Wirtschaft

Scheinbarer Widerspruch Yen zeigt Stärke

Auf den ersten Blick scheint es widersprüchlich: Trotz des schweren Erdbebens mit anschließendem Tsunami und möglicher Nuklearkatastrophe legt der japanische Yen stark zu. Doch auf den zweiten Blick macht die Entwicklung Sinn.

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(Foto: REUTERS)

Trotz des Jahrhundertbebens in Japan und der nun drohenden Atomkatastrophe gewinnt der japanische Yen an Wert. Dass der Yen sich trotz der Horrornachrichten an den Devisenmärkten stabil hält, liegt vor allem daran, dass japanische Anleger Investitionen aus aller Welt nach Hause zurückholen. Außerdem lösen internationale Investoren Geschäfte auf, die sie mit Yen-Krediten günstig finanziert hatten. Auf längere Sicht könnte sich der Yen aber sehr wohl abschwächen, sagen Marktbeobachter.

Schon nach dem schweren Erdbeben im japanischen Kobe Anfang 1995 war der Yen angestiegen und hatte in der Folge sogar sein Rekordhoch erreicht. Auch die Nachfrage nach japanischen Staatsanleihen stieg.

Typische Entwicklung

Ein Faktor für die Nachfrage nach Yen ist laut Analysten die so genannte Repatriierung, also die Rückholung von im Ausland angelegtem Geld. "Typischerweise wertet nach einem Erdbeben die jeweilige Heimatwährung auf, in diesem Fall der Yen, da die inländischen Versicherungen ihre Kapitalanlagen im Ausland auflösen und Kapital repatriieren", heißt es beispielsweise in einem Marktkommentar des Bankhauses Metzler. Nach Einschätzung der UniCredit tauschen derzeit ohnehin viele japanische Investoren zum nahenden Ende des Fiskaljahres Geld in Yen zurück.

Das hat an den Devisenmärkten große Auswirkungen, da sowohl der private Sektor als auch die öffentliche Hand sehr viel Geld außerhalb Japans investiert haben.

Im privaten Bereich zählen hierzu vor allem Unternehmen aus der Finanzbranche. Insbesondere Versicherungen dürften Fremdwährungsinvestitionen zurückführen, um Forderungen aus der Katastrophe begleichen zu können, erklärt die Commerzbank den Effekt. Die öffentliche Hand wiederum verfügt nicht zuletzt wegen zahlreicher Interventionen am Devisenmarkt über hohe Fremdwährungsbestände.

Deshalb könnte die Repatriierung japanischer Investitionen auch am Markt für US-Staatsanleihen Auswirkungen haben. Japan ist nach China der zweitgrößte Gläubiger der USA und hält Währungsreserven von 900 Mrd. Dollar. "Ein großer Anleihenkäufer ist aus dem Markt genommen", sagte Dan Fuss, Vizechef der Fondsgesellschaft Loomis Sayles. Zudem werde Japan wohl Währungsreserven für den Wiederaufbau einsetzen.

Ein weiterer Faktor für die Stärke des Yen ist die Auflösung hochspekulativer Geschäfte am Devisenmarkt. Anleger nutzen den nahe Null liegenden Leitzins in Japan, um sich günstig zu verschulden und das Geld in Regionen mit höherem Zinsniveau wie Australien anzulegen. In Japan liegt der Leitzins nahe null Prozent, während er in der Euro-Zone ein Prozent und in Australien 4,75 Prozent beträgt. Wegen des Währungsrisikos gelten diese sogenannten Carry Trades als hochriskant. Bekommen die Anleger wegen steigender Risikoscheue - etwa infolge einer Naturkatastrophe oder politischer Unruhen - kalte Füße, lösen sie die Geschäfte wieder auf.

Experten erwarten Abwertung

Doch die Yen-Stärke könnte nur von kurzer Dauer sein. "Mittelfristig sollte sich der Yen wieder abschwächen, nach dem Erdbeben wird die Lage der öffentlichen Haushalte noch stärker als bislang belastet sein", sagt Bastian Hepperle, Währungsstratege bei der WestLB.

Nach Einschätzung der Ratingagentur Moody's dürfte das Beben allerdings keine direkte Auswirkung auf die Bonitätseinschätzung Japans haben. Um die drohende Herabstufung zu verhindern, komme es vielmehr auf eine Reduzierung des Haushaltsdefizits und eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums auf mittlere Sicht an.

Gedämpft wurde die Aufwertung des Yen bereits am Montag, als die japanische Notenbank eine abermalige Lockerung ihrer bereits hochexpansiven Geldpolitik beschloss. Wegen des hohen Bedarfs an flüssigen Mitteln im Finanzsektor hat die Bank of Japan sowohl ihre Wertpapierkäufe ausgeweitet als auch zusätzliche Kurzfristliquidität in die Märkte gepumpt.

Die anhaltend expansive Geldpolitik dürfte letztlich dazu führen, dass die inländische Teuerung anzieht, was wiederum dann den Yen belastet. Wegen des Bebens dürfte der Außenhandel leiden, auch die öffentlichen Haushalte dürften stark in Mitleidenschaft gezogen werden, führt die Commerzbank an. Diese Faktoren werden längerfristig den Yen unter Druck setzen.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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