Marktberichte

Inside Wall Street Autos führungslos im Nebel

Vielleicht sind es nur weihnachtliche Wetterkapriolen. Im Nordosten der USA toben Stürme, in Las Vegas liegt Schnee, und so ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass es in Detroit so neblig geworden ist, dass die Lenker der großen Automobil-Konzerne die Richtung verloren haben. Jedenfalls steuern sie ohne Sinn und Ziel durch den Tag.

In ihrer schwersten Krise warten General Motors, Ford und Chrysler warten auf Hilfe - doch ob die kommt, ist zunehmend unwahrscheinlich. Nachdem der Kongress ein Milliardenpaket für die Branche zunächst abgeschmettert hat, schaltete sich zwar Präsident Bush ein. Doch auch der spricht im Moment nur von möglichen Krediten über 14 Milliarden Dollar - das würde die Hersteller gerade einmal das erste Quartal hindurch liquide halten. Spätestens im Februar stünden die CEOs wohl wieder in Washington und würden um mehr Geld betteln.

Außerdem: Sollten Bush und seine Mannen sich durchringen, ein beim Steuerzahler höchst unpopuläres Rettungspaket zu schnüren, wäre nach wie vor unklar, zu welchen Bedingungen. Analysten rechnen damit, dass die Regierung GM etwa zwingen könnte, sich im Gläubigerschutz zu restrukturieren. Ganz genau das will der Konzern aber verhindern. Denn man befürchtet, dass die Kunden einem Konzern im Konkursverfahren keine Wagen abkaufen würden - schon aus Sorge um die Garantien.

Entsprechend sucht man andere Wege der Restrukturierung. Angeblich haben GM und Chrysler ihre Verhandlungen über einen möglichen Merger wieder aufgenommen. Ob die Regierung das angeregt hat, weiß man nicht. Doch der Wall Street graut vor dem Gedanken, dass sich die beiden kaputten Hersteller zusammenschließen könnten. Denn eines ist völlig klar: Wenn sich der Pest-Kranke und der Cholera-Patient gemeinsam ins Bett legen, wird davon keiner gesund.

Also sucht man in Detroit nach weiteren Möglichkeiten, noch eine Zeit lang über Wasser zu bleiben. Chrysler schließt etwa sämtliche Werke für einen Monat, um Kosten zu sparen und den Bestand an unverkauften Autos abzubauen. Ford verlängert seinerseits die Weihnachtspause für die meisten Werke um eine Woche.

Die seltsamste Idee kommt von General Motors: Dort stoppt man - aus finanziellen Gründen - den Bau eines neuen Werkes am Standort Flint, Michigan. In diesem 350 Millionen Dollar teuren Werk sollten ab 2010 die Energie effizienten Motoren für den Chevy Volt und den kompakten Chevy Cruze gebaut werden. Ausgerechnet deren Entwicklung zu stoppen, zeigt, dass man in Detroit immer noch nichts gelernt hat. Denn unabhängig von finanzieller Hilfe aus Washington führt der einzige wahre Weg aus der Krise über neue, kleine, sparsame Fahrzeuge. Ausgerechnet dieses Segment jetzt zu bremsen ist fast schon "corporate suicide" - der Selbstmord eines Unternehmens.

Doch nicht nur Detroit macht Fehler; auch in Washington läuft manches schief. Die Regierung will etwa den Auto-Herstellern einen "Car Czar" beistellen, der die Geschicke der einstmals "großen Drei" künftig lenken und die Restrukturierung leiten soll. Doch scheint man bei der Besetzung dieser Schlüsselrolle sämtliche Experten zu übergehen und sich auf einen Bürokraten festlegen zu wollen. Spitzenkandidat ist zur Zeit der frühere Fed-Chef und Obama-Berater Paul Volcker, der zwar einst die Notenbank erfolgreich steuerte, aber keine außergewöhnliche Erfahrung in der Privatwirtschaft hat - im Autosektor schon gar nicht.

Übergangen hat man bisher Vorschläge, dass etwa der legendäre frühere GE-Chef Jack Welch den Posten besetzen könnte. Auch Mitt Romney, einst republikanischer Präsidentschaftsbewerber und Gründer einer erfolgreichen Investmentfirma scheint nicht in Frage zu kommen. Dabei kennt er sich mit kaputten Firmen aus, deren Restrukturierung er als Großinvestor oft miterlebt hat.

Inmitten der Auto-Krise übernimmt zur Zeit keiner eine verantwortliche Führungsposition. Vielleicht hat man sich gar nicht verfahren, weil es neblig geworden ist - sondern weil keiner am Lenkrad sitzt.

Quelle: ntv.de

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