Wirtschaft

"Transferunion Tür und Tor geöffnet" Weidmann schießt gegen Gipfel

"Künftig wird es noch schwieriger, die Anreize für solide Finanzpolitiken aufrechtzuerhalten", bemängelt Weidmann.

"Künftig wird es noch schwieriger, die Anreize für solide Finanzpolitiken aufrechtzuerhalten", bemängelt Weidmann.

(Foto: REUTERS)

Die Beschlüsse des Euro-Gipfels stehen. Aber sie stoßen nicht nur auf Zustimmung. Während Bundeskanzlerin Merkel von "bedeutenden Ergebnissen" spricht, kritisiert Bundesbank-Präsident Weidmann diese scharf und warnt vor einer Aufweichung der Haushaltsdisziplin und einer Transferunion.

Die Beschlüsse des Euro-Gipfels haben einen Aufschrei der Bundesbank ausgelöst. Deren Präsident Jens Weidmann warnte in scharfen Worten vor einem langfristigen Schaden für den Währungsraum. Er räumte zwar ein, dass die Vereinbarung der Euro-Staaten für neue Griechenland-Hilfen zunächst für Ruhe an den Märkten sorgen dürfte. Seinen Worten zufolge wurde beim Brüsseler Treffen aber die Tür geöffnet für eine von Deutschland bislang vehement abgelehnte Transferunion und eine Aufweichung der Haushaltsdisziplin in Europa.

"Indem umfangreiche zusätzliche Risiken auf die Hilfe leistenden Länder und deren Steuerzahler verlagert werden, hat der Euro-Raum aber einen großen Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung von Risiken im Falle unsolider Staatsfinanzen und gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen gemacht", kritisierte er. "Dies schwächt die Grundlagen der auf fiskalischer Eigenverantwortung bauenden Währungsunion. Künftig wird es noch schwieriger, die Anreize für solide Finanzpolitiken aufrechtzuerhalten", bemängelte Weidmann, der bis vor wenigen Wochen einer der engsten Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel war.

Merkel selbst dagegen nannte die Gipfel-Ergebnisse bedeutend, betonte aber erneut, solche Krisen ließen sich nicht mit einem einzigen spektakulären Befreiungsschlag lösen.

Privatbeteiligung ohne Zwang

Die EZB geht nicht ins Risiko, so wie es EZB-Chef Trichet von Anfang an wollte.

Die EZB geht nicht ins Risiko, so wie es EZB-Chef Trichet von Anfang an wollte.

(Foto: dpa)

Weidmann begrüßte zugleich, dass zumindest einige Bedenken der Notenbanken bei dem Hilfspaket berücksichtigt worden seien. Ähnlich äußerte sich der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet. Die Politiker seien bei dem Euro-Gipfel den Forderungen der EZB in zwei wesentlichen Punkten entgegengekommen, sagte Trichet der "Süddeutschen Zeitung". So sähen die Beschlüsse des Gipfels keinen Zwang bei der Beteiligung des Privatsektors vor, und zudem werde ein Kreditereignis vermieden.

Die dritte Forderung der EZB war es, die Feststellung eines - auch teilweisen - Zahlungsausfalls durch die Ratingagenturen auszuschließen. Doch genau dazu dürfte es nach den Gipfelbeschlüssen nun doch kommen. Trichet hat dies im Gegenzug für gewisse Zugeständnisse der Politik schließlich akzeptiert: Damit die EZB während der voraussichtlich nur kurze Zeit dauernden offiziellen Pleite die griechischen Staatsanleihen trotzdem als Sicherheiten für Kredite an griechische Banken anerkennt, müssen die Euro-Länder für diesen Zeitraum Milliarden-Garantien bei der EZB hinterlegen.

EZB-Banker unzufrieden

Neben Weidmann kritisierte auch das italienische EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi die Euro-Beschlüsse kritisiert. "Wir sollten nicht so tun, als gäbe es diese Einigung für Griechenland kostenlos", sagte er der "Welt am Sonntag". Die Europäische Zentralbank könne mit dem Kompromiss zur Beteiligung privater Gläubiger zwar leben, die Umschuldungsdebatte habe die Währungsunion jedoch geschwächt und dramatische Ansteckungsgefahren ausgelöst.

"Der Versuch, die Banken an den Kosten der Rettungspakete zu beteiligen, wird unausweichlich dazu führen, dass dem europäischen Steuerzahler noch mehr Risiken aufgebürdet werden", sagte Bini Smaghi. "Das ist der Grund, warum die Vereinbarung ein Einzelfall bleiben muss." Er forderte die Währungsgemeinschaft auf, Fehlanreize zu unterbinden. Sie müsse den Eindruck vermeiden, "dass eine Umschuldung ein leichter Ausweg für die Länder wäre". "Wir können Länder, die sich nicht an die Regeln des Stabilitätspakts gehalten haben, nicht noch dafür belohnen."

Der Notenbanker forderte von der Politik eine stärkere Abstimmung ein und ein härteres Vorgehen gegen Schuldensünder. "Die Länder haben noch nicht verstanden, dass eine Währungsunion auch eine politische Union ist, in der nicht jeder machen kann, was er will", sagte er. Anders als Weidmann sieht der Italiener die Währungsgemeinschaft nicht auf dem Weg in eine Transferunion. Griechenland müsse unter der Vereinbarung seine Kredite samt Zinsen zurückzahlen. "Bisher hat Deutschland gutes Geld an den Hilfszahlungen verdient", fügte er hinzu.

Streitpunkt Rettungsschirm

Regierungen, Märkte und Wirtschaft hatten mit Erleichterung auf die beschlossenen neuen Griechenland-Hilfen reagiert. "Unser Land ist von dem Alptraum einer Pleite erlöst worden", sagte Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Bei den Banken, die sich freiwillig mit insgesamt rund 50 Milliarden Euro beteiligen werden, war ein Aufatmen spürbar. Nachdem die Bundesregierung lange auf einen "substanziellen" Beitrag zu Griechenland-Hilfen gepocht hatte, fiel dieser am Ende weniger stark aus als in der Branche befürchtet.

Das neue Hilfepaket der Euro-Länder für Griechenland hat einen Umfang von 109 Milliarden Euro. Es sieht längere Laufzeiten für Kredite und niedrigere Zinsen vor. Erstmals wird den privaten Gläubigern ein lange umstrittener Hilfe-Beitrag auf freiwilliger Basis abverlangt. Flankiert werden soll das mit einer Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten des vorläufigen Euro-Rettungsschirmes EFSF. Der soll künftig auch in Grenzen Staatsanleihen am Sekundärmarkt kaufen und Kredite bei sich anbahnenden Krisenfällen an Länder vergeben können.

Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler bezeichnete die Einigung von Brüssel als "vertretbaren Weg". Seine Partei hatte bis zuletzt den Ankauf von Anleihen durch den EFSF abgelehnt. Im Koalitionslager gab es allerdings auch Kritiker. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler forderte eine Sondersitzung des Bundestages, um über die Beschlüsse zu beraten.

Quelle: ntv.de, rts

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