Inside Wall Street Quartals-Tricks bei Alcoa
10.07.2013, 16:16 Uhr
Die Zentrale von Alcoa in Pittsburgh.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Acoa eröffnet traditionell den Quartalsreigen in den USA. Doch repräsentativ ist der Alu-Riese schon lange nicht mehr. Im Grunde beginnt die Bilanzsaison deshalb erst Ende der Woche, wenn die Großbanken Wells Fargo und JP Morgan ihre Zahlen präsentieren.
Als erstes Dow-Jones-Unternehmen hat der Aluminium-Hersteller Alcoa am Montag… ja, man kennt das: Traditionell eröffnet das Unternehmen, das mit seinem Tickerkürzel AA auch alphabetisch immer ganz vorne steht, an der Wall Street die Berichtssaison. Das Problem: Das interessiert schon lange keinen mehr, denn Alcoa hat für die US-Wirtschaft und die Wall Street längst nicht mehr die Schlüsselrolle, die man dem Konzern einst zuschrieb.
Nicht nur die Wall Street hat sich in den letzten Jahren einem massiven Wandel unterzogen, sondern auch ganz allgemein die amerikanische Wirtschaft. Man sieht das immer wieder an den Arbeitsmarktdaten. Da werden zwar Monat für Monat neue Stellen geschaffen – allerdings nicht in der Industrie. Der Finanzsektor dominiert, schlechtbezahlte Hilfsjobs gibt es. Das Produzierende Gewerbe, mit dem Amerika einst die Weltwirtschaft dominierte, ist weiter auf dem Rückzug, was durchaus Besorgnis erregend ist.
Das gilt umso mehr für Alcoa, denn Aluminium kommt zunehmend aus China. Neue Jobs hat das in Pittsburgh ansässige Dow-Jones-Unternehmen längst nicht mehr geschaffen. Im Gegenteil: Alcoa baut Stellen ab, schließt Werke, und wann das Unternehmen wieder mit höheren Aluminiumpreisen – sprich: höheren Gewinnen – rechnen kann, vermag nicht einmal CEO Klaus Kleinfeld abzuschätzen. Aktuell liegt der Alu-Preis auf einem Dreijahres-Tief, weil die Nachfrage sowohl von industrieller Seite als auch vom Verbraucher nicht stark genug zunimmt.
Vor diesem Hintergrund ist schon klar, warum Alcoa mit seinen Quartalszahlen nicht mehr der Taktgeber für die Blue Chips ist, den man früher einmal bewunderte. Ein Händler auf dem New Yorker Parkett bemühte jüngst einen Vergleich aus der Sportwelt: Alcoa sei der "ceremonial first pitch" – beim Baseball ist das er erste Ball, der oft von einem Prominenten geworfen wird. Der Catcher fängt ihn, es gibt anerkennenden Applaus, der Promi joggt winkend vom Spielfeld – dann beginnt das Match, und an der Börse wartet man nach dem traditionellen Einwurf von Alcoa nun eben auf den wahren Spielbeginn am Freitag, wenn die Zahlen von JP Morgan und Wells Fargo anstehen. Die Finanzriesen diktieren die Märkte, und für deren Performance ist man in den USA weiter optimistisch.
Aktienkurs gibt nach
Entsprechend fiel die Reaktion der Wall Street auf Alcoa seltsam aus: Der Alu-Konzern hatte die Erwartungen geschlagen, doch für die Aktie ging es ins Minus, während der Dow Jones zulegte. Auch das hat einen Hintergrund. Ob mit oder ohne Alcoa, die Anleger sind optimistisch für die nächsten vier Wochen, wenn der Großteil der US-Unternehmen aus allen Sektoren die Bücher öffnet. Alcoa selbst konnte man für seine Performance nicht loben, was ein Blick hinter die Kulissen zeigt.
Das Unternehmen mag mit einem Quartalsgewinn von 7 Cent pro Aktie die Erwartungen des Marktes um einen Penny übertroffen haben. Doch man muss wissen: die Erwartungen des Marktes sind zum größten Teil die Erwartungen des Unternehmens. Das Management gibt eine Prognose aus, die von den Analysten meist übernommen wird. Im Falle Alcoa hatte man vor zwei Jahren in einer langfristigen Prognose für das zweite Quartal 2012 einen Gewinn von 70 Cent angepeilt, wie der Wirtschaftsblog Zero Hedge erinnert. Vor einem Jahr wurde die Prognose auf 30 Cent angepasst, im Januar rechnete man dann noch mit 17 Cent, vor einem Monat mit 10 Cent... erst kurz vor Bekanntgabe der wahren Erträge rutschte die Prognose auf 6 Cent – die man letztlich schlug.
Im Prinzip heißt das: Alcoa hat keineswegs die Erwartungen geschlagen – vielmehr hat man kurzfristig angesichts der wahren Ergebnisse etwas tiefgestapelt, um dann bei der Konferenz gute Miene zum bösen Spiel zu machen. So ein Spiel geht gut, wenn die Anleger nicht allzu genau hinschauen. Und wenn dann der Chef noch von einer starken "operativen Performance" spricht und so tut, als hätte man bei sinkenden Einnahmen trotzdem alles im Griff, dann verwirrt das möglicherweise den ein oder anderen Investor, der nachbörslich zuschlägt. Letzten Endes aber kamen die Anleger den Alcoa-Tricksern auf die Schliche und stießen das Papier ab. Das war das Ende des "first pitch" – jetzt hofft die Wall Street, dass ab Freitag Zahlen gemeldet werden, die der Börse tatsächlich einen Hinweis auf die Geschäfte in Corporate America geben können.
Quelle: ntv.de