Inside Wall Street Schuldenstreit schadet Dollar
27.04.2011, 12:20 UhrDer Dollar kann im Moment nur verlieren. Das Zerren und Ziehen an der Schuldendecke wird vielleicht bald beendet sein. Aber selbst dann ist keine Erholung in Sicht. Entweder sind die USA dann zahlungsunfähig oder sie sind noch höher verschuldet als bisher. Beides ist nicht erstrebenswert.
Während es für die Aktien an der Wall Street stetig bergauf geht, fallen an derer Stelle die Kurse rapide: beim Dollar. Die einst so stolze US-Währung wird jeden Tag ein wenig blasser, und in den nächsten Tagen ist keine Trendwende zu erwarten. Denn die Diskussion um die Schuldendecke der US-Regierung kann dem Greenback nur schaden – unabhängig von deren Ausgang.
Mitte Mai, das weiß man schon seit einiger Zeit, wird die amerikanische Regierung den maximal zugelassenen Schuldenstand von 14,29 Billionen Dollar erreichen. Seit Wochen wird darüber diskutiert, wie es weitergehen soll. Vor allem im republikanischen Lager, denn das ist gespalten. Während die Demokraten durchweg für eine Anhebung der Schuldendecke plädieren und damit auf der Seite der Wall Street stehen, will nur ein Teil der Republikaner für einen solchen Schritt stimmen.
Der andere Teil, der von den neugewählten Mitgliedern der "Tea Party" dominiert wird, wettert gegen eine höhere Schuldendecke und will die Regierung lieber auf Sparkurs bringen und Schulden abbauen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Amerika muss eine Zinslast in Milliardenhöhe bedienen, zwei Kriege und einen Einsatz in Libyen finanzieren, dazu die Sozial- und Gesundheitsausgaben … beim besten Willen lässt sich nicht genug einsparen, um einem Kollaps zu entgehen.
Schulden schicken USA auf die Bretter
Einen solchen Kollaps befürchtet Fed-Chef Ben Bernanke, falls sich die Politiker im Capitol nicht auf eine Anhebung der Schuldendecke einigen könnten. Die USA könnten dann ihre ausstehenden Kredite nicht mehr bedienen. Bernanke und Finanzminister Timothy Geithner fürchten, dass ein solches Szenario hohe Wellen schlagen und zahlreiche Großbanken gefährden könnte. Man rechnet mit rapide steigenden Zinsen und einem K.O.-Schlag für die ohnehin nur schleichende Erholung der amerikanischen Konjunktur.
Die Republikaner, vor allem der Rechtsaußen-Flügel, lassen sich von solchen Vorstellungen nicht beeindrucken. Sie nutzen die drohende Katastrophe eiskalt für politische Zwecke und wollen so lange gegen eine Lösung stimmen, bis Präsident Obama und seine Partei noch drastischeren Ausgabensenkungen zugestimmt haben. Diese Ausgabensenkungen, das hat sich bereits bei den Verhandlungen in den letzten Wochen gezeigt, haben weniger mit einem Abbau des Defizits zu tun als vielmehr mit einer gefährlichen moralischen Wende im Land, die rechte Politiker und religiöse Fanatiker durchsetzen wollen.
Schlacht um Moralvorstellungen
So setzen diese sich nach wie vor dafür ein, dass die Regierung dem Familienplanungs-Institut Planned Parenthood sämtliche Mittel entzieht. Planned Parenthood bietet gesundheitliche Dienste für Frauen an, darunter auch Abtreibungen. Die machen zwar nur 3 Prozent des Umsatzes aus, sind der religiösen Rechten aber ein Dorn im Auge. So sehr, dass man zuletzt sogar zu dreisten Lügen griff. Der Abgeordnete John Kyl aus Arizona etwa behauptete im Kongress stur und steif, dass man mit Abtreibungen ganze 90 Prozent seines Umsatzes mache.
Abtreibungen abzuschaffen, den als liberal verpönten staatlichen Sender NPR abzustellen, das sind die Ziele der "Tea Party". Das zeigt sich zum einen daran, dass sich bei moralisch noch so Umstrittenem wegen dessen geringer Größe gar keine nennenswerten Beträge einsparen lassen. Auch hat man sich bisher in Bezug auf andere Sparmaßnahmen vornehm zurückgehalten, etwa wenn es um den enormen Rüstungsetat der USA geht. Ginge es wirklich ums Sparen und den Defizit-Abbau, müsste man sich hier einig sein.
Einig ist man sich jetzt nur über eine ganz andere Sache: Die Situation ist angespannt, und die USA leiden schon darunter – zunächst eben über die Währung. Der Dollar fällt und fällt, weil es aus Währungssicht nur negative Auswege aus der Krise gibt: Auf der einen Seite droht ein Zahlungsausfall der USA, auf der anderen eine noch höhere Verschuldung als bisher. Gleichzeitig wollen die Chinesen ihre Währungsreserven diversifizieren und drohen massiv US-Dollar abzustoßen. Das macht Anlegern so große Sorgen, dass selbst Krisen wie in Griechenland und anderen EU-Staaten keine Rolle mehr spielen.
Quelle: ntv.de