Kolumnen

Inside Wall Street Medienhickhack um "Obamacare"

Das Gerichtsurteil ist ein wichtiger Sieg für Barack Obama.

Das Gerichtsurteil ist ein wichtiger Sieg für Barack Obama.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit Monaten wird in den USA über Präsident Obamas Gesundheitsreform debattiert. Vor allem konservative Medienvertreter laufen dagegen Sturm. Nun ist "Obamacare" auch juristisch abgesichert. Aber wichtige Sender patzen in ihrer Berichterstattung.

Wenn amerikanische Gerichte wichtige Entscheidungen treffen, sind normalerweise keine Kameras erlaubt. Um dennoch so schnell wie möglich berichten zu können, rotten sich die Fernsehsender normalerweise vor dem Gerichtsgebäude zusammen und setzen Praktikanten als Fähnchen schwenkender Signalgeber ein, die Neues von der Richterbank umgehend weitergeben… das kann zum Scoop führen oder zur Blamage. Vor dem Supreme Court haben sich die US-Medien am Donnerstag blamiert.

Für 10 Uhr morgens hatte man das wichtigste Urteil des Jahres erwartet: der Supreme Court sollte über die Zukunft von "Obamacare" entscheiden, . In Washington war die Spannung groß, vor dem höchsten Gericht warteten die Medien, und jeder wollte die Story zuerst berichten.

Die ersten waren letztlich CNN und Fox News - beide mit katastrophaler Fehlinformation. Der Supreme Court habe in der Handelsvollmacht, die der amerikanischen Regierung durch die Verfassung gegeben ist, keine Grundlage für eine Pflichtversicherung gefunden, grölten die Reporter, der Obama-Coup damit zerstört. Sie übersahen für mehrere Minuten, dass die Richter mit knapper Mehrheit die Vollmacht als Steuer anerkannten - damit war "Obamacare" bestätigt.

Während sich CNN für seinen peinlichen Stolperer entschuldigte, legte Fox News nach - begleitet vom Wirtschaftsnachrichtensender CNBC. Die beiden konservativen Sender hakten die Nachricht rasch ab und ließen die Experten zu Wort kommen. Die debattieren seit Monaten über die Gesundheitsreform, und was sie zu sagen hatten, konnte man sich schon vorher denken: Für die Märkte sei das Urteil des Gerichts das Todesurteil, der Gesundheitssektor sei ruiniert, Arbeitgeber würde jetzt keine Jobs mehr schaffen, man müsse ja nur den Handel anschauen, der Dow Jones ...

Nicht schlecht für den Markt

Ja, der Dow Jones... schauen wir ihn einmal genauer an. Der amerikanische Leitindex hatte den Donnerstagshandel um 9.30 Uhr (Ortszeit) mit einem Minus von mehr als 100 Punkten begonnen. Dreistellig im roten Bereich notierte der Dow auch noch um 10 Uhr, wenige Minuten vor dem Urteil aus Washington - dann ging es kurz nach oben, etwas nach unten auf ein Tagestief, und dann erholte man sich wieder. Die Blue Chips schlossen den Tag mit einem irrelevanten Minus von 25 Punkten, von den Aktien der großen Krankenversicherer und Gesundheitsdienstleister schloss gut die Hälfte im Minus, die andere Hälfte im Plus.

Das wiederum hätte man sich denken können. Denn die Gesundheitsreform ist nicht schlecht für den Markt. Für die Versicherer schon deshalb nicht, weil sie mehr als 30 Millionen neue Kunden bringt - bisher liefen die Unternehmen Gefahr, dass vor allem Kranke Versicherungsschutz suchten, junge und gesunde Menschen hingegen auf den Schutz verzichteten und die Beiträge sparten. Für andere Unternehmen kommt mit "Obamacare" nicht jede Menge Unsicherheit, wie die konservativen Kritiker auf Fox News wieder und wieder betonten. Im Gegenteil: wenn es überhaupt noch Unsicherheit gibt, dann liegt das an den Republikanern, die das Gesetz wieder blocken wollen – die Details der Reform selbst hingegen sind Arbeitgebern aller Branchen längst bekannt und weithin akzeptiert.

Unterm Strich ist die Gesundheitsreform - von Barack Obama durchgesetzt und vom Supreme Court bestätigt - eine Riesenchance für Amerika. Die Wall Street bestätigte das am Donnerstag, auch wenn die Experten davon nichts wissen wollten.

Quelle: ntv.de

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