"EZB lässt sich alle Optionen offen" Dax wägt erst ab, dann biegt er ab
06.06.2013, 17:49 Uhr
Der Dax landet unter 8100 Punkten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Nachdem die EZB den Leitzins in der Eurozone unverändert lässt, blicken Anleger wieder in die USA, wo es neue Wasserstandsmeldungen vom Jobmarkt gibt. Die Spekulationen, ob die Fed eher früher oder später aus ihrer ultralockeren Geldpolitik aussteigen wird, bekommen so wieder neues Futter.
Nach dem Kursrückgang vom Vortag hat der deutsche Aktienmarkt nur zeitweise zulegen können. Am Nachmittag gab der deutsche Leitindex seine Gewinne wieder ab und rutschte deutlich ins Minus. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzinssatz erwartungsgemäß auf dem vorherigen, rekordniedrigen Niveau belassen. Gleichzeitig hat sie aber die Wachstumsprognosen für die Eurozone gesenkt.
Zuletzt notierte der Dax noch bei 8098 Punkten, das entspricht einem Minus von 1,1 Prozent. Das ist der tiefste Schlusskurs seit Anfang Mai. Der MDax schloss 0,6 Prozent leichter auf 13.706 Punkten. Der TecDax verlor 0,4 Prozent auf 947 Punkte.
"Die EZB lässt sich alle Optionen offen", kommentierte Helaba-Analyst Ulrich Wortberg die EZB-Aussagen. Konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Lockerung der Geldpolitik habe es bis jetzt aber nicht gegeben.
Derweil gingen die wöchentlichen US-Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe erwartungsgemäß zurück. Sie gelten ebenso wie die am Vortag veröffentlichten ADP-Daten als Indikator für den Arbeitsmarktbericht der US-Regierung, der an diesem Freitag bekanntgegeben werden soll.
Bei jeder Wasserstandsmeldung vom Arbeitsmarkt wird an den Aktienmärkten angestrengt über das "Ob" und "Wann" einer Drosselung der Geldschwemme durch die US-Notenbank Fed diskutiert. "Man hat den Eindruck, als ob die Fed zunehmend besorgt um Blasen an den Finanzmärkten ist", sagte ein Händler. Dieser Aspekt der Debatte um die Drosselung sei mindestens genauso wichtig, wie die sich verbessernden Aussichten am US-Arbeitsmarkt.
Es sei also nicht auszuschließen, dass die Fed auch ohne merkliche Verbesserung am US-Arbeitsmarkt in Zukunft die Käufe reduzieren werde. "Die Fed will offenbar ein wenig die Luft aus den Märkten lassen", so der Teilnehmer weiter. Das Anlegen an den Märkten werde in Zukunft wieder schwerer werden.
In den USA wächst die Spannung
"Für den längerfristigen Trend fragt sich, was an die Stelle der Liquiditätshausse tritt", fasste Martin Hüfner, Chef-Volkswirt des Vermögensverwalters Assenagon, die Stimmung zusammen. "In den USA sieht es so aus, als könnte es die bessere Konjunktur sein."
Für den Marktstrategen Ian Williams vom Brokerhaus Peel Hunt bleiben Aktien aber auch dann erste Wahl, wenn die Fed die Zügel anzieht. Andere Anlagen wie zum Beispiel Anleihen würden schließlich kaum Rendite bringen.
Neben anderen Maßnahmen kauft die US-Notenbank zur Ankurbelung der Konjunktur derzeit Bonds und Immobilienpapiere im Volumen von 85 Mrd. US-Dollar monatlich auf. Sie will ihre lockere Geldpolitik so lange beibehalten, bis die Arbeitslosenquote auf 6,5 von derzeit 7,5 Prozent gefallen ist. In den vergangenen Wochen hatten einige Fed-Vertreter allerdings laut darüber nachgedacht, zumindest die Wertpapier-Käufe zu drosseln, wenn sich die Konjunktur deutlich erholt. In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Wirtschaftsbericht ("Beige Book") hatte die Fed von einer "mäßigen bis moderaten" Erholung gesprochen.
Daher blickten viele Investoren bereits zeitlich voraus in Richtung auf die am Freitag anstehenden US-Arbeitsmarktdaten. Analysten sagen für Mai die Schaffung von 170.000 Stellen nach 165.000 im Vormonat voraus. Die Arbeitslosenquote werde bei 7,5 Prozent stagnieren.
Hochwasser belastet Versicherer
Zu den schwächsten Werten im Dax zählten Allianz. Wegen drohender Schadenszahlungen im Zuge der Hochwasser-Katastrophe in Europa verloren die Aktien des Versicherers 2,5 Prozent. Talanx im MDax büßten knapp 1,0 Prozent ein.
Ruhiger ging es dagegen bei den Rückversicherern zu: Hannover Re notierten 1,5 Prozent leichter. Münchener Rück gaben 1,8 Prozent nach. "Nachdem zuerst die Rückversicherer auf die Nase bekommen hatten, sind jetzt die Erstversicherer dran", sagte ein Händler. Dies hätte eigentlich schon am Montag stattfinden müssen: "Schließlich bekommen Erstversicherer die Rechnung als erste präsentiert".
Grund der Verluste sei die Verschärfung der Hochwasserlage in Ostdeutschland. "Die Bilder von Deichbrüchen und damit Einbeziehung neuer Regionen in die Schadens-Landkarte machen die Situation emotionaler und unkalkulierbarer", so der Händler
Gefragt waren dagegen Henkel, die sich um 0,5 Prozent verteuerten. Die Analysten von Exane BNP hatten Händlern zufolge die Papiere des Konsumgüter-Herstellers auf "Neutral" von "Underperform" hochgestuft.
Lufthansa verloren am Ende 1,4 Prozent ab. Händler werteten die Aussagen des Unternehmens, ein rund 300 Mio. Euro höheres Gewinnpotenzial in dem laufenden Sparprogramm "Score" zu sehen, positiv. Übertriebene Euphorie sei angesichts der Nachricht aber nicht angebracht, warnte ein Analyst: "Lufthansa sieht diese Zahl als potenziell an - wenn es wegen der Konjunktur mit den Umsätzen nicht läuft, wird dieses Potenzial niemals realisiert". Da die dann freiwerdenden Mittel für den Kauf von neuen Flugzeugen dediziert seien, bleibe der operative Gewinn ohnehin unberührt davon.
Börsenneuling LEG Immobilien profitierten zunächst vom Aufstieg in den MDax, gaben die Gewinne aber wieder ab und notierten 0,8 Prozent leichter.
Die Aktien des Hamburger Hafen- und Logistikkonzerns HHLA, die in den SDax absteigen, verloren 1,2 Prozent. Die Veränderungen werden zum 24. Juni wirksam.
Im TecDax machte eine Verkaufsempfehlung der Berenberg Bank den Titeln der Software AG zu schaffen. Sie verloren 1,1 Prozent.
Quelle: ntv.de, ddi/DJ/dpa/rts/AFP