische Spannungen auslösen, zu irreparablen Umweltschäden führen oder gar in internationale Konflikte münden, warnen sie.

Die Studie identifiziert außerdem fünf weitere Risiken, die Manager und Politiker in diesem Jahr besonders im Auge halten sollten:

Risiko: Internet-Sicherheit

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon (links) plaudert mit Viktor Janukowitsch, dem Präsidenten der Ukraine: Die informellen Gespräche am Rande des Forums bringen Dinge in Bewegung.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon (links) plaudert mit Viktor Janukowitsch, dem Präsidenten der Ukraine: Die informellen Gespräche am Rande des Forums bringen Dinge in Bewegung.

In einer vernetzten Welt müssen sich Unternehmen und Staaten auf die neuen Bedingungen der elektronischen Öffentlichkeit einstellen. Im vergangenen Jahr machte die Debatte rund um Schlagworte wie Wikileaks und Stuxnet die neuen Risiken offensichtlich. Vom Datendiebstahl über Wirtschaftsspionage, Geheimnisverrat bis hin zu elektronische Sabotageaktionen per Computervirus - die Online-Kommunikation umfasst nach Meinung der Risikoanalysten gleich mehrere Themen, die bislang nur unzureichend verstanden werden, darunter auch die möglichen Auswirkungen der digitalen Kriegführung.

Risiko: Demografischer Wandel

Die Industriestaaten drohen zu vergreisen, in der islamischen Welt fordert eine junge Bevölkerungsmehrheit Zugang zum Arbeitsmarkt und in den Schwellenländern pocht der wachsende Mittelstand auf einen neuen Lebensstandard. Während diese Trends die sozialen Sicherungssysteme in Ländern wie den USA, Deutschland oder Japan an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen, bedrohen sie gleichzeitig die soziale Stabilität in so unterschiedlichen Staaten wie Tunesien, Algerien oder auch Indien und China.

Risiko: Versorgung mit Ressourcen

Die zuletzt extrem schwankungsanfälligen Nahrungsmittelpreise bergen sozialen Sprengstoff, der selbst die scheinbar stabile Verhältnisse in autoritär regierten Staaten zum Kippen bringen kann. Ressourcenknappheit kann aber auch ganze Industrien bedrohen, wie nicht zuletzt die Diskussion um die Exportbeschränkungen für die Industriemetalle der Seltenen Erden aus China gezeigt hat.

Risiko: Schranken im Welthandel

Die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft könnten zusammen mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich zu populistischen Reflexen und Abgrenzungsversuchen führen, schreiben die Autoren der Studie. Mit Sorge blicken sie auf erste Anzeichen für ein Wiedererstarken extremistischer Parteien auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Auch der Einfluss der Tea-Party-Bewegung auf die Außen- und Wirtschaftspolitik der USA bereitet Sorge. Auf internationaler Ebene ist es vor allem die exzessive Politik des billigen Geldes in den USA, an der sich bereits der Devisenstreit zwischen Industrie- und Schwellenländern entzündet hatte.

Risiko: Massenvernichtungswaffen

Die Angst vor einer unkontrollierten Weitergabe von Nuklearmaterial macht die Experten besonders unruhig. Die Bedrohung durch chemische, biologische und nukleare Kampfstoffe beschreiben sie als real. Eine Gefahrenquelle sei der Terrorismus, heißt es. Eine andere sei ein denkbarer geopolitischer Konflikt. Das Risiko dieser beiden Gefahrenquellen hinge direkt vom Erfolg oder dem Versagen internationaler Politik ab. Auch hier pochen sie also auf internationale Zusammenarbeit.

Knüpft Kontakte zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik: Klaus Schwab.

Knüpft Kontakte zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik: Klaus Schwab.

"Das Hauptaugenmerk wird beim diesjährigen Treffen dem Umgang mit globalen Risiken, der Entwicklung von Risikominderungsstrategien und Nutzung damit einhergehender Chancen gelten", fasst Klaus Schwab die Agenda 2011 zusammen. Zusammen mit den Teilnehmern des Wirtschaftsforums will er über die Wege debattieren, die der Welt nach der Finanzkrise offenstehen. Die Gesprächsrunden sind durch die Bank hochkarätig besetzt.

Zwischen den rund 1400 teilnehmenden Unternehmern sitzen unter anderem Zentralbankpräsidenten, zahlreiche Spitzenvertreter internationaler Organisationen, Gewerkschaftsvorsitzende, religiöse Führern, Vertreter der Medien, der Zivilgesellschaft sowie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - und den allein 30 Staats- und Regierungschefs von Medwedew bis Merkel.

Am zweiten Tag des Treffens sprach unter anderem Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird für Freitag erwartet.

Quelle: ntv.de

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