Nach der langen Nacht von Brüssel Dax sehr stark erwartet
27.10.2011, 08:10 Uhr
Pressekonferenz in den frühen Morgenstunden: Bundeskanzlerin Merkel nach dem Gipfel.
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Die Ergebnisse des Brüsseler Sondergipfels zur Eindämmung der Schuldenkrise in Europa lösen an den Märkten große Erleichterung aus: Für den deutschen Aktienmarkt rechnen die Beobachter in Banken und Brokerhäusern zum Auftakt mit kräftigen Kursgewinnen. Nach dem Gipfel schieben sich die Quartalsberichte einer ganzen Reihe prominenter Unternehmen in den Vordergrund.
Die Beschlüsse der Euro-Länder zur Bekämpfung der Schuldenkrise dürften den Dax nach Einschätzung von Marktbeobachtern zum Handelsstart deutlich anschieben. Im vorbörslichen Spezialistenhandel zeichnete sich ein Plus von zeitweise mehr als 3 Prozent ab. Am Mittwoch hatte der deutsche Leitindex 0,5 Prozent niedriger bei 6016 Punkten geschlossen.
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In der Nacht hatten die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder unter anderem einen Schuldenschnitt für Griechenland von 50 Prozent und eine Hebelung des Euro-Rettungsschirms EFSF beschlossen.
Auf Unternehmensebene rückten nach dem großen Euro-Gipfel weitere Ergebnisse aus der laufenden Berichtssaison in den Vordegrund. Am Morgen legen eine ganze Reihe prominenter Namen aus der ersten und zweiten Reihe der deutschen Börsenliga ihre Zwischenberichte vor.
Die Zahlen von BASF werden von Händlern begrüßt. "Das sieht recht gut aus. Die Furcht vor einer Gewinnwarnung ist damit vom Tisch", meinte ein Marktteilnehmer. Dass der Chemiekonzern seinen Jahresausblick bestätigt habe, widerspreche der Sorge vor einer stark nachlassenden konjunkturellen Dynamik. Die nachlassende Wachstumsdynamik im zweiten Halbjahr füge sich in das Szenario einer konjunkturellen Abschwächung für Deutschland, ohne dass eine Rezession zu befürchten sei. Die Aktie legt vorböslich um über 2 Prozent zu.
Als "enttäuschend" stufte ein Händler in einer ersten Einschätzung die Zahlen des Schweizer Industriekonzerns ABB ein. Das Unternehmen habe sowohl auf der Umsatz wie auch auf der Ertragsseite die Erwartung verfehlt. Allerdings müsse noch geschaut werden, wie sich die Währungsentwicklung ausgewirkt habe. Das Unternehmen berichte zwar in Dollar, mache allerdings nur 12 Prozent des Umsatzes in der US-Währung. Ein Blick auf den Auftragseingang zeige, dass sich für die kommenden Quartale ein abkühlendes Bild abzeichne. Die Aktie sollte mit den Zahlen schwächer als der breite Markt laufen, hieß es.
Als "unspektakulär" stufte ein Händler die Zahlen des Verkehrstechnikkonzerns Vossloh ein. Nach den beiden Gewinnwarnungen im Juli und September wurden die Schätzungen der Analysten bereits deutlich heruntergenommen. Diese schwache Erwartung erfüllte das Unternehmen auf Umsatz- wie Ertragsseite. Das Abwärtspotenzial in der Aktie werde auf Grund von Übernahmegerüchten und dem Aktienrückkauf als begrenzt eingestuft. Erst für 2012 sei mit einer deutlichen Verbesserung des Geschäftes zu rechnen.
Die Aktien von Gildemeister profitierten im frühen Handel von einer Anhebung der Prognose im Auftragseingang. Die Papiere lagen am Morgen bei Lang & Schwarz 3,3 Prozent im Plus. Der Werkzeugmaschinenbauer hatte außerdem mit seinen Quartalszahlen die Erwartungen der Analysten übertroffen. "Bei Gildemeister gibt es noch immer keine Anzeichen irgendeiner Schwäche", kommentierte ein Händler. "Die Zahlen von Gildemeister sind stark", kommentierte ein anderer Händlerd en Zwischenbericht. Vor allem ergebnisseitig überzeuge der Maschinenbauer. Erfreulich sei auch der gestiegene Auftragseingang. Die Prognose einer stabilen Geschäftsentwicklung im kommenden Jahr dürfte der Aktie, die bislang nicht richtig ins Laufen gekommen sei, zu Auftrieb verhelfen.
Erste Ergebnisse des EU-Gipfels hatten bereits am Abend die Anleger an der Wall Street beruhigt. Nach Börsenschluss in Europa legten die Kurse deutlich zu. Der Dow Jones war mit einem Plus von 1,4 Prozent aus dem Handel gegangen, der S&P500 hatte 1 Prozent gewonnen, der Composite-Index an der Nasdaq hatte 0,5 Prozent zugelegt. Auch in Asien ging es an den Börsen nach oben. Der Nikkei-Index stieg um 1,4 Prozent, der Index in Schanghai kletterte um 0,4 Prozent.
Tag der Erleichterung
Mit Blick auf die übrigen europäischen Börsen außerhalb Deutschlands gingen Beobachter davon aus, dass Anleger die in der Nacht verabschiedeten Beschlüsse zum Handelsstart in Europa mit Aufschlägen honorieren. "Alles in allem wurde die Markterwartung erfüllt - möglicherweise leicht übererfüllt", sagte ein Händler.
Bis zuletzt stand der Forderungsverzicht des Privatsektors auf der Kippe, bis ein Schuldenschnitt von 50 Prozent ausgehandelt wurde. "Hier haben sich einige Marktteilnehmer sicher einen höheren Verzicht erhofft", meinte der Händler. Noch bleibe offen, wie der geplante Anleiheumtausch zu Beginn 2012 angenommen werde.
Die Rekapitalisierungsplan der europäischen Banken berge kaum Überraschung, die Kernkapitalquote soll Mitte kommenden Jahres über 9 Prozent liegen. Die Mittel des EFSF sollen auf bis zu 1 Billion Euro gehebelt werden, welcher Mechanismus angewendet werde, müsse allerdings noch entschieden werden. Positiv werde gewertet, dass zusätzlich eine Zweckgemeinschaft mit privaten Investoren gegründet werden solle. "Hier scheint es Interesse von Staatsfonds zu gegen, die in den Euroraum investieren wollen", erklärte der Händler.
"Auch wenn viele Fragen offen bleiben, sehen wir heute zunächst eine Erleichterungsrally", erwartete ein anderer Händler. Die Schuldenkrise sei weiterhin nicht gelöst, doch wurde zunächst eine gute Portion Zeit erkauft. Zu den Beschlüssen der Nacht komme hinzu, dass Italien seinen aktuellen Schuldenstand von 120 Prozent gegenüber seinem BIP auf 113 Prozent im Jahre 2014 herunterfahren wolle. "Dies könnte dazu führen, dass ein Überspringen der Risikoaversion der Anleihegläubiger auf Italien gemildert wird", hieß es.
Im Tagesverlauf legen unter anderem europäische Schwergewichte wie France Telecom, Royal Dutch Shell, AstraZeneca, GDF Suez und Santander Zahlen zum abgelaufenen Quartal vor. Die Berichtssaison dürfte damit den Handelsverlauf mitbestimmen.
Aus den USA kommen am Nachmittag die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe und Daten zu den Ausstehenden Hausverkäufen. Diesen Angaben wird am Morgen allerdings wenig Einfluss auf das Handelsgeschehen eingeräumt.
Quelle: ntv.de, DJ/rts