Wirtschaft

"Nicht alles so rosig" ZEW-Index fällt zurück

Alle vier Wochen bitten ZEW-Mitarbeiter Großanleger und andere Finanzmarktprofis um ihre Einschätzung zu Lage und Erwartung.

Alle vier Wochen bitten ZEW-Mitarbeiter Großanleger und andere Finanzmarktprofis um ihre Einschätzung zu Lage und Erwartung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Herber Rückschlag für Optimisten: Finanzmarktprofis schätzen die Aussichten für die deutsche Wirtschaft im Juli deutlich schwächer ein als erwartet. Der ZEW-Index gibt überraschend nach. Analysten sprechen von einer auffälligen "Euphorie-Bremse".

Die Konjunkturerwartungen von Finanzexperten und institutionellen Anlegern entwickeln sich im Juli ganz anders als am Markt erwartet: Das richtungsweisende Stimmungsbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fällt von 38,5 Punkten im Vormonat auf aktuell 36,6 Punkte. Im Vorfeld befragte Analysten hatten bei den Konjunkturerwartungen im Schnitt mit einem Anstieg auf 40,0 Stellen gerechnet. Der Rückgang kam überraschend, bleibt aber im Rahmen: Mit dem neuen Juli-Stand bleibt der viel beachtete Indikator weiter über seinem langfristigen Mittelwert von 23,7 Zählern.

"Die Finanzmarktexperten bleiben bei ihrer insgesamt positiven Prognose", sagte ZEW-Präsident Clemens Fuest. "Das verdeutlicht ihr Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit der deutschen Konjunktur trotz der zuletzt schwachen Zahlen zu Industrieproduktion und Außenhandel".

Die derzeitige Lage bewerteten die Finanzprofis besser als im Vormonat. Das Barometer stieg um zwei auf 10,6 Zähler. Hier hatten Ökonomen lediglich einen Anstieg auf 9,0 Punkte erwartet. Im Vormonat hatte sich bereits die Beurteilung der aktuellen Konjunkturlage leicht eingetrübt, während der Teilindex der Konjunkturerwartungen für die jeweils folgenden sechs Monate noch auf plus 38,5 Zähler gestiegen war.

Für die Eurozone stiegen die Konjunkturerwartungen leicht an. Der entsprechende Indikator legte um 2,2 Punkte auf 32,8 Punkte zu. Der Teilindex für die aktuelle wirtschaftliche Lage im Euroraum verbesserte sich um 4,8 Punkte auf einen Wert von minus 74,7 Punkten. Das ZEW befragte eigenen Angaben zufolge im Rahmen der monatlichen Erhebung 256 Analysten und institutionelle Anleger.

Schwache Daten, niedrige Zinsen?

Im Aktienhandel scheinen Börsianer die ZEW-Enttäuschung wegzustecken: Der Leitindex Dax baute seine Verluste nicht weiter aus. "Der ZEW spricht für die These, dass die Zinsen auf lange Sicht niedrig bleiben", erklärte ein Händler das Reaktionsmuster. Zudem sei der ZEW abhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte und deshalb weniger wichtig als der Ifo-Index, der die Realwirtschaft spiegele. Am Devisenmarkt reagierte der Euro ebenfalls nur mit geringfügigen Ausschlägen. Nach Veröffentlichung des ZEW-Index pendelte sich der Kurs der Gemeinschaftswährung in der Nähe seines Vortagesniveaus bei 1,3075 Dollar ein.

"Auffällig ist, dass die Analysten etwas auf die Euphorie-Bremse treten", fasste HSBC-Trinkaus-Ökonom Rainer Sartoris seine Eindrücke in einer ersten Reaktion zusammen. "Insgesamt bleibt aber ein gewisser Grundoptimismus für die deutsche Wirtschaft." Die Entwicklung in China bereite allerdings vielen Marktteilnehmern Kopfzerbrechen. "Schließlich bedeutet das, dass es für den deutschen Export von dort keine positiven Impulse geben wird", meinte Sartoris. "Das dämpft die Stimmung etwas. Zugleich gehen wir aber davon aus, dass die chinesische Wirtschaft keine harte Landung hinlegen wird."

"Die ZEW-Umfrage fällt schwächer aus als erwartet, was in Anbetracht der verbesserten Sentix-Umfrage überrascht", erklärte Helaba-Analyst Ulrich Wortberg. "Gleichwohl bleibt das insgesamt positive Konjunkturbild in Deutschland erhalten, denn das Niveau der Erwartungskomponente ist weiterhin hoch. Die Vorgaben für den Ifo-Geschäftsklimaindex sind uneinheitlich."

Trügerischer Scheinaufschwung?

"Der ZEW-Index ist überraschend schlecht ausgefallen", pflichtete Sebastian Sachs von der Metzler Bank seinen Kollegen bei. "Das ist kein gutes Zeichen für die Eurozone und zeigt, dass auch in Deutschland nicht alles so rosig läuft wie viele vielleicht denken."

Kurz vor Bekanntgabe des ZEW-Index dämpfte bereits eine nachträgliche Korrektur die Zuversicht der Anleger: Die Umsätze des deutschen Einzelhandels sind im Mai auf Monatssicht etwas weniger stark gewachsen als zunächst angenommen.

Binnen Jahresfrist war der Anstieg hingegen deutlich stärker. Wie die Bundesbank mitteilte, stiegen die Umsätze gegenüber dem Vormonat preisbereinigt um 0,7 Prozent. Vorläufig war das Statistische Bundesamt von einem Wachstum um 0,8 Prozent ausgegangen. Auf Jahressicht lagen die Umsätze den revidierten Daten zufolge um 1,3 Prozent höher. Zunächst war ein Anstieg um 0,3 Prozent ausgewiesen worden.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts

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