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Klotzen, nicht kleckern Europa wird glaubwürdig

Die Eurozone spannt einen gigantischen Rettungsschirm. Dafür hagelt es heftige Kritik - zu Unrecht. Denn es gibt keine Alternative. Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern.

Die Europäische Union stößt bei vielen Deutschen derzeit auf wenige Gegenliebe. Die Rettung Griechenlands bleibt unpopulär – und als ob das nicht schon teuer genug werden könnte, spannt die Eurozone gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds auch noch einen gigantischen Rettungsschirm im Volumen von 750 Mrd. Euro, um klammen Mitgliedsländern notfalls unter die Arme greifen zu können.

Die Kritik an Kanzlerin Angela Merkel wird deshalb immer lauter. Der Weg sei nun endgültig frei, ungehemmt Schulden zu machen. Europa sei auf dem Weg in die Transferunion. Die Inflation sei jetzt so sicher wie das Amen in der Kirche. Die EZB habe ihre Aufgabe, für eine stabile Währung zu sorgen und Geldentwertung im Rahmen zu halten, aufgegeben.

Griechenlands Finanzminister Giorgos Papakonstantinou begrüßt Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde.

Griechenlands Finanzminister Giorgos Papakonstantinou begrüßt Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde.

(Foto: REUTERS)

So nachvollziehbar die Vorwürfe auch sind, sie sind ungerecht. Denn Angela Merkel, der Eurozone und der EZB bleibt keine andere Wahl. Wer jetzt den Zeigefinger hebt, sollte Alternativen aufzeigen.

Zu Recht haben Europas Staats- und Regierungschef in den letzten Wochen viel Prügel eingesteckt. Ihr Zögern und Zaudern in Sachen Griechenland hat die Krise verschärft und die Lösung viel teurer gemacht. Als bereits jedem klar war, dass Griechenland auf die Pleite zusteuert, dauerte es Wochen, bis sich die Eurozone zu einem Hilfspaket durchrang.

Demonstration der Einigkeit

Jetzt reagiert Europa endlich beherzt. Das ist ein mutiger Schritt einer Gemeinschaft, die sich bislang nicht gerade durch souveränes Krisenmanagement hervorgetan hat. Statt dessen präsentierte sie sich ausgerechnet im Angesicht wachsender Gefahr zerstritten und konzeptfrei. Jetzt, wo es nicht mehr um ein Mitglied, sondern um die Zukunft der gesamten Eurozone geht, demonstriert Europa endlich Entschlossenheit und legt ein Rettungspaket vor, dass viel größer ist als erwartet. Das ist genau die richtige Antwort, um das Vertrauen der Märkte zu gewinnen.

Und ja, es ist richtig, dass die Europäische Zentralbank sich die Erlaubnis erteilt, notfalls Staatsanleihen zu kaufen und damit für Liquidität zu sorgen. Das zeigt ein Blick in die USA. Am Höhepunkt der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise demonstrierten US-Regierung und amerikanische Notenbank den unbedingten Willen, Geld in den Markt zu pumpen. Zu einem Zeitpunkt, als Angst und Verunsicherung um sich griffen, war das die Rettung. Zuvor hatte es immer wieder geheißen, die Krise sei eingedämmt, sie sei unter Kontrolle. Die Folgen dieser Beruhigungspillen waren fatal. Erst das 700 Mrd. Dollar schwere Rettungspaket und die Liquiditätsschwemme der Notenbank brachten die Wende, bewahrten das Finanzsystem vor dem Zusammenbruch und zeigten den Weg aus der Rezession. Der Preis dafür ist hoch, dass Defizit nimmt gigantische Dimensionen an. Doch gab es dazu eine Alternative?

Der Europäischen Zentralbank wird vorgeworfen, sie habe ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt. Das mag sein. Aber ohne die jetzt möglichen Schritte würde es die Eurozone unter Umständen bald nicht mehr geben. Dann hätte die Bank ihre Existenz eingebüßt.

Vielleicht haben wir Europäer Glück, und die in Aussicht gestellten Milliardenhilfen werden nicht in Anspruch genommen und die EZB wird nicht zu den ungewöhnlichen Schritten gezwungen. Möglicherweise reicht schon die Ankündigung einer glaubwürdigen Strategie aus, um das Vertrauen in die Eurozone wiederherzustellen. Die Unfähigkeit Europas, die Schuldenkrisen von Mitgliedern zu lösen, hat schweren Schaden angerichtet und die Eurozone in Existenznot gebracht. Die gewaltsamen Proteste in Griechenland und die horrenden Zinsen für Staatsanleihen sind unmissverständliche Signale. Der Euro – unsere Währung - steht auf dem Spiel. Europa zieht daraus endlich Konsequenzen. Hoffentlich reicht das aus.

Quelle: ntv.de

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