Dax-Vorschau Anleger, sei wachsam!
28.05.2011, 11:18 UhrDie Schuldenkrise in der Eurozone und die schwächelnde Konjunktur in den USA sind für die Aktienmärkte eine gefährliche Mischung. Analysten ziehen bereits erste Parallelen zur Zeit der Lehman-Pleite und sprechen von einer möglichen "Kernschmelze des Finanzsystems". Vorsicht ist also geboten.
Der Monat Mai ist seinem schlechten Ruf unter Börsianern wieder einmal vollauf gerecht geworden. Von der Euphorie zu Jahresbeginn ist nicht mehr viel übrig geblieben; die Bären halten das Zepter in der Hand und stellen in der Zwischenzeit die Mehrheit der Anleger an den Aktienmärkten. Die schwelende Schuldenkrise in der Eurozone sowie eine ganze Reihe schwächelnder Konjunkturdaten vor allem aus den USA haben die positive Grundeinstellung der Investoren ins Wanken gebracht.
Die Folge ist eine Phase zuletzt erhöhter Volatilität, die bis auf weiteres erhalten bleiben dürfte. Die Situation erinnert an die Lage von vor einem Jahr. Damals eskalierte die Schuldenkrise in Griechenland, zugleich trübten sich die Wachstumsdaten in den USA spürbar ein. Die Folge war die Schaffung des Rettungsschirms für die Eurozone beziehungsweise die Ankündigung der Federal Reserve, zusätzliches Geld zu drucken, um die Finanzmärkte zu stützen. Mit Blick auf die Eurozone gehen die meisten Beobachter bislang davon aus, dass letztendlich ein neuen Hilfspaket geschnürt wird.
Finanzsystem vor Kernschmelze?
Und das weniger, weil man eine Genesung Griechenlands für wahrscheinlich hält, sondern vielmehr weil die Verantwortlichen bei einer Insolvenz eine Kernschmelze des Finanzsystems wie nach dem Fall des Hauses Lehman Brothers fürchten. Jochen Felsenheimer, Kreditanalyst bei Assenagon Asset Management, hält genau aus diesem Grund einen harten Schuldenschnitt für griechische Staatsschulden trotz aller politischen Misstöne für praktisch ausgeschlossen. Die Gefahr von Zweit- und Drittrundeneffekten wäre schlicht zu groß.
Was die zuletzt schwächeren US-Konjunkturdaten betrifft, ist es noch zu früh, ein Urteil zu fällen. Der deutliche Rückgang einzelner Regionalindizes lässt befürchten, dass auch der am Mittwoch anstehende ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe enttäuschen könnte. Im Konsens wird für Mai ein Rückgang auf 58,8 von 60,4 erwartet, die Korrektur könnte allerdings auch kräftiger ausfallen. Am Freitag folgt dann der ISM-Index für das nicht-verarbeitende Gewerbe; dieser zeigte sich bereits im April mit 52,8 recht schwach.
Abwarten - mit Vorsicht
Der Stratege der Deutschen Bank, Jim Reid, schließt nicht aus, dass die schwächeren Konjunkturdaten in direktem Zusammenhang mit der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise stehen. Historisch betrachtet sei zu beobachten, dass die Konjunkturzyklen nach schweren Finanzkrisen kürzer ausfallen. Daher sei nicht auszuschließen, dass der Wirtschaftszyklus schon deutlich weiter fortgeschritten sei, als gemeinhin geglaubt. Allerdings, schränkt Reid ein, sei eine solche Interpretation der Daten mit Vorsicht zu genießen.
Denn vermutlich spielten auch die Verwerfungen im Zusammenhang mit der Katastrophe in Japan - mit den entsprechend negativen Auswirkungen auf die weltweiten Lieferketten - eine Rolle bei den zuletzt schwächelnden Konjunkturdaten. Weitere Daten sind also notwendig, um sich ein besseres Bild über den Zustand der Weltwirtschaft machen zu können. Auch setzt sich bislang die Erholung am US-Arbeitsmarkt fort. Solange dies der Fall ist, sollte die Korrektur an den Börsen überschaubar verlaufen.
Es dauert noch
Im Konsens wird erwartet, dass die US-Wirtschaft im Mai 200.000 neue Stellen geschaffen hat; die Daten werden am kommenden Freitag veröffentlicht. Richtig ernst für die Aktienmärkte wird es wohl erst werden, sollte sich die Meinung durchsetzen, dass ein erneute Rezession droht. Die Frage, ob es sich bei den schwächeren Daten lediglich um Sondereffekte, um eine Wachstumsverlangsamung nach der Topbildung bei den Frühindikatoren oder um mehr handelt, wird sich aber erst in den kommenden Monaten beantworten lassen.
Für die Anleger heißt das erhöhte Wachsamkeit und, falls nötig, eine bessere Absicherung des eigenen Portfolios. Am Markt wird auch schon wieder zunehmend über Schützenhilfe der Fed spekuliert. Denn die Schwäche der Konjunkturdaten im vergangenen Jahr war eines der Hauptmotive für die Ankündigung der erneuten quantitativen Lockerung (QE2). Es ist sicherlich zu früh, um aus Sicht der Anleger noch vor Ende von "QE2" auf "QE3" zu hoffen.
Allerdings scheint klar, dass die Finanzmärkte noch über Jahre hinaus auf die Unterstützung der Zentralbanken angewiesen sein werden. Und diese haben kein Interesse an einem Zusammenbruch der Märkte und werden dies mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern versuchen.
Quelle: ntv.de, Manuel Priego Thimmel, DJ