Per Saldo Wer kennt den IWF? Alle!
19.05.2011, 16:54 Uhr
Viel Einfluss, wenig Schlagzeilen: Zumindest letzteres hat sich dramatisch verändert.
(Foto: dpa)
Dominique Strauss-Kahn ist einst angetreten, um den Internationalen Währungsfonds, kurz IWF, bekannter zu machen. Das hat er zweifelsohne geschafft. Sein Nachfolger wird sich bemühen müssen, die Institution wieder aus den Schlagzeilen rauszuholen.

Auf Augenhöhe mit den Lenkern der Welt: So kannte man IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
IWF? Was war das noch mal? Der Internationale Währungsfonds, gegründet 1944, war immer ein sperriges Thema, interessant allenfalls für Volkswirte, Historiker und Globalisierungsgegner – oder wenn ein Land wirklich bis zum Hals in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Gelegentlich wurde der IWF noch mit seiner Schwesterorganisation, der Weltbank, verwechselt. Die Aufgaben des Instituts, wie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik, die Ausweitung des Welthandels, Kreditvergabe und die Stabilisierung von Wechselkursen, gehören zwar zu dem wichtigsten und schwierigsten, was die Finanzwelt zu bieten hat – doch alleine diese Aufzählung verströmt für Laien wenig, sagen wir, Sexappeal.
Entsprechend hatten die Lenker des Währungsfonds zwar stets enorme Macht und politischen Einfluss, erregten aber außerhalb des globalen Finanzzirkels wenig öffentliches Interesse. Horst Köhler, der im Jahr 2000 als erster Deutscher an die Spitze des IWF gewählt wurde, wurde dem deutschen Publikum erst bekannt, als er sich auf Vorschlag von Angela Merkel zum deutschen Bundespräsidenten wählen ließ. An seinen Nachfolger, der ehemalige spanische Wirtschaftsminister Rodrigo de Rato, kann man sich dagegen nur noch mit Mühe erinnern.
Neues Image für den IWF
Dann kam Dominique Strauss-Kahn. Inmitten der Wirtschafts- und Finanzkrise zog der polyglotte Strauss-Kahn wie ein frischer Wind in das IWF-Hauptquartier in Washington ein. Die Pressekonferenzen des wortgewandten Franzosen waren nie langweilig und er wandelte das Image des Währungsfonds vom Abstrafer hin zum strengen, aber verständnisvollen Partner der Länder in Not. Schwellenländer sollten unter ihm mehr Gewicht erhalten, Krisenstaaten flexiblere Kreditlinien.
Frei von Skandalen blieb der Banker allerdings nicht. Der breiten Öffentlichkeit wurde der 62-Jährige mit den markanten Augenbrauen im Oktober 2008 bekannt, als der IWF-Chef vom Verdacht des Amtsmissbrauchs wegen einer Affäre mit einer früheren Mitarbeiterin freigesprochen wurde. Strauss-Kahn gab sich zerknirscht, der Vorfall wurde als bedauerlich eingestuft und abgelegt. Drei Jahre später galt DSK als aussichtsreichster Rivale von Nicolas Sarkozy im Kampf um die Präsidentschaft in Frankreich. Ein folgenschwerer Nachmittag in einem New Yorker Hotel hat diese Karriere nun zerstört, egal, ob sich die Vorwürfe des sexuellen Übergriffs auf ein Zimmermädchen bewahrheiten oder nicht. Strauss-Kahn hat aus seiner Zelle auf der berühmten Gefängnisinsel Rikers Island nun seinen Rücktritt als IWF-Chef erklärt, der Traum vom Élysée-Palast war schon davor ein für allemal ausgeträumt.
Wer übernimmt das Ruder?
Schon vor dem Rücktritt war Panik aufgekommen, ob der IWF ohne Strauss-Kahn überhaupt handlungsfähig sei. Die USA forderten als wichtigstes IWF-Geberland eine Übergangsregelung, andere warnten gerade mit Hinblick auf die Euro-Schuldenkrise vor einem Machtvakuum. Doch der Währungsfonds ist kein Unternehmen – eine Organisation wie diese ähnelt eher einer Behörde, die immer funktioniert. Weitgehend geräuschlos hat daher der IWF-Vize John Lipsky die Aufgaben von Strauss-Kahn übernommen.
Die Nachfolgefrage bleibt dennoch äußerst spannend. Schon kurz nachdem die Verhaftung des IWF-Chefs publik wurde, begann sich das Kandidatenkarussell zu drehen. Mehr als ein Dutzend Banker, Politiker und Ökonomen werden derzeit gehandelt, darunter Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde, Peer Steinbrück und Josef Ackermann, sowie Montek Singh Ahluwlia, einem Berater des indischen Premierministers Manmohan Singh.
Schon die Namen deuten es an: Noch interessanter als die Qualifikationen sind die Nationalitäten der Kandidaten. Seit Jahrzehnten gilt eine Machtteilung zwischen Europäern und Amerikanern: Der Chef des IWF kommt traditionell aus Europa, während die Weltbank einen Amerikaner an die Spitze setzt. Doch an dieser Regelung wollen die aufstrebenden Schwellenländer wie China, Brasilien und Indien rütteln und melden nun ihrerseits Ansprüche an. Überraschend kommt das nicht, hatte Straus-Kahn doch selbst schon prophezeit, dass er der letzte IWF-Chef aus Europa sein würde. Sein schneller Abgang bringt Europa jedoch in die Bredouille – ein neuer IWF-Chef aus den Schwellenländern mitten in der Krise? Bitte nicht! Immerhin hatte Strauss-Kahn als Europäer einen ganz anderen Zugang zur Schuldenkrise. Und so versichert die EU-Kommission und die Bundesregierung unisono, dass es genügend geeignete europäische Kandidaten gibt.
Ein letzter Europäer?
Einmal könnte Europa noch gegen das Grollen der Schwellenländer durchkommen, denn in Sachen Proporz sieht es noch gut aus: Der IWF hat 187 Mitgliedsländer, deren Kapitaleinlagen (Quoten) sich nach der Stärke ihrer Volkswirtschaft und den Währungsreserven richten. Die Quote bestimmt auch das Mitspracherecht. Größter Anteilseigner sind die USA (knapp 17 Prozent), dann folgen Japan mit gut sechs und Deutschland mit knapp sechs Prozent sowie Großbritannien und Frankreich mit jeweils knapp fünf Prozent. China kommt auf rund vier Prozent.
Als aussichtsreichste Kandidatin gilt derzeit, trotz eigener Probleme mit der Justiz, die Französin Lagarde. Für den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy die bestmögliche Wahl – profitiert er doch vermutlich weniger von dem Sex-Skandal um seinen Rivalen Strauss-Kahn, als zunächst angenommen. Denn bis zum Wahlkampf für die Präsidentschaft 2012 dürfte der Effekt verpufft sein. Und beim Vorsitz der G8- und G20-Gruppe konnte der Sarkozy bislang immer auf Strauss-Kahn als Verbündeten in Finanz- und Währungsfragen zählen.
Der IWF wiederum sollte sich schnellstens vom Rampenlicht verabschieden, denn er könnte sich dort verbrennen. Denn wie soll der Währungsfonds als strenger Budget-Mahner auftreten, wenn das eigene Haus nicht unter Kontrolle ist? Egal, wer das Ruder bei der Institution übernimmt, es wird wohl wieder deutlich unglamouröser und trockener, aber hoffentlich auch wieder seriöser in Washington zugehen.
Quelle: ntv.de