So tief wie zuletzt im Jahr 2009 Dax hält sich über der 5000
12.09.2011, 18:00 Uhr
Zwischendurch sah es düster aus.
(Foto: dapd)
Der Abwärtstrend am deutschen Aktienmarkt hält an: Unter dem Druck dramatischer Nachrichten aus Frankreich sackt der Leitindex Dax bis in den 4000er-Bereich ab. Im Handelsverlauf markiert das Börsenbarometer den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Am Abend erreicht der Markt halbwegs festes Terrain. Die Brandherde im Euroraum schwelen weiter.
Nach den starken Kursverlusten der vergangenen Tage bleibt die erhoffte Trendwende am deutsche Aktienmarkt aus: Der Leitindex Dax geht am ersten Tag der neuen Woche 2,27 Prozent tiefer bei 5072,33 Punkten aus dem Handel. Beobachter zeigten sich erleichtert: Zwischenzeitlich war der Dax deutlich unter die psychologisch wichtige Marke von 5000 Punkten gefallen. Das Tagestief liegt bei 4965,80 Zählern, was einem Abschlag von 4,3 Prozent gegenüber dem zurückliegenden Wochenschluss entspricht. Zum letzten Mal hatte der Dax im Juli 2009 die Marke von 5000 Punkten unterschritten. Der MDax schloss am Montag 2,72 Prozent im Minus bei 8303,87 Punkten. Der TecDax gab 2,61 Prozent nach auf 683,14 Punkte.
Vor allem die am Wochenende aufgeflammten Diskussionen um eine Staatspleite Griechenlands und die Sorgen um eine Abstufung der Kreditwürdigkeit französischer Banken durch die Ratingagentur Moody's drückten auf die Stimmung. Eine hatte den Dax gegen Mittag kurzzeitig ebenfalls belastet. Der Vorfall erwies sich schließlich als nicht kursrelevant. Nach Angaben französischer Behörden wurde keine Radioaktivität freigesetzt.
Am Nachmittag aber gab es einen kleinen Lichtblick für die Anleger, der das Minus am Markt reduzierte: Das hochverschuldete Griechenland dürfte einem Bericht des "Wall Street Journal" (WSJ) zufolge die nächste Tranche des ersten Rettungspakets wohl erhalten.
Noch kräftiger als der Dax fiel der Eurostoxx50, der Leitindex der Eurozone. Belastet von zahlreichen sehr schwachen Bankenaktien, insbesondere aus Frankreich, büßte er 3,79 Prozent auf 1995,01 Punkte ein. Damit notierte er zum ersten Mal seit März 2009 wieder unter der Marke von 2000 Punkten. Auch die Pariser Börse rutsche kräftig ins Minus, wohingegen der "Footsie" in London vergleichsweise moderate Verluste verbuchte. In den USA gab der Dow Jones Industrial zum Börsenschluss in Europa ebenfalls nach.
An den Märkten wird Börsianern zufolge verstärkt eine Zahlungsunfähigkeit von Griechenland durchgespielt. Analyst Frank Schneider von der Alpha Wertpapierhandels GmbH verwies zudem auf die Sorgen vor einer bevorstehenden Abwertung französischer Banken, die in der Folge auch zu einer Abwertung Frankreichs führen könnte. "Die Märkte haben bereits vor einigen Wochen über eine Abstufung Frankreichs spekuliert und die potenziellen Verpflichtungen aus den ergriffenen Rettungsmaßnahmen sind in den letzten Wochen eher größer geworden."
Allen voran verbilligten sich in Europa die französischen Finanzwerte und verloren zeitweise mehr als 12 Prozent. Das brachte auch die Titel der deutschen Banken unter Druck: Die Papiere der Deutschen Bank büßten 7,30 Prozent auf 21,40 Euro ein. Zeitweise waren die Aktien des größten deutschen Geldhauses um rund 10 Prozent eingebrochen. Die Commerzbank-Aktien sackten am Dax-Ende um 8,32 Prozent auf 1,532 Euro. Die Allianz-Titel verloren 6,46 Prozent. Im MDax waren die Anteilsscheine der Aareal Bank schwächster Wert mit mehr als 8 Prozent Abschlag.
Vergleichsweise stabil hielten sich am deutschen Aktienmarkt Titel wie FMC, Post oder Infineon. Die Aktien des Chipherstellers zogen am Nachmittag mit einem kräftigen Aufschlag von 3,2 Prozent ins Plus und schlossen am Abend an der Dax-Spitze 2,7 Prozent fester. Beiersdorf legten 0,7 Prozent zu. Deutsche Post gingen mit einem geringfügigen Abschlag von 0,2 Prozent aus dem Handel. Die Vorzugsaktien des Wolfsburger Autobauers VW fielen unter dem Eindruck des Zerwürfnisses mit dem japanischen Partner 1,5 Prozent zurück.
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hegt keine Einwände gegen die Fusion der Deutschen Börse mit der Nyse Euronext. Die Pläne seien gebilligt worden, teilte die Bafin mit und räumte damit eine wichtige Hürde aus dem Weg. Die Entscheidung der mächtigen EU-Wettbewerbshüter steht allerdings noch aus. Die EU-Kommission will bis 13. Dezember darüber entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie den Zusammenschluss der Börsen zulässt. Offen ist, ob die Kommission die Abgabe von Geschäftsbereichen fordert. Die Aktien der Deutschen Börse lagen vor diesem Hintergrund mit dem schwachen Gesamtmarkt 2,7 Prozent im Minus.
Am Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Rendite der börsennotierten Bundeswertpapiere auf 1,53 Prozent (Freitag: 1,62 Prozent). Der Rentenindex Rex stieg um 0,44 Prozent auf 131,15 Punkte. Der Bund Future rückte um 0,23 Prozent vor auf 138,09 Punkte.
Der Kurs des Euro bremste nach der Meldung des "WSJ" seine Talfahrt und fiel zuletzt nur noch auf 1,3640 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,3656 (Freitag: 1,3817) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7323 (0,7238) Euro.
Die anhaltende Unsicherheit an den Märkten hat dem Dax in den vergangenen acht Wochen den stärksten Kursrutsch seit neun Jahren beschert. Zwischen Ende Juli und Mitte September verlor der deutsche Leitindex rund 2300 Punkte oder ein Drittel seines Wertes und markierte am Montag mit 4965 Zählern ein neues Zwei-Jahres-Tief. Das aktuelle Quartal ist zudem das zweitschlechteste seiner Geschichte nach dem dritten Quartal 2002. Sollte der Dax in den kommenden beiden Wochen weitere fünf Prozentpunkte auf den Verlust seit Ende Juli draufpacken, würde es zum schwärzesten Jahresviertel. Durch die Talfahrt des Aktienmarktes verloren die 30 Dax-Werte insgesamt 238 Mrd. Euro an Börsenwert. Dies entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung Griechenlands.
Wie geht es weiter in Athen
In Athen werden am Mittwoch die Kontrolleure der " " aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) zurück erwartet. Sie wollen feststellen, ob Griechenland bereit ist, alle nötigen Maßnahmen zu treffen, um das Spar- und Reformprogramm umzusetzen. Geben sie kein grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche der Finanzhilfen von 8 Mrd. Euro, ist das Land pleite. Die griechische Regierung kann nach eigenen Angaben die Löhne der Staatsbediensteten und die Renten nur noch bis Ende Oktober bezahlen.
"Es mehren sich Gerüchte, dass die deutsche Bundesregierung ein Ende der Griechenland-Hilfe anstrebt", sagte Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann. Er erwartet, dass das Troika-Urteil "desaströs" ausfallen dürfte. Vor dem Hintergrund der immer stärkeren Rezession in Griechenland sei auch in nächster Zukunft nicht damit zu rechnen, "dass das Land die bisherigen Sparziele auch nur annähernd erreichen kann".
Noch eindringlicher warnte Chefanalyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank: Es gehe um das "Endspiel" der Eurozone, schrieb er in einem Kommentar. Die Situation habe sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Wirtschaftsminister hatte am Wochenende eine geordnete Insolvenz Griechenlands als ultimative Maßnahme nicht mehr ausgeschlossen.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou kritisierte - ohne Rösler beim Namen zu nennen - die Aussagen verschiedener europäischer Politiker. "In einigen Staaten der EU haben wir leider gesehen, dass die antieuropäischen Stimmen lauter werden", sagte er in einer Sondersitzung mit Abgeordneten seiner Partei. Papandreou versicherte, Griechenland werde alle Auflagen erfüllen, koste es politisch für ihn "was es wolle".
Der noch amtierende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark mahnte, kein Land dürfe sich in Sicherheit wiegen. "In der aktuellen Situation ist kein Land wirklich geschützt", sagte er der "Irish Times". Stark, der als sehr stabilitätsorientierter Geldpolitiker gilt, war am Freitag von seinen Positionen bei der EZB zurückgetreten. Er bezog seine Warnung auf die Gefahr, dass Länder plötzlich vom Kapitalmarkt abgeschnitten werden könnten wie etwa Griechenland. "Das kann auch größeren, hoch entwickelten Volkswirtschaften passieren."
Unsicherheitsfaktor Zentralbank
Der Abgang von EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark sorgte laut Börsianern ebenfalls weiter für Verunsicherung. Stark hatte am Freitag überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Als Nachfolger ist Finanz-Staatssekretär vorgesehen. Grund für Starks Abgang sei ein Zerwürfnis über die vor allem in Deutschland umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB, hieß es aus dem Umfeld der Zentralbank. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann will dagegen seine Arbeit im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ungeachtet des Stark-Rücktritts fortsetzen. "Ich sehe keinen Grund dafür, Stark zu folgen", sagte Weidmann.
"Ich spüre, dass dies meine Überzeugung gestärkt hat, in der EZB für geldpolitische Stabilität und die Unabhängigkeit der Zentralbank zu arbeiten." Stark hatte am Freitag seinen Rücktritt bekanntgegeben. Als Grund dafür gilt seine Kritik am Ankauf von Staatsanleihen von hoch verschuldeten Euro-Ländern durch die EZB. Auch Weidmann hat dies wiederholt angeprangert.
Der Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Stark hatte den Dax vor dem Wochenende bereits kräftig belastet und die Lage sehe zum Wochenstart kaum besser aus, hieß es am Markt. Momentan gebe es eine unangenehme Kombination durch eine sich erneut verschärfende Schuldenkrise auf der einen Seite und einer Europäischen Zentralbank, die sich über Gebühr in die Bekämpfung dieser Krise verstrickt habe, hieß es etwa bei der Commerzbank.
Zittern am Kapitalmarkt
In den vergangenen Handelstagen hatte die Europäische Zentralbank wiederholt Anleihen aus hochverschuldeten Euro-Staaten aufgekauft und so die Risikoaufschläge zu deutschen Staatsanleihen gedrückt. Laut Händlern soll die EZB auch zum Wochenstart am Markt zugekauft haben. Innerhalb der EZB ist der Kauf von Staatsanleihen umstritten. Der überraschende Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Stark wird mit dem Streit um Anleihenkäufe innerhalb der Notenbank in Verbindung gebracht.
Ungeachtet großer Sparanstrengungen wächst der Schuldenberg vieler EU-Staaten weiter. Der gesamtstaatliche Schuldenstand dürfte im kommenden Jahr im Schnitt 83,3 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen, teilte die EU-Kommission in Brüssel in einem Bericht zu den öffentlichen Finanzen mit. In dem Routinebericht werden keine neuen Defizitschätzungen für die Mitgliedsländer vorgelegt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts