Inside Wall Street Paul Ryans Haushalts-Traum
22.08.2012, 07:19 Uhr
Viel Gerede, aber wenig Konkretes: Paul Ryan.
(Foto: AP)
Dynamisch kommt Paul Ryan daher - inhaltlich lässt Mitt Romneys Vize-Kandidat allerdings viele Frage offen. Die Bekämpfung des riesigen US-Haushaltsdefizits ist sein Ziel. Allerdings hat Ryan bisher nicht gesagt, welche Löcher er stopfen will. Vor der Wahl will er sich es mit keiner Interessengruppe verscherzen.
Der neue Mann heißt . Seit gut einer Woche dominiert er die politischen Schlagzeilen in den USA, und auch an der Wall Street diskutiert man über den Abgeordneten aus Wisconsin, den als potenziellen Vizepräsidenten mit nach Washington nehmen will. Die Wall Street wählt größtenteils republikanisch, steht also bemüht hinter dem Team "Romney/Ryan" - doch sollte man es besser wissen.
Der "Dairy State" Wisconsin hat ein spannendes Jahr hinter sich. Wo sonst nur Kühe grasen und die Green Bay Packers Football spielen, liegt plötzlich der politische Mittelpunkt der USA. Da war zunächst der Kampf im Capitol. Der republikanische Governor Scott Walker, mit knapper Mehrheit ins Amt gekommen, hatte in einer einzigartigen Aktion nicht nur die Beamtengehälter gekappt, sondern auch die Verhandlungsrechte der Gewerkschaften beschnitten - dafür gab es einen Recall, Walker musste sich einer Neuwahl stellen, gewann aber recht deutlich. Der eigentlich von Landwirtschaft und mittelständischer Industrie geprägte Bundesstaat im Mittleren Westen hatte sich auf die Seite des Großkapitals gestellt.
. Der Mann, der zurzeit in seiner siebten Amtszeit im Kongress sitzt, wird seit der Nominierung für den präsidialen Showdown im November von den Medien seziert und diskutiert – und er kommt recht gut weg dabei. "Seriös" sei er, "das fiskale Gewissen seiner Partei" und "einer, der die USA wieder auf den rechten Weg bringen" soll. Will heißen: Paul Ryan, dessen Haushaltskonzept von weiten Teilen seiner Partei getragen wird, soll Romney helfen, das Defizit zu bekämpfen, die USA schuldenfrei machen und für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen.
Diese Einschätzung kann indes nur vertreten, wer sich - etwa beim republikanischen Haussender Fox News - einer Gehirnwäsche unterzogen hat. Kritische Experten, darunter überparteiische Ausschüsse in Washington ebenso wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, haben hingegen wiederholt dargelegt, dass der "Ryan Plan" nicht aufgeht, nicht mehr ist als ein feuchter Traum der Konservativen.
Steueranhebungen nötig
Schon auf den ersten Blick ist klar, dass der Plan einen großen Makel hat. Nach dem jahrelangen Haushaltsstreit in Washington müsste mittlerweile jedem Beobachter klar sein, dass sich die Budget-Probleme der USA nur mit einer zweigleisigen Strategie lösen lassen: auf der einen Seite müssen die Ausgaben der Regierung gekürzt werden, auf der anderen Seite müssen über Steueranhebungen die Einnahmen erhöht werden. Dagegen stemmen sich die Republikaner seit eh und je, und Paul Ryan (und mit ihm Mitt Romney) geht einen Schritt weiter: in seinem Plan fordert er drastische Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen, die komplette Abschaffung der Erbschaftssteuer, der Kapitalertragssteuer und vieler anderer Abgaben, die überwiegend in den Bilanzen von Millionären vorkommen. Gegenfinanzieren will Ryan das über die Abschaffung einer Schlupflöcher, die allen möglichen Interessensgruppen bisher Sonderabschreibungen zubilligen. – Welche Löcher er stopfen will, hat Ryan bisher nicht gesagt und wird es wohl auch nicht tun. Er kann es auch nicht, weil er damit genau die Interessensgruppen verprellen würden, die den republikanischen Wahlkampf finanzieren.
Ebenso wenige Details gibt es zu den Kostensenkungen, die Ryan ebenfalls zum Haushaltsausgleich anführt. Romney und er wollen Billionen von Dollar einsparen, dabei aber zunächst einmal den aufgeblasenen Verteidigungshaushalt aussparen – ohne den wären die geplanten Einsparungen schon rechnerisch kaum möglich. Die staatlichen Krankenversicherungen Medicare und Medicaid will er ebenfalls nicht anrühren, denn das würde die Wähler verschrecken.
Nichts ist seriös
Wo wollen Romney/Ryan sparen? Bisher hat man nur wenige konkrete Bereiche genannt, darunter die das öffentliche Fernsehprogramm PBS, die staatlich subventionierte Eisenbahn Amtrak, die humanitären Hilfen für andere Länder und die Kulturförderung. Letztere hat einen Etat von 146 Millionen Dollar, die anderen Programme summieren sich auf etwa 3 Milliarden Dollar - ein Tropfen auf den heißen Stein.
Genau deshalb ist an Paul Ryans Haushaltsplan überhaupt nichts seriös. Es gibt keine Details, was man weiß, ergibt rechnerisch keinen Sinn. Und was sagt das Dream Team der Republikaner öffentlich: "Vertrauen Sie uns. Details geben wir nach der Wahl bekannt." Kein Witz, das sagte Paul Ryan am Wochenende bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Wie er das Vertrauen rechtfertigt, ist unklar. Denn in über zehn Jahren im Kongress fiel der Mann aus Wisconsin bisher nicht durch finanziell kluge Entscheidungen auf. Hinter dem billionenschweren Defizit in der Staatskasse stecken etwa zum größten Teil die jüngsten Steuersenkungen, die Kriege in Irak und Afghanistan und die Bankenrettung - alles Entscheidungen der Regierung, denen Paul Ryan zustimmte. Anderen die Schuld für die hohen Ausgaben der Regierung zu geben, ist schlicht lächerlich.
Lächerlich ist übrigens auch die Bilanz der Ryan-Jahre im Kongress. In mehr als einem Jahrzehnt wurden nur zwei seiner Eingaben zu Gesetzen: eines regelt die Neubenennung eines lokalen Postamts in Wisconsin, ein anderes legt fest, dass Pfeile für Bogenschützen künftig prozentual und nicht mit einem Pauschalbetrag besteuert werden. Das sind nicht die Initiativen, die eine Führungskraft ausmachen. Umso seltsamer, dass Mitt Romney in Ryan einen "Intellektuellen" sehen, dem die Zukunft der Partei gehören soll.
Quelle: ntv.de