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Ungerecht und teuer Diese Rentenreform ist eine schlechte Idee

Arbeitsminister Hubertus Heil will das Rentenniveau dauerhaft auf 48 Prozent festschreiben.

Arbeitsminister Hubertus Heil will das Rentenniveau dauerhaft auf 48 Prozent festschreiben.

(Foto: picture alliance/dpa)

Das neue Rentenpaket von Arbeitsminister Heil ist keine Rettung fürs Rentensystem. Die Reform kostet sehr viel Geld und belastet einseitig die Jüngeren.

Bleibt es bei den Ankündigungen von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, dann wird die geplante Rentenreform ein heftiger Schlag - erstens für alle Beschäftigten und zweitens für den Staatshaushalt. Die Regierung will nämlich an der sogenannten Haltelinie von 48 Prozent festhalten, noch viele Jahre. Dieser Wert sollte eigentlich nur bis 2025 gelten und dann leicht abgesenkt werden, weil die Rente sonst künftig als nicht mehr finanzierbar gilt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Nicht für Alte und schon gar nicht mehr für Junge, das sagen zumindest alle bisherigen Prognosen.

Die Haltelinie war dazu gedacht, das Schlimmste aufzuhalten, denn sie definiert das Niveau, unter das die gesetzliche Rente nicht sinken sollte: Ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre lang auf Durchschnittsniveau in die gesetzliche Kasse eingezahlt hat, soll in dem Jahr, in dem er in den Ruhestand geht, eine Monatsrente erhalten, die mindestens 48 Prozent des dann gültigen Durchschnittsverdienstes aller Arbeitnehmer beträgt. Soweit die technische Definition. Es klingt aber nur im ersten Moment schön, dass die Regierung an dieser 48-Prozent-Marke festhalten will.

Denn wenn es bei den 48 Prozent bleibt, statt das Rentenniveau leicht abzusenken, wie fast alle Rentenexperten einhellig empfehlen, muss man ernsthaft die Frage aufwerfen, wie das System künftig noch finanziert werden soll. Und zur Klarstellung: Ein Niveau von 45 Prozent hieße nicht, dass bestehende - oder demnächst erstmals ausgezahlte - Renten abgesenkt würden. Sondern nur, dass die Renten künftig nicht mehr alljährlich im Gleichlauf mit den Löhnen steigen, damit die Jungen sie dennoch finanzieren können. Zuletzt legten die Renten übrigens sogar stärker zu als die Einkommen, sie stiegen seit 2012 nämlich um 29,8 Prozent, die Löhne nur um 28 Prozent. Die Inflation fraß davon 24,6 Prozent wieder weg.

Teure Reform

Bliebe die Haltelinie, müsste der Staat ab 2035 rund 35 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben - jedes Jahr, um die neuen Renten zu zahlen. Das errechnete das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Finanzieren werden das hauptsächlich alle Arbeitenden und ihre Arbeitgeber, weil die Beiträge dafür angehoben werden müssten, die von den Bruttogehältern abgehen. Und weil das allein nicht reichen wird, müsste auch der Staat noch kräftiger Steuermittel ins System buttern als bisher.

Denn das Grundproblem des Systems ist ja: Ab sofort gehen die Babyboomer in Rente, dadurch steigt die Zahl der Rentnerinnen und Rentner bis 2035 stark an. Und immer weniger junge Beitragszahler müssen deren Renten künftig finanzieren. Das bedeutet ohnehin schon steigende Ausgaben. Mit den alten Haltelinien wird die Reform der Alterseinkünfte enorm teuer - und bezahlen werden sie die Jungen, fast im Alleingang.

Sieht so eine generationengerechte Reform aus, an der nun schon mehrere Regierungen und Parteien jeder Couleur seit Jahren herumschrauben? Wohl kaum. Denn die Beschäftigten müssten jährlich 26,3 Milliarden Euro zusätzlich in die Rentenkasse einzahlen, nur damit die Haltelinie von 48 Prozent Bestand haben kann. Auch diese Zahlen ermittelte das IW. Dafür würde der Beitragssatz bis 2035 auf rund 22,3 Prozent steigen. Derzeit beträgt er 18,6 Prozent, die sich Arbeitgeber und Mitarbeiter hälftig teilen.

Einbußen für Arbeitnehmer

Aufs Konto eines Vollzeit-Durchschnittsverdieners umgerechnet hieße das: Derzeit zahlt er bei 4000 Euro Monatsbrutto exakt 372 Euro monatlich in die Rentenkasse ein. Künftig wären es 446 Euro, also 74 Euro mehr als jetzt. Das macht auf Jahressicht 888 Euro weniger auf dem Konto - die ihm dann fürs eigene Leben und zum Sparen für den eigenen Ruhestand fehlen. Bei einem Monatsbrutto von 6000 Euro kommen sogar 1332 Euro jährlich zusammen. Was ziemlich genau jener Betrag ist, den Sparer hierzulande jährlich in private Renten- und Fondssparpläne stecken.

Ach genau, mit Aktien will bald auch die Regierung sparen, um das drohende Loch in der gesetzlichen Kasse zu stopfen. Sie will die Stiftung "Generationenkapital" aufbauen. Angenommen, es flössen 12,5 Milliarden Euro jährlich aus Regierungsmitteln hinein: Bei 4 Prozent Rendite (die darf man schon annehmen für einen soliden Mix aus Aktien und Anleihen), kämen bis 2035 rund 195 Milliarden Euro zusammen. Klingt enorm, dennoch würfe der Staatstopf nur 7,5 Milliarden Euro jährlich an Zinsen und Erträgen ab, um die gesetzliche Rentenkasse zu subventionieren. Das wird die Beitragssteigerungen für Beschäftigte vielleicht ein winziges Bisschen bremsen - aber nicht verhindern.

Und die Moral von der Geschicht? Wenn die Regierung die Fähigkeit der jüngeren Bevölkerung erhalten will, langfristig selbst fürs Alter vorzusorgen, sollte sie ihre Versprechen an die Älteren in puncto Rente lieber etwas stutzen. Die erwerbstätigen Wählerinnen und Wähler sollten ihr das bei Gelegenheit noch einmal sagen.

Dieser Text erschien zuerst bei capital.de

Quelle: ntv.de

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