Marktberichte

Spanien, Zypern, Griechenland Dax schließt tief im Minus

Madrid und Zypern machen es offiziell: Die formalen Schritte ändern nichts an der Gesamtsituation (Archivbild).

Madrid und Zypern machen es offiziell: Die formalen Schritte ändern nichts an der Gesamtsituation (Archivbild).

(Foto: dapd)

Wenige Tage vor dem großen EU-Gipfel verlieren Börsianer die Hoffnung. Am deutschen Aktienmarkt rechnen Anleger nicht mehr mit einer schnellen Lösung der Schuldenkrise. In Spanien kocht die Gerüchteküche, Zypern flieht unter den Rettungsschirm und Griechenland braucht einen neuen Finanzminister.

Der deutsche Aktienmarkt verliert zu Wochenbeginn weiter an Boden. "Die Stimmung ist extrem schlecht. Die Flucht in Sicherheit wird wieder groß geschrieben", meinte ein Händler. Selbst unerwartet gute Konjunkturdaten aus den USA bringen keinen Umschwung: Die überraschend guten US-Neubauverkäufe, die von einer Stabilisierung des US-Immobilienmarktes zeugen, spielten am Markt angesichts der Entwicklungen in Europa eine untergeordnete Rolle.

Der Dax ging am Abend mit einem Abschlag von 2,09 Prozent auf 6132,39 Punkten aus dem Handel. In der Vorwoche hatte er nach einer Berg- und Talfahrt moderat im Plus geschlossen. Auf Jahressicht (YTD) liegt der Dax damit nur noch knapp 4 Prozent im Plus. Der MDax schhloss zu Wochenbeginn um 1,49 Prozent bei 10.024,61 Punkten. Der technologielastige Auswahlindex TecDax gab 2,10 Prozent nach auf 725,52 Punkte.

Der offizielle ließ Anleger unberührt: Wichtige Details zur Stabilisierung des spanischen Bankensektor stehen weiterhin aus. Zudem wird am Markt mit einer weiteren Herabstufung durch die Ratingagentur Moody's gerechnet. Die finanzielle Situation in sorgte für weitaus mehr Unruhe: Kurz nach Handelsschluss an den wichtigsten europäischen Börsen stellte das Euro-Land unter dem Druck der wachsenden Staatsverschuldung einen Antrag auf EU-Hilfen.

Euro-Sorgenkind Griechenland wird bei dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel von seinem Präsidenten Karolos Papoulias vertreten. Aus Athen hieß es, Papoulias werde die Delegation anführen, zu der auch Außenminister Dimitris Avramopoulos und der amtierende Finanzminister George Zannias gehören werden. Samaras hatte sich einer Augenoperation unterzogen und muss sich noch schonen. Gleiches gelte für Finanzminister Vassilis Rapanos, der vor dem Wochenende "mit Magenproblemen" ins Krankenhaus gebracht worden war. Die Absage der beiden griechischen Spitzenpolitiker hatte den Tag über für erhebliche Beunruhigung gesorgt.

Nach Handelsschluss wurde dann bekannt, dass der designierte griechische Finanzminister Rapanos beim Ministerpräsidenten Antonis Samaras seinen Rücktritt eingereicht hat. Samaras habe den Rücktritt akzeptiert, teilte das Büro das Premiers mit. Rapanos liegt seit Freitag im Krankenhaus. Er sollte eigentlich den noch amtierenden Finanzminister der alten Übergangsregierung ersetzen.

Weitere Auslöser für die neue Abwärtsbewegung erkannten Beobachter in einzelnen Aussagen zu den laufenden Gipfelvorbereitungen: Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich besorgt, dass auf dem EU-Gipfel Ende der Woche zu viele Forderungen nach gemeinschaftlicher Haftung diskutiert werden. "Haftung und Kontrolle dürfen nicht in einem Missverhältnis zueinander stehen", mahnte Merkel. Gleichzeitig erneuerte sie ihre Ablehnung von Eurobonds oder Eurobills.

Merkel fliegt bereits am Mittwoch zum französischen Präsidenten Francois Hollande nach Paris. Dort soll der Gipfel vorbereitet werden. Die Spannung ist auch deshalb so groß, weil der Gipfel der letzte vor der Sommerpause sein soll.

Banken im Kreuzfeuer

Verkaufsdruck herrschte vor diesem Hintergrund vor allem Finanzsektor: Händler erklärten, die durch die Ratingagentur Moody's in der Vorwoche laste noch auf den Aktien. Daneben sei die Schuldenkrise kursbestimmend. Europaweit lagen der Sektor drei Prozent im Minus. Der Stoxx-600-Index für Banken war zeitweise schwächster Sektor-Index des Tages. Die Aktien der Deutschen Bank beendeten den Handelstag gut vier Prozent schwächer bei auf 27,37 Euro. Händler verwiesen auf eine Klage von Sealink Funding in den USA wegen Geschäften mit hypothekenbesicherten Wertpapieren im Volumen von 960 Mio. US-Dollar.

Zudem sprachen Börsianer auch hier von den Gerüchten um die angeblich unmittelbar bevorstehende Abstufung spanischer Banken durch die Ratingagentur Moody's. Das sollte aber nach der Abstufung des Länderratings und den Abstufungen durch Moody's nicht überraschen und den Sektor kaum bewegen, sagte ein Händler. Die Aktien der Commerzbank gaben 2,4 Prozent ab. Am MDax-Ende fielen die Titel der Aareal Bank um 5,7 Prozent.

Das Euroland Spanien bat am Berichtstag formal um Finanzhilfen zur Stabilisierung des spanischen Bankensektors. Die EU hat bereits bis zu 100 Mrd. Euro aus den Rettungsschirmen bewilligt. Erste Stresstests der spanischen Banken förderten einen Finanzbedarf von 62 Mrd. Euro zutage. Die Berichte spanischer Medien, wonach Moody's noch am Abend die Einstufungen der Banken Spaniens senken könnte, belastete besonders spanische Werte. Die Aktie von BBVA fiel um 5,5 Prozent, die von Santander um 4,7 Prozent.

Stahl und Zement geben nach

Neben den Banken büßten vor allem die besonders konjunkturnahen Titel kräftig ein: Größter Verlierer im Dax waren die konjunktursensiblen HeidelbergCement mit minus 4,2 Prozent. Die Aktien des Stahlkonzerns ThyssenKrupp fielen 3,8 Prozent zurück. Die Analysten von JP Morgan hatten zwar ihr Kursziel gesenkt, zugleich aber ihre Empfehlung mit "overweight" bekräftigt.

Die Aktien von Adidas hielten sich mit minus 1,1 Prozent auf 56,37 Euro vergleichsweise gut. Händlern zufolge verläuft die Fußball- Europameisterschaft positiv für den Sportartikelhersteller, nachdem die deutsche Mannschaft wie auch Spanien ins Halbfinale eingezogen sind. Adidas stattet beide Teams aus.

Die Aktien von Bayer rückten um 0,19 Prozent vor auf 52,97 Euro und zählten damit neben den Papieren des Medizinkonzerns Fresenius zu den beiden einzigen Gewinnern im Dax. Für die Erholung der Anteile an dem Leverkusener Chemie- und Pharmaunternehmen machten Marktteilnehmer Nachrichten zu Bayer-Konkurrenten verantwortlich. Die US-Gesundheitsbehörde FDA verweigerte dem Medikament Eliquis von Pfizer und Bristol-Myers Squibb die Zulassung für eine Form von Herzrhythmusstörungen und verlangte weitere Daten.

Der Eurostoxx50 schloss 2,57 Prozent tiefer bei 2130,7 Punkten. Für die nationalen Indizes in Paris und London ging es ebenfalls nach unten. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial sank zum Zeitpunkt des europäischen Börsenschlusses um 1,31 Prozent.

Auch an übrigen europäischen Aktienmärkten abseits von Frankfurt äußerten Marktteilnehmer Zweifel, dass der EU-Gipfel am Wochenende den Durchbruch bei der Bewältigung der Schuldenkrise im Euroraum bringen wird. Der Vierergipfel am Freitag zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Amtskollegen aus Italien, Frankreich und Spanien habe einmal mehr die Gräben zwischen Deutschland und den anderen drei Ländern aufgezeigt, hieß es. Zwar sprachen sich die Politiker für Wachstumsinitiativen in Europa aus. In Schlüsselfragen wie einer Vergemeinschaftung der Schulden steht eine Annäherung aber aus. "Es ist höchst unwahrscheinlich, dass es auf dem EU-Gipfel einen Befreiungsschlag geben wird", sagte Jim Reid, Stratege bei der Deutschen Bank.

Am Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Rendite der börsennotierten Bundeswertpapiere auf 1,22 (Freitag: 1,23) Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,17 Prozent auf 133,42 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,91 Prozent auf 142,16 Punkte. Der Kurs des Euro fiel. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,2488 (1,2539) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8008 (0,7975) Euro.

Die Renditen für spanische und italienische Anleihen legten deutlich zu, was Händler als Ausdruck der Nervosität an den Märkten werteten. "Wir erwarten, dass der Druck auf das europäische Finanzsystem zunimmt und der Euro weiter abwertet", so die Experten von Standard Chartered. Der Dollar profitierte zudem von guten US-Immobiliendaten. Die Zahl der Neubauverkäufe in den USA erreichte ihren höchsten Wert seit rund zwei Jahren. "Das Niveau der Verkaufsaktivitäten ist im langjährigen Vergleich zwar immer noch sehr niedrig, weist aber inzwischen einen stabilen Aufwärtstrend auf", meinte Volkswirt Heinrich Bayer von der Postbank.

Knappe Mehrheit erwartet "Grexit"

Eine Umfrage zeichnete unterdessen ein trübes Bild von der allgemeinen Stimmungslage: Die knappe Mehrheit der Anleger an den Finanzmärkten rechnet einer Befragung zufolge innerhalb der kommenden zwölf Monate mit dem Austritt von mindestens einem Land aus der Eurozone. Von den rund 1000 Befragten erwarteten 56 Prozent ein solches Ereignis, wie aus einer Erhebung des Analysehauses Sentix hervorgeht. Dabei betrachteten rund 89 Prozent Griechenland als den wahrscheinlichsten Austrittskandidaten.

Einen Abschied Deutschlands aus der Währungsunion halten 5,3 Prozent für möglich, darunter vor allem Privatanleger. Auf Platz drei der möglichen Austrittskandidaten folgt Spanien, das 1,3 Prozent der Befragten als Wackelkandidaten ansehen. An der Umfrage beteiligten sich private und institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen