Kolumnen

Inside Wall Street Mitt Romneys Schmarotzer-Attacke

Mitt Romney "glänzt" mit einem Fettnapf-Wahlkampf.

Mitt Romney "glänzt" mit einem Fettnapf-Wahlkampf.

(Foto: AP)

Arroganz, Ignoranz und Fehleinschätzungen prägen den Wahlkampf des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Romney. 47 Prozent der US-Amerikaner als Parasiten abzutun, ist schon ein starkes Stück. Romney macht die Schwächsten der Gesellschaft für die finanzielle Misere der USA verantwortlich.

Noch sieben Wochen bis zur Wahl und die USA haben einen neuen Aufreger: gegen "47 Prozent der Amerikaner, die gar keine Steuern zahlen", sieht sie ganz offensichtlich als Sozialschmarotzer, für die er sich als Präsident nicht zuständig fühlen müsse. "Die werden ohnehin Obama wählen", meint er - so viel Arroganz (und Ignoranz) in einem Satz - das könnte den Republikaner die Wahl kosten.

Fangen wir an bei der Ignoranz. Die Analyse, die Mitt Romney im kleinen Kreis bereits im Mai 2012 hielt und die von einem unbekannten Beobachter per Video-Handy mitgeschnitten wurde, ist grob fahrlässig erstellt. Zwar stimmt es laut dem überparteilichen Tax Policy Center, dass etwa 47 Prozent (bei der letzten Erhebung 2011 waren es genau 46 Prozent) der US-Amerikaner keine Einkommenssteuer zahlen, andere Abgaben aber durchaus: Lohnsteuern etwa, Sozialsteuern und nicht zuletzt Umsatzsteuer.

Völlig falsch auch die Annahme, dass sich die beschriebenen 47 Prozent, "die vom Staat abhängig sind, sich als Opfer fühlen und die glauben, sie hätten ein Recht auf medizinische Versorgung, Essen, Unterkunft", fest im Lager der Demokraten befinden. Im Gegenteil: 80 Prozent derjenigen, die in den USA keine Einkommenssteuer zahlen, wohnen in den Südstaaten, die fest in republikanischer Hand sind. Den höchsten Anteil der steuerbefreiten Einwohner verzeichnet Mississippi mit 45 Prozent, es folgen Georgia, Arkansas, Alabama, South Carolina und New Mexico mit 40 Prozent und mehr.

Noch schwerer als diese Fehleinschätzungen wiegt jedoch die Einstellung, die Mitt Romney rund der Hälfte der US-Amerikaner offensichtlich entgegenbringt. 47 Prozent des Landes als Parasiten abzutun, ist ein starkes Stück, denn es handelt sich keineswegs um Arbeitsunwillige. Unter den 47 Prozent sind ein großer Anteil von Arbeitern, die zu Mindestlöhnen in niedrigen Jobs arbeiten - oft in zwei Anstellungen gleichzeitig –, und die so wenig verdienen, dass sie unter die Mindestgrenze für Steuerzahler von 9750 Dollar fallen. Ferner zählen dazu Senioren, deren Sozialversicherungszahlungen gering und nicht besteuerbar sind. Auch geringverdienende Familien, die dank mehrerer Kinder unter die Steuergrenze fallen, gehören dazu.

Rätselraten um Romneys Steuerkonzept

Vor Jahrzehnten gehörte es einmal zur republikanischen Parteilinie, Arbeitern mit geringem Einkommen die Steuern zu senken. Das taten Regierungen mit republikanischen und demokratischen Präsidenten gleichermaßen, wobei die staatlichen Ausgaben für Sozialleistungen an US-Amerikaner unter republikanischen Präsidenten im historischen Mittel deutlich stärker anstiegen als unter demokratischen Präsidenten.

Zuletzt waren es die Steuersenkungen von George W. Bush, die unter anderem die Abschreibungen für Kinder im steuerzahlenden Haushalt verdoppelten, die vielen einkommensschwachen Familien die Einkommenssteuer ersparten. An den Steuersenkungen hält Romney offiziell fest.

Damit ist nun auch noch unklarer als zuvor, wie das Steuerkonzept von Mitt Romney aussieht. Will er den Armen die Steuern anheben? Offiziell hat er das ausgeschlossen, sein Auftritt vor den reichen Spendern scheint aber klarzumachen, dass er bei den Schwächsten in der Gesellschaft die Schuld für das finanzielle Unheil im Land sieht. Zudem hat er Steueranhebungen bei der Ober- und Mittelschicht ausgeschlossen und zur Erklärung seiner Haushaltsfantasie bisher auf das Schließen von Schlupflöchern verwiesen. Die dürften ausschließlich im Sozialbereich zu finden sein, wie man aus dem Auftritt schließen kann.

Sonderabschreibungen und Schlupflöcher

Bei all den entlarvenden Details, die belegen, wie weltfremd und abgehoben sich der Kandidat Romney vor seinesgleichen gibt - der Auftritt kam während eines Wahlkampfdinners in Florida, für das ausgewählte Besucher 50.000 Dollar pro Person zahlten -, gibt es noch einen irrsinnigen Höhepunkt. Zu den berühmten "47 Prozent" gehört ein guter Teil der reichsten US-Amerikaner. Laut dem Tax Policy Center haben mindestens 4000 der reichsten US-Haushalte 2011 keine Einkommenssteuer gezahlt, weil sie sich durch Sonderabschreibungen und Schlupflöcher von der finanziellen Last befreien konnten.

Unter ihnen ist möglicherweise Mitt Romney, der sich bis heute weigert, seine Steuererklärungen vorzulegen. Aus dem weiß man bereits, dass der Kandidat sein Geld in der Schweiz und auf den Cayman Islands parkt und dass er zumindest für 2011 auf einen Steuersatz von mageren 13 Prozent kam - weniger als die Hälfte dessen, was der Durchschnitts-US-Bürger abführt.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen