Papandreou löst Unruhe aus Dax sehr schwach erwartet
01.11.2011, 08:30 Uhr
Bereit für den Austritt? Giorgos Papandreou.
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An Allerheiligen steht den Anlegern am deutschen Aktienmarkt aller Voraussicht nach ein tiefroter Auftakt bevor: Das angekündigte Referendum in Griechenland facht die Nervosität an den Märkten unvermittelt neu an. Der Zusammenbruch eines kleineren Brokerhauses an der Wall Street belegt zudem die weiter schwelenden Ansteckungsgefahren. Ein Quartalsbericht aus der Schweiz trägt nicht zur Beruhigung der Lage bei.
Die überraschende Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland über das jüngste Rettungspaket wird den Dax nach Einschätzung von Börsianern am Dienstag belasten. Am Montag war er um 3,2 Prozent auf 6141,34 Punkte abgerutscht.

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Am Morgen rechneten Händler mit fortgesetzten Kursverlusten. Der Dax könnte sogar sehr schwach handeln, hieß es. "Die Vorgaben sind rundum schlecht", sagte ein Händler. Vor allem die überraschende Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland sorge für lange Gesichter. Sie hatte schon am Vorabend für Verluste an Wall Street gesorgt. "Damit zieht sich die Akzeptanz des EU-Rettungsplanes bis ins Frühjahr 2012 hin und soviel Unsicherheit will der Markt nicht", erklärte ein Händler.
Vor allem US-Anleger hätten mit Entsetzen auf die Nachricht reagiert und dies am Vortag als Beispiel für die politische Blockaden innerhalb der EU interpretiert. Der Kapitalabzug aus Europa und dem Euro dürfte sich damit fortsetzen. Der Euro fiel am Morgen bereits auf 1,38 Dollar zurück.
Die Volksabstimmung in Griechenland über das neue internationale Rettungspaket wird nach Einschätzung des finnischen Europaministers Alexander Stubb auch ein Referendum über die Mitgliedschaft in der Eurozone sein. "Die Situation ist so angespannt, dass es im Prinzip eine Abstimmung über die Euro-Mitgliedschaft wäre", sagte Stubb in einem Fernsehinterview.
Am Montagabend hatte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou überraschend eine Volksabstimmung über das Hilfspaket angekündigt. Beobachtern zufolge riskiert er damit Neuwahlen. Unter Umständen könnte der internationalen Kreis an Helfern aus EU, EZB und IWF einen bislang sehr kooperativen Ansprechpartner vor Ort verlieren. Dann stünden schlimmstenfalls auch sämtliche Rettungsbemühungen für Griechenland auf der Kippe.
Bond-Pleite in den USA
Die weiter schwelende Ansteckungsgefahr der internationalen Finanzmärkte hatte am Vortag bereits die Pleite von MF Global gezeigt. Der US-Broker hatte einen Großteil seiner Verluste mit Euro-Anleihen eingefahren. Zudem belasten schwache Zahlen der Credit Suisse. Der Banken-Sektor wird erneut als Hauptverlierer erwartet.
Denn mit dem Zwischenbericht der Schweizer Großbank Credit Suisse setzte sich am Morgen die Reihe der Quartalszahlen euopäischer Schwergewichte fort: Die Bank hat die Turbulenzen an den Finanzmärkten im dritten Quartal voll zu spüren bekommen. Im Investmentbanking rutschte das Institut mit einem Vorsteuerverlust von 190 Mio. Franken tief in die roten Zahlen.
Der Zwischenbericht wurde im Handel umgehend als negative Überraschung eingestuft. "So schwach hat das keiner erwartet", sagte ein Markteilnehmer. Er rechne damit, dass die Aktien unter Druck kommen werden. Besonders schwach habe sich mit einem Verlust von 190 Mio. Franken das Investmentbanking entwickelt, hier habe die Konsensprognose nur auf einen Verlust von 47 Mio. Franken gelautet.
Blick auf Banken und Chemie
Unter dem Strich wies die Bank einen Gewinn von 683 Mio. Franken (rund 562 Mio. Euro) aus. Das waren zwar 12 Prozent mehr als vor einem Jahr. Zu verdanken hat Credit Suisse dies aber einem Bilanzeffekt durch die Neubewertung der eigenen Schulden. Die Erwartungen von Analysten verfehlten die Schweizer klar. Vorstandschef Brady Dougan will nun sein laufendes Sparprogramm verschärfen.
Ebenfalls schwach erwartet wurden die Aktien von Wacker Chemie. Grund ist nach Händlerangaben ein Interview mit einem führenden Manager des koreanischen Konkurrenten OCI. Der Hersteller von Polysilizium habe darauf verwiesen, dass die Preise für dieses Produkt noch dieses Jahr um bis zu 40 Prozent fallen könnten. "Für Wacker könnte das besonders belastend wirken, da sie gerade ihre Kapazitäten mit dem neuen US-Werk aufstocken", sagte ein Händler: "Hier könnte der Hebel nach hinten losgehen". Das Werk im US-Staat Tennessee soll ab 2013 arbeiten.
Gute Nachrichten für die Chemie-Industrie lieferte dagegen DSM ab. "Für Lanxess könnte das klar stützend wirken, eventuell auch für Bayer und BASF", meinte ein Händler. DSM, ein niederländischer Hersteller von Spezialchemie, hat seinen Gewinn im dritten Quartal fast verdoppelt. Der Umsatz zog um 5 Prozent an. DSM bestätigte darauf wie andere Chemie-Unternehmen ebenfalls die Jahresprognose.
Im Tagesverlauf steht unter anderem die Bekanntgabe des ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe aus den USA an. Analysten rechnen im Oktober mit einem Anstieg auf 52,0 nach 51,6.
Auch an den europäischen Börsen hat sich die Stimmung massiv eingetrübt. Nach den starken Kursverlusten vom Wochenbeginn zeichnet sich am Dienstag eine fast ungebremste Fortsetzung der Talfahrt ab. Der Eurostoxx50 wird mit 2315 Punkten indiziert, was einem Abschlag von fast 3 Prozent entspricht. Am Vortag sei es vornehmlich die in Skepsis umschlagende Euphorie nach den EU-Gipfelbeschlüssen zur Schuldenkrise gewesen, hieß es zur Erklärung aus dem Handel. Am Dienstag sorgten nun der unerwartete Referendumsplan in Griechenland für Unruhe.
An der Wall Street hatten die US-Indizes am Montag weiter nachgegeben. Der Dow Jones beendete die Sitzung 2,3 Prozent tiefer, während der Nasdaq 1,9 Prozent verlor. Der S&P500 fiel um 2,5 Prozent. Am Abend erreichten die Nachrichten vom Zusammenbruch eines Brokerhauses für zusätzliche Unruhe: Die in Europa weitgehend unbekannte MF Global musste nach Abschreibungen auf europäische Staatsanleihen in New York Gläubigerschutz nach US-Insolvenzrecht beantragen,
In Tokio gab der Nikkei-Index am Dienstag um 1,7 Prozent auf 8836 Zähler nach. Der chinesische Shanghai Composite fiel um 0,1 Prozent auf 2465 Punkte.
Quelle: ntv.de, DJ/rts