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Herabstufung der Euro-Länder "Eine politische Farce"

Das Top-Rating "AAA" macht Kummer, wenn es entzogen wird.

Das Top-Rating "AAA" macht Kummer, wenn es entzogen wird.

(Foto: dpa)

Frankreich, Österreich, Italien und Spanien herabzustufen ist in den Augen von Vermögensverwalter Markus Zschaber schlicht willkürlich. Die Ratingagentur S&P greife damit die sich gerade etwas stabilisierenden Märkte an.

Die jüngsten Herabstufungen von unter anderem Frankreich, Österreich, Italien und Spanien durch Standard & Poor’s sind weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar, sie sind schlichtweg willkürlich und eine politisch instrumentalisierte Farce. Was wir hier sehen ist ein Angriff auf das sich jüngst wieder etwas zu Recht stabilisiertes Sentiment in Europa. Fakt ist, das die erst in dieser Woche stattgefundenen Bondauktionen von Italien und Spanien uns sehr zuversichtlich gestimmt haben, dass die Märkte die Reformprozesse und deren Wirkungskette nach all den Irrationalitäten und Störfeuern der vergangenen Wochen und Monate verstanden haben. Dies galt als wichtigste Entwicklung, seit Zuspitzung dieser Krise im vergangenen Sommer. Zurückzuführen ist dies sicherlich auch auf die Erfolge des jüngsten EU–Gipfels.

Dr. Markus C. Zschaber

Dr. Markus C. Zschaber

Was wir allerdings erneut als Reaktion seitens der angelsächsischen Ratingagenturen erkennen, grenzt an politische Willkür. Die besagten Ratingagenturen haben immer wieder versucht mittels ihres inkonsequenten Verhaltens die Reformprozesse in der Eurozone zu stören, nicht selten mit Erfolg. Zuletzt allerdings zeigten sich die Märkte versöhnlicher mit Italien und Spanien, was belegt, dass die Märkte die Wirkungsketten die in diesen Ländern derzeit stattfinden verstanden haben.

Diese Wirkungsketten, welche auf solche massiven Reformanstrengungen, wie sie in den europäischen Staaten stattfinden, folgen sehen folgendermaßen aus:

  • Reduzierung des Wachstums (Sparen & Ausgabenkürzungen seitens des Staates)
  • Bereinigung der Wirtschaftssysteme von unprofitablen Leistungen & Unternehmen
  • Kurzfristiger Anstieg der Staatsdefizitquote
  • Fehlallokationen von Kapital (Staatswirtschaft) wird reduziert (Steuern werden effizienter erhoben)
  • Mittelfristig entsteht daraus ein fiskalpolitischer Ausgleich (Ausgaben werden reduziert / Einnahmen qualitativ gesteigert)
  • Langfristig erhöht sich durch diese Anpassungsprozesse das Potenzialwachstum

Zusammengefasst werden sich die Geschäfts- und Wachstumsmodelle der europäischen Nationen durch diese Reformanstrengungen zukunftsfähiger aufstellen. Das dies ein schwerer und steiniger Weg wird, sollte jedem ausgebildeten Volkswirt bewusst sein und den vermeidlichen Experten der Ratingagenturen ebenfalls. Betrachtet man die Fakten sind die Reaktionen der Märkte, die Länder wie Italien und Spanien wieder mit günstigeren Zinsen zu refinanzieren, die ökonomisch richtige Antizipation der Gesamtlage. Zweifellos hätten diese Volkswirtschaften aufgrund der bereits umgesetzten Reformen nach unserer Auffassung sogar noch mehr Kapital durch den freien Markt verdient gehabt.

Diese Kapitalströme werden aber eindeutig kontaminiert und zwar durch ein angelsächsisches Ratingssystem, welches nach unserer Auffassung jegliche Glaubwürdigkeit verspielt hat. Was wir hier sehen, ist eine Kampfansage an die Integrität der Eurozone.

Aussagen, dass Ratingagenturen doch nur das Fieberthermometer seien, das die Schwere einer Krankheit feststellt und veröffentlicht, sind der blanke Hohn. Denn diese Aufgabe erledigen die Kapitalmärkte. Wenn sie der Auffassung sind, Volkswirtschaften und Staaten zeigen keinen Reformwille und einen nur unzureichenden Reformwillen, dann verlangen sie höhere Zinsen von diesen Ländern.

Die Ratingagenturen sind dagegen ein Instrument, welches für politische Interessen eingesetzt werden kann. Sie mögen vielleicht ein Fieberthermometer sein, allerdings keines welches das Fieber misst, sondern eines, welches Fieber überträgt und das Vertrauen auf Heilung kontaminiert.

Für unser Haus gibt es hier nur zwei Szenarien: Entweder, die Ratingagenturen verstehen die Folgen und Wirkungen aus einem Reformprozess nicht, dann müsste ihnen aber jeglicher ökonomischer Sachverstand abgesprochen werden oder was wir hier sehen ist eine politische Agenda gegen die Eurozone.

Wir tendieren zum zweiten Szenario. Hintergrund ist, dass die jüngsten Daten zur Eurozone belegen, dass der relative Status in der Eurozone hinsichtlich Neuverschuldung, Reformierungen, Gesamtverschuldung und Fiskalunion nicht nur deutlich Fortschritte macht, sondern auch gegenüber den USA, Großbritannien oder Japan einfach qualitativ besser abschneidet.

Die Frage ist, warum werden diese Nationen, in denen seit Monaten und Jahren ein Rekorddefizit nach dem nächsten folgt, die öffentliche Gesamtverschuldung und die Neuverschuldung stetig und sehr dynamisch ansteigt, Schuldenlimits immer weiter angehoben werden und die Gelddruckmaschinerie der Notenbanken heiß läuft, nicht ebenfalls durch die Ratingagenturen in identischer Weise bewertet wie die Länder der Eurozone? Was wir hier sehen, ist eine asymmetrische Bewertung von Staaten und deren Bonität und zeigt das politische Interesse auf.

Es geht ums Geld und zwar nur ums Geld

Die USA wird massiv geschont, trotz hoher politischer Unstimmigkeit hinsichtlich der zukünftigen Reformen sowie einer Neuverschuldungsrate, welche erneut zwischen acht und zehn Prozent des BIP liegt. Großbritannien verfehlt regelmäßig, so auch jüngst, Wachstums- und Defizitziele. Währenddessen werden in den Nationen der Eurozone und vor allem die Peripherie, Reformanstrengungen wahrgenommen und umgesetzt. Es geht hier einmal mehr ums Geld. Geld, das die USA genauso wie Großbritannien benötigen um ihre exzessiven Defizite zu finanzieren. Man stelle sich vor, die Reformen als auch das politische Verhalten würden sachlich bewertet und durch günstigeres Kapital belohnt werden. Dies würde für ernsthafte Probleme in den USA und Großbritannien sorgen, denn sie müssten sich auch reformieren um weiteres Kapital durch die Märkte zu bekommen.

Dennoch, die jüngsten Verhaltensweisen der Marktteilnehmer veranlassen uns aber trotz dieser stringent zu hinterfragenden Aktionen der Ratingagenturen zur Zuversicht, dass die Märkte die Wirkungsfolgen von Reformen verstanden haben und die bessere Perspektive der Reformländer nachvollziehen können. Das belegen, wie bereits angesprochen, die jüngsten Zinsen bei den Bondauktionen aus der vergangenen Woche deutlich. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti verkündete in der vergangenen Woche, dass Italien kein Problemfall mehr sei und man sich vor Italien nicht mehr fürchten müsse. Dem stimmen wir zu. Auch die Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass neben den Anstrengungen zum Schuldenabbau auch Wachstum und Beschäftigung im Fokus stehen solle, ist der richtige Weg. Der Weg aus dieser Krise führt nur über Reformen und einem entschlossenen Handeln in Europa. Wir möchten nochmals betonen, dass die Geschäfts- und Wachstumsmodelle der europäischen Nationen durch diese Reformanstrengungen zukunftsfähiger aufgestellt werden. Die Ungleichgewichte in Europa werden sich dadurch zwar nochmals kurzfristig ausweiten, nachhaltig werden sich diese aber reduzieren. Wir wünschen uns eine schärfere Kritik seitens unserer Politiker gegen diese Machenschaften und Interessenlagen der Ratingagenturen. Sie dürfen die Integrität der Eurozone nicht länger belasten.

Ihr Dr. Markus Zschaber

Quelle: ntv.de, Dr. Markus C. Zschaber Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH

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