Zwei Worte können viel verraten Zeit für die Zinswende in den USA?
17.09.2014, 14:20 Uhr
Bereit für die Wende?
(Foto: Reuters)
Amerikas Wirtschaft wächst nicht nur. Sie ist die Konjunkturlokomotive der Welt. Die Zeit scheint reif für höhere Zinsen. Aber ist die US-Notenbank Fed bereit? Heute könnte sie das wohlgehütete Geheimnis lüften.
Vor dem Zinstermin der Zentralbank in Washington herrscht angespannte Ruhe. Die Finanzmarktteilnehmer werden seit Monaten auf die Folter gespannt. Wenn es so läuft, wie viele vermuten, könnte die US-Notenbank Fed heute ankündigen, dass sie tatsächlich ernst machen will mit der Zinsanhebung - zumindest eine kleine Andeutung könnte es in der Pressekonferenz nach der zweitägigen Sitzung des geldpolitischen Rats der Fed geben. Acht Jahre hat die Niedrigzinsphase dann gedauert. Jetzt heißt es abwarten, ob Fed-Chefin Janet Yellen am Nachmittag auch den entsprechenden rhetorischen Hinweis liefert.
Für eine Neuausrichtung der US-Geldpolitik spricht einiges. Nicht zuletzt eine ganze Serie positiver Wirtschaftsdaten: Frühindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex, die Auftragseingänge oder die Verbraucherstimmung signalisieren ganz klar eine Beschleunigung des Wachstums. Während die Konjunktur in Europa rumdümpelt und die EZB alles Erdenkliche tut, um die Inflation anzuheizen und die Konjunktur auf Trab zu bringen, brummt die Wirtschaft in Amerika.
USA sind weiter als Europa
Im Blickpunkt der Fed stand lange die Lage am Arbeitsmarkt. Yellen hat stets betont, dass er sich noch nicht genug erholt habe. Zuletzt lag die Arbeitslosenquote aber bei 6,1 Prozent - damit nähert sich die Wirtschaft der Definition nach der Vollbeschäftigung. Sechs Prozent waren ursprünglich mal als Marke für eine Zinswende festgelegt worden. Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaft um 4,2 Prozent.
Amerika ist im Krisenzyklus deutlich weiter als Europa - nicht zuletzt, weil die Fed die Gelddruckmaschine früher angeworfen hat als die EZB. Eine Kreditklemme wie in Europa gibt es nicht. Die Banken sind wieder mit Kapital ausgestattet. Hinzu kommt, dass der Industriestandort USA aufgrund der niedrigen Energiekosten deutlich attraktiver ist als der in Europa.
Wenn Währungshüter zu lange am Nullzins festhalten, besteht die Gefahr, dass die Inflation außer Kontrolle gerät oder einzelne Wirtschaftsbereiche überhitzen. Dieser Fehler unterlief der Fed schon einmal in den 90er Jahren. Damals musste sie mit hektischen Zinssprüngen gegensteuern. Wenn die Fed also jetzt nicht in die Spur gehen will, muss sie zumindest sehr gut begründen, warum sie die Nullzinspolitik noch weiter fortsetzen will.
In der Zins-Zwickmühle
Die Entscheidung ist trotzdem schwierig. Denn es gibt auch Gründe, die gegen eine baldige Zinswende sprechen: zum Beispiel die jüngsten Wachstumsprognosen. Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die OECD haben den USA schlechte Noten gegeben und die Wachstumserwartungen zurückgeschraubt - auch für das kommende Jahr. Das könnte bedeuten, dass die Fed möglicherweise doch länger auf dem geldpolitischen Gaspedal bleibt als angenommen. Beobachter werden diesmal also buchstäblich an Yellens Lippen kleben, um Hinweise zu bekommen, wie es weitergeht.
Gute Tradition hat die verklausulierte Form, in der die Fed ihre geldpolitischen Einschätzungen verpackt. Heute wird der Markt ganz genau auf eine Formulierung warten: Nimmt Yellen die Worte "beträchtliche Zeit" in den Mund oder nicht? Es ist eine kleine unscheinbare Formulierung mit großer Bedeutung. Denn mit ihr lässt sich an sechs Fingern abzählen, wann die Zinswende kommt.
Yellen selbst hat "beträchtliche Zeit" einmal als ein halbes Jahr definiert. Andere Fed-Mitglieder verstehen darunter mindestens ein halbes Jahr. Die Fed könnte die Zinsen demnach irgendwann ab März anheben. Ein einfaches Rechenbeispiel: Denn Experten gehen davon aus, dass die Fed den milliardenschweren Kauf von langfristigen Staatsanleihen und Immobilienpapieren zum Oktober einstellen wird.
Immer an die Konventionen halten
Im August kaufte die Fed noch Staats- und Hypothekentitel für 25 Milliarden Dollar - angefangen hat sie mit 85 Milliarden Dollar pro Monat. Angesichts der zunehmend festeren US-Konjunktur kündigten die Währungshüter im Juli aber an, bei jeder Sitzung die Käufe um je 10 Milliarden Dollar zu drosseln.
Was es bedeutet, wenn Yellen die Worte "beträchtliche Zeit" nicht sagt, wissen Beobachter, die mit dem Vokabular vertraut sind, auch. Es sei auf jeden Fall ein klares Indiz, dass es früher losgeht. Yellen müsste sich dann nämlich nicht nachsagen lassen, dass sie mit den Sprachkonventionen gebrochen und die Finanzmärkte verwirrt hätte. Auch das ist schon passiert.
Quelle: ntv.de