Fragen und Antworten Kann BP bankrottgehen?
19.07.2010, 21:09 UhrDer Ölaustritt im Golf von Mexiko soll im August endgültig unter Kontrolle gebracht werden. Doch könnten die Folgekosten der Katastrophe das Unternehmen BP in den Abgrund reißen. Der Konzern musste bisher schon 3,5 Milliarden Dollar dafür aufbringen und unabhängig davon 20 Milliarden Dollar in einen Schadenersatz-Fonds einzahlen.
Ist ein BP-Bankrott grundsätzlich denkbar?
Ja, jedes Unternehmen, egal wie groß, kann zahlungsunfähig werden.
Was ist die größte Gefahr für den Konzern?
Dass er das Vertrauen der amerikanischen Verbraucher dauerhaft verliert. Wenn BP die Katastrophe nicht in den Griff bekommt, dürfte sein Ansehen irreparablen Schaden nehmen. Unter dem Namen BP - bisher eine der wertvollsten Marken der Welt - könnte man dann in Amerika womöglich kaum noch Benzin verkaufen.
Würde BP dann zerschlagen oder übernommen?
Vermutlich. Aber eine Übernahme durch einen der beiden großen Konkurrenten Exxon-Mobil oder Royal Dutch Shell könnte an den Kartellbehörden scheitern. Schon jetzt zählt jeder dieser Konzerne zu den größten Unternehmen der Welt - käme BP noch dazu, entstünde ein Riese, der keine natürlichen Feinde mehr hätte. Eine Stunde der Wahrheit dürfte am 27. Juli kommen, wenn BP in London seine Quartalsbilanz veröffentlicht. Je nachdem, wie die Zahlen ausfallen, könnte Exxon-Mobil entmutigt oder im Gegenteil bestärkt werden. Die BP-Konzernführung will an diesem Tag glaubhaft demonstrieren, dass sie für die Kosten der Katastrophe aufkommen kann.
Könnte es denn nicht sein, dass der britische Staat einspringt, so wie man das in der Finanzkrise auch gesehen hat?
Das ist alles andere als sicher. Britische Regierungskreise bestätigen zwar, dass Krisenpläne aufgestellt werden, weil hier nationale Interessen unmittelbar betroffen sind. So gehört BP ein großer Teil der britischen Energie-Infrastruktur, darunter ein Leitungssystem, das mehr als 50 Öl- und Gasfelder in der Nordsee verbindet. Und das Unternehmen beschäftigt allein in Großbritannien mehr als 10 000 Leute. Aber BP gilt nicht als so "systemrelevant" wie eine große Bank, von deren Kreditvergabe wiederum viele andere Unternehmen abhängen.
Könnte das Ende eines so wichtigen Ölkonzerns denn nicht eine weltweite Energiekrise, vergleichbar mit der Finanzkrise, auslösen?
Nein. Die Experten sind sich einig, dass man das nicht vergleichen kann, vor allem weil hier nur ein einzelnes Unternehmen und nicht die ganze Branche betroffen ist. Im Fall einer BP-Pleite würde seine Ölförderung von der Konkurrenz übernommen. Allerdings: Die Ära des billigen Öls könnte nun noch rascher als befürchtet vorbei sein.
Welche Folgen hat die BP-Krise für Großbritannien?
Erstmal sind da enorme Steuerausfälle. Im letzten Jahr war BP gut für umgerechnet 7,25 Milliarden Euro, das entspricht ungefähr dem Etat des britischen Ministeriums für Entwicklungshilfe. Dazu kommen Riesenverluste für die britischen Pensionsfonds.
Was hat es mit diesen Pensionsfonds auf sich?
In Großbritannien fallen die gesetzlichen Renten sehr viel schmaler aus als in Deutschland. Viele Arbeitgeber finanzieren für ihre Beschäftigten jedoch zusätzlich kapitalgedeckte Renten, das heißt, sie zahlen in Aktien- und Rentenfonds ein. BP-Aktien sind in diesen Pensionsfonds seit jeher stark vertreten, weil man damit bisher nie etwas falsch machen konnte. Die "Times" hat ausgerechnet, dass von sieben Pfund, die an Dividenden von britischen Unternehmen in die Pensionsfonds eingezahlt werden, jeweils ein Pfund von BP stammt. Wenn sich das jetzt ändern sollte, wäre das für Millionen Rentner eine böse Überraschung.
Quelle: ntv.de, dpa