Inside Wall Street Dieser Pool ist privat!
31.05.2011, 07:08 UhrTemperaturen jenseits der 30 Grad, dazu ein verlängertes Wochenende - da heißt es auch in den USA: Ab ins Schwimmbad! Allerdings gibt es immer weniger öffentliche Bäder. Den Kommunen fehlt das Geld und die Bürger müssen schwitzen.
Pack die Badehose ein … In den USA hat mit dem Wochenende zum Memorial Day endlich der Sommer angefangen. Landesweit liegen die Temperaturen über 30 Grad. Doch wer Abkühlung sucht und ins nächste Schwimmbad gehen will, wird zunehmend enttäuscht: Den Kommunen fehlt das Geld, die öffentlichen Oasen zu betreiben. Immer mehr Schwimmbäder machen dicht.
Zwischen New York und Kalifornien werden in diesem Sommer hunderte öffentlicher Bäder ihre Tore nicht mehr öffnen. Damit macht sich der finanzielle Engpass im US-Haushalt erneut bemerkbar, und wie so oft trifft er vor allem die Unter- und Mittelschicht. Wer sich die Mitgliedschaft in einem privaten Club leisten kann oder sogar seinen eigenen Pool im Garten hat, kann die Notwendigkeit öffentlicher Anlagen wohl nicht nachvollziehen. Für Millionen von US-Amerikanern gehört der Schwimmbadbesuch aber genauso zum Sommer wie für die Deutschen.
Kein Sinn für Historie
Dass die Pools jetzt aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden, ist durchaus ironisch. Denn ein großer Teil der öffentlichen Bäder in den USA wurde überhaupt erst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eröffnet - die meisten stammen aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, als der Bau von öffentlichen Schwimmbädern eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme war und für hunderttausende Arbeiter ein Weg aus der Krise.
Für die Geschichte interessiert sich in den Kommunen hingegen niemand. Vielmehr sieht man wie die Pools gewaltige Dollarsummen verschlingen, die über Eintrittsgelder nicht erwirtschaftet werden können. Wie in Deutschland sind Schwimmbäder auch in den USA Zuschussobjekte und werden vom Steuerzahler getragen.
Republikaner-Denke
Ganz anders als in Deutschland aber hat der US-amerikanische Steuerzahler immer weniger Lust auf Investitionen in die eigene Infrastruktur. Die Politik der Republikaner hat dem Land eingetrichtert, dass der Weg zum Glück über Steuersenkungen führt. Dass Staat und Kommunen längst die Einnahmen fehlen, nicht nur Pools zu betreiben, sondern auch Brücken instand zu halten, Straßen zu flicken, Schulen zu betreiben und Polizei und Feuerwehr zu bezahlen, hat bisher kein Umdenken ausgelöst.
Das Schwimmbadsterben ist in einigen Kommunen besonders stark zu spüren. Die Stadt Anderson im Bundesstaat South Carolina im heißen Süden ist besonders schwer betroffen. Im Umkreis von 30 Kilometern haben in den letzten zwei Jahren vier Bäder geschlossen. "Sommer und Schwimmen gehören doch zusammen“, schimpft Timmy Starkweather, der als Schwimmtrainer im nur noch für Clubmitglieder geöffneten Sheppard Swim Center arbeitet. "Für viele Kids ist es damit jetzt vorbei.“
3 statt 13
Das gleiche Szenario spielt sich in Sacramento ab. In der kalifornischen Hauptstadt gab es vor zehn Jahren noch 13 öffentliche Schwimmbäder - heute sind es 3, auf die sich rund eine halbe Million Einwohner verteilen sollen. Welche Folgen sie Bäderschließungen haben, ist nicht absehbar. Zahlreiche Experten warnen jedoch vor dramatischen Auswirkungen.
In Oak Park, etwa, einer der ärmsten Nachbarschaften in Sacramento, soll mit dem Schwimmbad auch ein Gemeindezentrum schließen - beide Institutionen galten bisher als Oasen, in denen Kinder und Jugendliche tagsüber gut aufgehoben waren. Jetzt droht ihnen, die Freizeit wieder auf der Straße verbringen zu müssen, wo nach wie vor Gangs aktiv sind und der Drogenhandel floriert.
5,2 Millionen Garten-Pools
Das armselige Schicksal der US-amerikanischen Schwimmbäder ist vor allem auf zwei Entwicklungen zurückzuführen. Die Privatisierung des Schwimmvergnügens, dem mittlerweile US-weit in 5,2 Millionen Garten-Pools nachgegangen wird. Und dem rasanten Wachstum von privat betriebenen Wasserparks, die mit gewaltigen Rutschen und anderen Abenteuern ein großes Publikum begeistern, das aber auch tief in die Tasche greifen muss. Die Spaßbäder kosten im Schnitt 15 Dollar für Kinder und 30 Dollar für Erwachsene, während die traditionellen Schwimmbäder rund 2 bis 3 Dollar verlangten.
Die Demokratisierung, die Schwimmbäder in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise gebracht haben - Freizeitspaß für die Öffentlichkeit, für Arm und Reich - ist nun wieder bedroht. Dem heißen Sommer kann bald nur entfliehen, wer das Geld für Parks oder einen eigenen Pool hat.
Quelle: ntv.de