Zeit wird knapp Zypern kommt nicht weiter
23.03.2013, 12:43 Uhr
Das Ende des Ultimatums rückt näher.
(Foto: dpa)
Der letzte Schritt des zyprischen Parlaments lässt noch auf sich warten. Vor den Beratungen über die umstrittene Zwangsabgabe auf Spareinlagen führt die Regierung Gespräche mit der Geldgeber-Troika. Die Abstimmung im Parlament verzögert sich immer weiter, die Zeit wird immer knapper. In der Bevölkerung steigt die Verzweiflung.
Erneutes Warten auf Zypern: Neue Beratungen der zyprischen Regierung haben zu einer weiteren Verzögerung des ohnehin knappen Zeitplans zur finanziellen Sanierung des Landes geführt. Bis zum Samstagmittag war nicht klar, wann das Parlament in Nikosia über die umstrittene Zwangsabgabe auf Spareinlagen abstimmen würde. Zunächst führte die Geldgeber-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds dazu Gespräche mit der Regierung, wie Regierungssprecher Christos Stylianides mitteilte. Dadurch verzögerten sich auch die geplanten Beratungen von Präsident Nikos Anastasiades mit den Parteichefs auf der Mittelmeerinsel.
Unter anderem kursierte in Nikosia der Plan, dass Geldeinlagen über 100.000 Euro des größten zyprischen Geldinstituts Cyprus Bank mit 22 bis 25 Prozent belastet werden. Dort sollen die meisten russischen Oligarchen ihr Geld geparkt haben. Einige Zeitungen spekulierten, alle Bankkunden mit Geldeinlagen von mehr als 100.000 Euro sollten mit zehn Prozent belastet werden. Am Dienstag hatten die Abgeordneten in Nikosia noch jede Zwangsabgabe auf Bankguthaben kategorisch abgelehnt.
Das Parlament in Nikosia hatte am Vorabend mehrheitlich Einschränkungen im Kapitalverkehr gebilligt, um ein Abfließen der Gelder ins Ausland zu verhindern. Außerdem wurde die Bildung eines Solidarfonds zur Rekapitalisierung der Geldhäuser beschlossen. Mit den Kapitalverkehrskontrollen soll verhindert werden, dass es zu einem sogenannten Bank Run kommt. Denn ohne Maßnahmen wie Obergrenzen bei Überweisungen, Auszahlungen oder Scheckeinlösungen steht zu befürchten, dass die Bankkunden ihre Einlagen abzuheben versuchen, wenn die Banken, die seit dem Wochenende geschlossen sind, wieder öffnen. Auch die Aufspaltung der Laiki Bank in ein reguläres Institut und eine sogenannte Bad Bank erlaubten die Abgeordneten.
Verzweiflung greift um sich

Ein russischer Anleger zeigt während einer Demonstration in Nikosia auf seinem Tablet ein Bild des russischen Präsidenten Putin. Die Anleger füllen sich in der Zypern-Krise von Russland verlassen.
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Die Stimmung in Nikosia war am Samstag gedrückt. "Das Wort hat jetzt Brüssel", titelte die konservative Zeitung "Simerini." "Ab nach Brüssel zum "Haircut"" (Beschneiden der Spareinlagen), titelte der "Fileleftheros", die größte Zeitung Zyperns. Darunter war ein großes Foto mit drei weinenden und verzweifelten angestellten Frauen der Popular Bank, die um ihren Job.
Das EU-Land muss eine Eigenleistung von 5,8 Mrd. Euro zusammenbringen, um von den internationalen Geldgebern Nothilfen von zehn Mrd. Euro zu bekommen. Die EZB hat angekündigt, dass sie nur noch bis einschließlich Montag (25. März) Geld aus Europa für die zyprischen Banken bereitstellen wird. Danach sollen nur dann weiter Mittel fließen, wenn es ein Sanierungskonzept gibt.
In Brüssel verlautete inoffiziell, die Finanzminister der Eurogruppe wollten am Sonntag die Zypern-Frage erörtern. Auch Zyperns Staatschef Anastasiades wurde in Brüssel erwartet, um den Alternativplan vorzustellen, mit dem Zypern seinen Anteil zum Zypern-Rettungsplan der Geldgeber aufbringen will. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass der Präsident mit den wichtigsten Parteichefs noch am frühen Samstagnachmittag zu Beratungen mit der EU-Führung über die Details des neuen Rettungspakets nach Brüssel abfliegen könnte. Demnach könnte sich die Abstimmung im Parlament in Nikosia auf den späten Samstagabend oder sogar Sonntag verschieben.
Ein erster Plan, bei dem etwa Zwangsabgaben in unterschiedlicher Höhe auf alle Spareinlagen vorgesehen waren, war am Dienstagabend vom zyprischen Parlament glatt abgewiesen worden.
Jörg Asmussen, Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank, verteidigte unterdessen eine Beteiligung der Sparer an der Rettung der zyprischen Banken. In einem Gastbeitrag für die Wochenendausgabe der Zeitung "taz" schreibt Asmussen, Privatisierungen alleine würden nicht ausreichen. Deshalb sei eine "einmalige Sonderabgabe auf Einlagen" nötig. Aber die Europäische Zentralbank sei mehr als offen für eine Lösung, die Kleinsparer nicht belaste.
"EZB zu politisiert"
Vom früheren EZB-Chefökonom Jürgen Stark kam Kritik an dem Ultimatum an Zypern. Stark warnte vor einer Inflation wie in den 70er Jahren in Europa. Das Ultimatum zeige vor allem, wie sehr die EZB inzwischen politisiert sei, sagte er in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" und fügte hinzu: "Der EZB-Rat hat es über lange Zeit gebilligt, dass die Notenbank Zyperns Notkredite an Banken ausgibt, obwohl offenkundig war, dass diese nicht bloß kurzfristige Liquiditätsprobleme hatten, sondern nur durch das Zentralbankgeld vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden konnten. Eine Zentralbank ist aber nicht dazu da, um die Solvenzprobleme von Banken zu lösen."
Dass die EZB damit droht, ihre Notfallhilfen einzustellen, sofern Zypern keinen tragfähigen Beitrag zur eigenen Rettung liefert, ist für Stark unverständlich. So könne man als politische Institution vorgehen, nicht aber als unabhängige Zentralbank, so der Volkswirt. Die EZB mache sich dadurch politisch sehr angreifbar. Eine Notenbank darf sich seinen Worten nach nie in die Lage bringen, dass sie für den Kollaps eines Finanzwesens verantwortlich sei und das Wohl und Wehe des gesamten Systems an ihr hänge.
Am Montag sind aus seiner Sicht in erster Linie die zyprische Regierung und das Parlament am Zug. Sie müssen offenlegen, was genau ihr Plan B ist, wie er wirken soll, so Stark. "Ob das ausreicht, um die Schuldentragfähigkeit zu sichern und die Troika zu überzeugen, bleibt abzuwarten. Falls sich nichts oder nicht genug tut, wird die EZB die ELA-Hilfen stoppen. Es gibt diesmal keine rettende Hintertür mehr. Die Folge wird erst ein Kollaps des zyprischen Bankensystems und kurz darauf des gesamten Landes sein. Die Konsequenzen für das Euro-Gebiet halte ich allerdings für sehr überschaubar."
Auf die Frage, ob sich die Währungsunion die Pleite eines Mitglieds leisten könne, erklärte Stark, die Insolvenz eines Mitglieds müsste außerhalb des Währungsgebiets abgewickelt werden. Das wäre ein wichtiger Reinigungsprozess. Aber dazu müsste Zypern schon selbst austreten. Es könne niemand aus dem Euro hinausgeworfen werden. Er denkt aber nicht, dass Zypern dies tun wird. Denn nur als Euro-Land hat Zypern Aussicht auf Hilfe von den anderen Mitgliedern. "Machen wir uns nichts vor: Zypern wird die Unterstützung des IWF und der Europäer auch im Falle einer Staatspleite benötigen. Das Land braucht Geld von außen. Aus eigener Kraft kann es seine Banken nicht sanieren", sagte er weiter.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/AFP