Kolumnen

Inside Wall Street "Too big to fail, too big to save"?

Dimons Doppelführung bei JP Morgan bleibt auch nach dem Milliarden-Desaster unangreifbar.

Dimons Doppelführung bei JP Morgan bleibt auch nach dem Milliarden-Desaster unangreifbar.

(Foto: REUTERS)

Fast 240.000 Mitarbeiter, eine Billionen-Bilanzsumme: JP Morgan ist die mächtigste Bank der USA und kämpft mit Negativschlagzeilen aus einem hausgemachten Milliarden-Desaster. Gleichzeitig wächst die Kritik an den Mega-Banken. Erinnerungen an die Finanzkrise werden wach.

Jamie Dimon kann durchatmen: Vor einer Woche musste der Chef von JP Morgan eingestehen, dass seine Bank 2 Mrd. Dollar mit hochriskanten Trades verzockt hat - doch am Dienstag bestätigten die Anleger bei der Aktionärsversammlung trotzdem sein Jahresgehalt von 23 Mio. Dollar. Dimon selbst, so das Votum, kann ja nichts für das Versagen seines Chief Investment Office.

Das ist sicherlich großzügig dem Chef gegenüber, der zudem noch den Doppeltitel als CEO und Chairman weiterhin führen darf. Bis zuletzt stand zur Debatte, die beiden Ämter zu trennen. Das tat man nicht, und auch viele weitere Fragen bleiben offen. Nicht zuletzt die ganz allgemeine Frage nach der angemessenen Kompensation für Vorstandsvorsitzende, denen es im US-amerikanischen Bankensektor seit Jahren viel zu gut geht. Zweistellige Millionengehälter sind die Norm, selbst bei Banken, die es ohne Rettungsmaßnahmen der Regierung in Washington überhaupt nicht mehr gäbe.

Ist JP Morgan zu groß?

Doch darum geht es zur Zeit nicht, viel mehr diskutiert man erneut über die Regulierung der Großbanken - und um deren mögliche Zerschlagung. Experten fragen sich:

JP Morgan Chase
JP Morgan Chase 251,00

Ist eine Bank wie JP Morgan noch zu führen? Kann man ein Finanzmonster mit 239.000 Mitarbeitern und Einlagen von mehr als 2 Billionen US-Dollar überhaupt regulieren und kontrollieren? "Ich halte Jamie Dimon für einen sehr talentierten Manager", sagt etwa Sheila Bair, die frühere Vorsitzende der Einlagenversicherung FDIC. "Aber selbst ein talentierter Manager kann eine Institution nicht führen, die gleichzeitig Bank und Derivativ-Händler und Investmentbanker und internationaler Dealmaker sein will." Die Republikanerin Bair fragt: "Ist so eine Konstruktion noch überschaubar?"

Offensichtlich nicht. Das zeigt nicht nur der Milliardenverlust bei JP Morgan, sondern noch mehr die Reaktion der Anleger, die nicht einmal Konsequenzen fordern. Sicher, die Chefin des Chief Investment Office musste am Wochenende zurücktreten, doch andere bleiben im Amt. Selbst der für den katastrophalen Trade verantwortliche Händler, Bruno Iksil, "der Londoner Wal", scheint die Geschichte zu überleben - gut für ihn, schlecht für die Banken, denen allgemein viel härtere Konsequenzen drohen.

"Too big to fail, too big to save"?

Eine Zerschlagung der US-amerikanischen Finanzriesen ist zur Zeit eine viel diskutierte Idee. Kein Wunder: Die fünf größten Banken der USA kontrollieren zurzeit 52 Prozent aller Anlagen der Branche - zum Vergleich: 1970 kamen die fünf Branchenriesen gemeinsam auf 17 Prozent. Noch eine erschreckende Zahl: Die sechs größten US-Finanzhäuser kontrollieren ein Vermögen, das 62 Prozent des US-amerikanischen Bruttoinlandsproduktes entspricht. Damit ist klar, warum man die Riesen als "too big to fail" bezeichnete. Kritiker sagen jetzt, die Banken seien auch "too big to save" und müssten unbedingt kleiner werden.

Die Banker zocken weiter

Dagegen kämpft die Branche wohlgemerkt mit allen Mitteln - vor allem mit Geld. Allein JP Morgan hat im vergangenen Jahr rund 7,4 Mio. Dollar in Lobby-Arbeit investiert, und die übrigen Banken ziehen mit. Denn eine Zerschlagung oder andere Strukturreformen zu verhindern, ist der Branche oberstes Ziel. Sämtliche Versuche Washingtons, das Bankenwesen auch nur ein wenig zu regulieren - sei es das Gesetzeswerk von Dodd-Fank oder die zuletzt viel diskutierte "Volcker-Rule" - sind bisher fehlgeschlagen. Jede neue Regel wird ausgehöhlt und vor der Abstimmung im Kongress mit Schlupflöchern versehen, die Banken zocken weiter, als hätte es die Finanzkrise nie gegeben.

Daran wird wohl auch eine Untersuchung nichts ändern, die das FBI hetzt bei JP Morgan einleitet. Kritische Stimmen sehen die Untersuchung bereits als gescheitert an, denn trotz der offensichtlichen internationalen Folgen der Finanzkrise in den letzten Jahren mangelt es bis heute an der internationalen Kooperation, die notwendig wäre, illegales oder auch nur gefährliches Handeln aufzudecken oder zu verfolgen. Damit wissen Jamie Dimon und andere Branchengötter, dass ihnen auch in Zukunft nichts passieren kann - egal, wohin die Branche steuert. Zur Erinnerung: kein einziger Bankmanager ist für sein Versagen in der Finanzkrise bisher angeklagt worden.

Im Gegenteil: die Regierung arbeitet nach wie vor Hand in Hand mit den Chefs. Jamie Dimon sitzt auch nach dem Milliarden-Debakel im Vorstand der New Yorker Notenbank - da saß er übrigens schon, als das Komitee über dreistellige Millionenhilfen für sein eigenes Unternehmen entschied. Das ist ein klarer Interessenskonflikt, auf den in den letzten Jahren, und verstärkt in den letzten Tagen, hunderte kritischer Stimmen verwiesen haben. Der vielstimmigen Aufforderung, zumindest von seinem Amt bei der Notenbank zurückzutreten, ist Dimon bislang nicht nachgekommen. Die Unterstützung, die er von seinen Aktionären und von willfährigen Politikern erfährt, wird ihm einen solchen Schritt auch nicht nahelegen.

Quelle: ntv.de

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