Rhön-Klinikum stürzen ab Draghi schubst Dax an
03.09.2012, 17:45 Uhr
(Foto: REUTERS)
Der deutsche Aktienmarkt wagt sich zum Auftakt des neuen Handelsmonats aus der Deckung, obwohl die USA als wichtiger Impulsgeber fehlen. Im späten Handel ziehen angebliche Äußerungen von EZB-Präsident Draghi den Markt das entscheidende Stückchen nach oben, um locker über der Marke von 7000 Dax-Punkten zu schließen.
Seit Wochen warten Börsianer sehnsüchtig auf konkrete Hinweise für mögliche Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank. Auf entsprechend fruchtbaren Boden sind daher am Montag Gerüchte gefallen, wonach EZB-Präsident Mario Draghi einem EU-Abgeordneten zufolge gesagt haben soll, er habe kein Problem mit den Kauf von Staatsanleihen mit zwei- bis dreijähriger Laufzeit. Solche Käufe verstießen nicht gegen EU-Verträge. Weil wegen eines Feiertags in den USA der dortige Börsenhandel jedoch geschlossen war, blieben die Umsätze auf dem deutschen Parkett sehr übersichtlich.
Der Dax legte nach den kolportierten Äußerungen zu und schloss 0,6 Prozent fester bei 7014,83 Punkten. Für den MDax ging es um 0,3 Prozent rauf auf 11.051,28 Punkte. Der TecDax ging 0,1 Prozent im Plus bei 798,84 Punkten aus dem Handel.
Nach einer längeren Phase weitgehend unveränderter Aktienindizes hofften Börsianer, dass mit wichtigen Weichenstellungen im September nun auch die längerfristige Richtung am Aktienmarkt klarer werden wird. Staatsanleihenkäufe durch die EZB sind dabei nur ein Punkt von mehreren. Am Donnerstag wird die EZB bei ihrer regulären Ratssitzung sicherlich auch über diesen Punkt beraten.
Neben der Geldpolitik steht im September darüber hinaus auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über mögliche Verstöße des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM gegen die Verfassung auf der Agenda. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble soll vor Studenten in Straßburg gesagt haben, dass er sicher sei, dass Karlsruhe den ESM nicht blockieren würde.
Durchwachsene Konjunktursignale aus der europäischen Industrie, die neben diesen Impulsen den Markt beschäftigten, ließen Börsianer weitgehend kalt: Die Exportaufträge in der Eurozone schrumpften im August so stark wie seit April 2009 nicht mehr. Der viel beachtete Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes für den selben Zeitraum stieg jedoch um 1,7 Punkte auf 44,7 Zähler. Damit verbessert sich die Lage erstmals seit Jahresbeginn wieder, doch der Index bleibt deutlich unter der Schwelle von 50 Punkten, oberhalb derer er einen Anstieg der Geschäftstätigkeit anzeigt.
Korb für Rhön
Am Handelstag stand bei den Einzelwerten vor allem Fresenius mit seiner Absage an einen erneuten Übernahmeversuch von Rhön-Klinikum im Fokus der Börsianer. Wegen zu großer Unwägbarkeiten machte der Gesundheitskonzern aus dem Dax einen Rückzieher bei seinen Kaufplänen. Für Anleger von Rhön-Klinikum war die Nachricht eine kalte Dusche, der Kurs des MDax-Unternehmens brach um 20,9 Prozent ein. Fresenius-Investoren frohlockten jedoch, bedeutete die Absage für sie weniger Ungewissheit und keinen milliardenschweren Aufwand. Die Papiere schlossen an der Gewinnerspitze im Dax 2,4 Prozent im Plus.
Der Automobilsektor stand dagegen unter Abgabedruck. Als belastend wurde ein Bericht der Automobiliwoche angeführt, wonach VW seine Zulieferer informiert habe, dass die Produktion im Herbst um etwa 10 Prozent sinken könnte. Ein VW-Sprecher bezeichnete die "genannten Szenarien" als "spekulativ und sachlich nicht korrekt". Papiere von Volkswagen verloren am unteren Dax-Ende 2,1 Prozent, für BMW ging es um 0,9 Prozent runter, Daimler gaben um 1,0 Prozent ab.
Nach einer Herabstufung durch Nomura rutschten Infineon ins Minus. Die Papiere des Chip-Herstellers fielen um 1,7 Prozent auf ein Fünf-Wochen-Tief. Die Markterwartungen an die Unternehmensergebnisse seien trotz der Gewinnwarnung vom Juni zu hoch, schrieb Analystin Carmen Boyero in einem Kommentar. "Wir sind zunehmend besorgt wegen der stärkeren Abkühlung der Nachfrage und der Anzeichen für Überkapazitäten." Ihre Prognosen für Umsatz, Gewinn und Margen lägen unter dem Durchschnitt. Boyero stufte Infineon auf "Reduce" von "Neutral" herunter und senkte ihr Kursziel auf fünf von 8,35 Euro.
Im MDax waren Lanxess mit einem Aufschlag von 3,4 Prozent größter Gewinner. Die Titel gelten neben Continental als heißer Aspirant für den Aufstieg in den Dax. Conti schlossen 0,9 Prozent fester. Die wahrscheinlichen Dax-Absteiger MAN und Metro blieben mit 0,5 Prozent Minus bzw. 0,1 Prozent Plus hinter dem Gesamtmarkt zurück. Über die Veränderungen Dax, MDax & Co entscheidet der Arbeitskreis Aktienindizes der Deutschen Börse am Mittwoch.
An der TecDax -Spitze standen Solarworld mit einem Plus von 7,3 Prozent. Händler konnten das Kursplus nicht erklären. "Eigentlich müsste die Aktie fallen, nachdem sich die Bundeskanzlerin gegen ein EU-Antidumpingverfahren gegen chinesische Solarfirmen ausgesprochen hat", sagte ein Händler. Angela Merkel hatte vergangene Woche bei ihrem Besuch in China betont, dass sie sich bei der EU-Kommission dafür einsetzen wolle, auf ein Antidumpingverfahren vorerst zu verzichten. Zugleich forderte sie aber den Abbau von Subventionen durch die Regierung der Volksrepublik.
Quelle: ntv.de, nne/rts