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Es liegt was in der Luft Stummer Hilferuf aus Athen

Alles deutet darauf hin, dass der entscheidende Hilferuf aus Athen schneller kommt als erwartet. Aber die EU-Staaten wird er kalt erwischen. Vorbereitet ist niemand darauf.

In der Ruhe liegt die Kraft: Einfach mal "nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) hören, nichts (Böses) sagen".

In der Ruhe liegt die Kraft: Einfach mal "nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) hören, nichts (Böses) sagen".

(Foto: Wikipedia/NLPD)

Man stelle sich vor, Griechenland schreit um Hilfe und keiner hört hin. Ministerpräsident Giorgos Papandreou versucht derzeit, die Euro-Staaten vorsichtig darauf vorzubereiten, dass er um Finanzhilfen nachsuchen könnte. Vor dem Parlament räumt er ein, dass alle erforderlichen Vorbereitungen für ein Hilfeersuchen an die EU und den Internationalen Währungsfonds (IWF) getroffen werden. Aber noch gehen die Finanzminister, die zurzeit in Madrid tagen, nicht vom Ernstfall aus.

Noch heißt es in ihren offiziellen Verlautbarungen, dass "nichts in der Luft liegt", wie Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker es formuliert. Er erwartet keine unmittelbar bevorstehende Hilfsanfrage Griechenlands. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble pflichtet ihm bei: Griechenland habe lediglich den Antrag gestellt, "dass wir zustimmen, dass Griechenland jetzt auch mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die entsprechenden Vorbereitungen trifft" für eine Unterstützung in der Schuldenkrise.

Versetzt Glauben Geldberge?

Auch Schäuble, der krankheitsbedingt nicht an dem Treffen in Madrid teilnimmt, geht davon aus, dass Griechenland ohne die grundsätzlich vereinbarte milliardenschwere Finanzspritze aus Europa und vom IWF auskommen kann. "Noch immer glauben wir, dass die Griechen auf dem richtigen Weg sind und dass sie am Ende vielleicht gar nicht die Hilfe in Anspruch nehmen müssen", wird er nicht müde zu sagen. Sollte die Unterstützung aber nötig werden, werde die Staatsbank KfW die Anleihen zeichnen, der Bund würde eine Bürgschaft übernehmen. Haushaltsmittel seien davon nicht betroffen. Bürgschaften für Athen, fragt man sich da. Was soll davon übrig bleiben?

Auch EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn äußert sich diplomatisch, wenn er die Wahrscheinlichkeit einschätzen soll, ob Hilfen tatsächlich abgerufen werden oder nicht. Eine Delegation der EU-Kommission und des IWF wird ab Montag in Athen mit der griechischen Regierung ein gemeinsames Programm vorbereiten – "so es denn gebraucht werde", relativiert Rehn. Die Griechen wissen, dass ihnen konkrete Finanzhilfen nur widerwillig zugebilligt werden. Nicht zuletzt, weil keiner im Euro-Raum zu viel davon hat. Selbst der IWF wird bei seinen Hilfszusagen letztlich an die europäischen Zentralbanker herantreten, denn auch die Reserven des IWF sind erschöpft.

Griechenland werde die Hilfen abrufen, wenn dies im Interesse des Landes sei, sagt Ministerpräsident Giorgos Papandreou in Athen. Wann aber ist es genau im Interesse Griechenlands? Es kann kaum noch schlimmer kommen.

Zinsaufschläge steigen weiter

Wegen unklarer Details des EU-Notfallplans fordern Anleger immer höhere Zinsen für griechische Staatsanleihen. Die Spreads für die zehnjähigen Bonds im Vergleich zu den entsprechenden Bundespapieren steigen am Freitag auf 425 Basispunkte von 415 Punkten am Vorabend. Gleichzeitig klettern die Kosten für die Versicherung eines zehn Millionen Euro schweren griechischen Kredites gegen Zahlungsausfall auf 423.700 von 418.200 Euro. Die griechische Katze beißt sich damit in den Schwanz. Das Beschaffen von Geldern am Finanzmarkt wird für den Athener Haushalt immer belastender. Es könnte sein, dass die Märkte testen, wo die Schmerzgrenze für Griechenland liegt, um das Hilfspaket anzufordern, munkeln Marktexperten. Damit stellt sich genau das Szenario ein, vor dem die Griechen von Anfang an gewarnt haben.

Am Ende könnte somit der Hilferuf - trotz allgemeinen Widerwillens - doch aus der Not geboren werden. Die griechische Regierung will nicht um Hilfe rufen, weil sie dadurch ihre Selbstständigkeit verlieren und Kernkompetenzen an EU, IWF und EZB abgegeben müsste. Und die EU-Staaten wollen den Hilferuf nicht hören, weil sie nichts zu verteilen haben. Am Ende tun am besten alle einfach so, als hätten sie entweder nichts gesagt oder einfach nichts gehört. Möglicherweise beruhigt das ja die Finanzmärkte.

Quelle: ntv.de

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