Facebook-Chef lernt aus Xis Reden Zuckerberg wanzt sich an China ran
09.12.2014, 11:11 Uhr
Mark Zuckerberg will Chinas Zensoren von seiner Harmlosigkeit überzeugen.
(Foto: AP)
Facebook-Gründer Zuckerberg tut alles, um Chinas Zensoren zu gefallen. Dafür rührt er sogar die Werbetrommel für die Reden von Staatschef Xi - zum Entsetzen von Menschenrechtsaktivisten.
Diese Schlagzeile ging Chinas staatlicher Propagandaschmiede leicht von der Hand: "Facebook-Gründer lernt von Xi Jinping", hieß es in der "Shanghai Daily". Anlass für diese Nachricht gab ein Foto, das am Tag zuvor von chinesischen Staatsmedien veröffentlicht wurde. Darauf zu sehen war neben dem besagten Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auch der Chef der chinesischen Internetbehörde, Lu Wei, der er sich an Zuckerbergs Schreibtisch in der Facebook-Firmenzentrale in Kalifornien lachend gemütlich gemacht hatte. Das alles würde vergleichsweise wenig Aufsehen erregen, wäre da nicht ein klitzekleines Detail am unteren rechten Bildrand.

Gute Laune, interessante Lektüre: Mark Zuckerberg lässt Lu Wei an seinem Schreibtisch Platz nehmen - und hat dort wie zufällig die Reden Xi Jinpings liegen lassen (unten rechts im Bild zu sehen).
(Foto: china.org.cn)
Auf dem Schreibtisch liegt ein Buch mit dem Titel "The Governance of China", zu deutsch: "China regieren". Auf seinem Cover prangte das Porträt des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, strahlend, voller Zuversicht. Das Buch wurde kürzlich von der Propaganda-Abteilung der allein regierenden Kommunistischen Partei in neun Sprachen herausgegeben. Es enthält Dutzende Reden des Staatschefs der Volksrepublik und soll vor allem einen Eindruck hinterlassen: Hier weiß jemand, was er tut. Es dauerte nicht lange, bis das Foto mit dem entsprechenden Hinweis auf das Sammelwerk um die Welt ging.
Vor allem aus China selbst hagelte es Kritik. Unter anderem drückte der Menschenrechtsaktivist Hu Jia gegenüber dem "Guardian" seine Enttäuschung übers Zuckerbergs Kotau aus. "Er ist ein Internet-Genie. Aber sein Verständnis von chinesischer Politik ist das eines Dreijährigen, nicht eines 30-Jährigen", sagte Hu. Und weiter: "Er weiß nichts über Xi, er weiß nichts über China, obwohl er Chinesisch studiert." Die Kommunistische Partei, Präsident Xi und Chefkontrolleur Lu seien "die drei größten Feinde des Internets." Hu war einst für den Sacharow-Preis der EU nominiert, saß dann drei Jahre in Haft und steht jetzt unter Hausarrest.
Facebook will harmlos wirken
Der Zeitpunkt von Zuckerbergs sozialistischer Charmeoffensive muss chinesischen Internetaktivisten vorkommen wie eine Farce. In diesem Jahr wurden Hunderte Blogger verhaftet und die Regeln für die Nutzung des Internets in China verschärft. Xi geht mit aller Härte gegen Kritiker vor. Er will das Land wirtschaftlich reformieren, aber an einer größeren Meinungsvielfalt in der Volksrepublik ist er nicht interessiert.
Zuckerbergs Kalkül scheint klar zu sein: Er will Chinas Zensoren, die Facebook bislang verteufeln, von seiner Harmlosigkeit überzeugen. Sein Gast Lu Wei ist die personifizierte Institution Pekings im Kampf gegen Meinungsfreiheit im Netz. Also konnte es nicht schaden, sich aus eigenem Geschäftsinteresse vor den Repräsentanten der autoritären Regierung ein bisschen als Fan chinesischer Innenpolitik zu outen.
Facebook ist seit 2009 in China gesperrt. Zuckerberg versucht seitdem mit allen Mitteln, Zugang zum größten Internetmarkt der Welt mit 632 Millionen Nutzern zu bekommen. Regelmäßig besucht er die Volksrepublik. Er lernt seit vier Jahren Chinesisch und hielt kürzlich sogar eine Frage-und-Antwort-Stunde in Mandarin. Er knüpft enge Kontakte zu den Stars der lokalen IT-Branche wie Baidu-Gründer Robin Li, die ihm bestens Auskunft geben können, über den optimalen Umgang mit den Zensoren.
Foto könnte zum Bumerang werden
Da scheint es opportun, eine Ausgabe von "The Governance of China" für die chinesische Delegation deutlich sichtbar an seinem Arbeitsplatz zu platzieren. Laut chinesischen Staatsmedien habe Zuckerberg seinem hochrangigen Gast erzählt, dass er einigen Kollegen die Lektüre des Buches nicht nur empfohlen, sondern ihnen gleich eine Ausgabe geschenkt habe. Er wolle, dass sie den Sozialismus mit chinesischen Charakteristika besser verstehen lernen, soll er seinem hochrangigen Gast gesagt haben.
Manche Fotoaufnahmen können auch Jahre nach ihrer Entstehung viel Schaden anrichten für denjenigen, der darauf zu sehen ist. Dieses Foto gehört wohl dazu. Sollte die KP irgendwann einmal ihr Machtmonopol verlieren, können solche Aufnahmen unangenehm auf ihn zurückfallen. Zuckerberg, der mit einer Chinesin, die in den USA aufgewachsen ist, verheiratet ist, hat das außer Acht gelassen, in der Hoffnung dass eine Lizenz für Facebook in China zur Goldgrube für das Unternehmen wird. Das gelingt aber nur, wenn er sich nicht vorab die Reputation unter den Nutzern verdirbt. Beim Kurznachrichtendienst Weibo kommentierte eine Nutzer zynisch: "Zuckerberg ist nur einen Schritt davon entfernt, ein Mitglied der Kommunistischen Partei zu werden."
Quelle: ntv.de