Nach der Bernanke-Rede Euro findet Halt
04.10.2011, 17:20 Uhr
Wie viel kann Deutschland tragen?
(Foto: AP)
Die neuesten Wendungen in der europäischen Schuldenkrise rütteln die Lage an den Devisenmärkten gründlich durcheinander: Die Regierung in Athen will bis in den Winter ohne frisches Geld durchhalten. Der Fall Dexia lenkt Licht auf die Schwachstellen im Bankensektor. Im Lauf des Tages kann sich der Euro etwas erholen.
Der Euro hat sich am Dienstag nach skeptischen Aussagen von US-Notenbankchef Ben Bernanke zur Lage der amerikanischen Wirtschaft etwas erholt und ist deutlich über die Marke von 1,32 US-Dollar gestiegen.

Griechische Zustände: Nach einer Pressekonferenz verlässt Finanzminister Evangelos Venizelos sein schwer bewachtes Ministerium.
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Im Nachmittagshandel stand die Gemeinschaftswährung bei 1,3228 Dollar. Zuvor hatte die Sorge der Anleger vor einer Staatspleite Griechenlands den Euro weiter belastet und zeitweise auf ein Tagestief bei 1,3144 Dollar gedrückt. Das war der tiefste Stand seit Januar. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Referenzkurs auf 1,3181 (Montag: 1,3327) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7587 (0,7504) Euro.
In einer Anhörung vor dem gemeinsamen Wirtschaftsausschuss von Senat und Repräsentantenhaus habe US-Notenbankchef Bernanke mit Blick auf die amerikanische Wirtschaft "keinen Anlass zu Optimismus gegeben", sagte Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank mit Blick auf die leichte Erholung des Euro. In der größten Volkswirtschaft der Welt sei das Wachstum nach wie vor zu schwach für eine Erholung auf dem wichtigen Arbeitsmarkt. Zur Ankurbelung der lahmenden Wirtschaft stellte Bernanke erneute Stützungsmaßnahmen der Zentralbank in Aussicht.
Ein erneuter Kauf von Staatsanleihen durch die US-Notenbank (Fed) sei "nicht vom Tisch", kommentierte Leuchtmann die Auswirkungen der Bernanke-Aussagen auf den Handel an den Devisenmärkten. Ein weiterer Kauf von US-Staatsanleihen durch die Fed dürfte dem Euro im Handel mit dem Dollar Auftrieb verleihen.
Zuvor hatten Meldungen vom Treffen der EU-Finanzminister den Kurs des Euro noch deutlich belastet. Die jüngsten Stellungnahmen von führenden Vertretern der Eurozone seien für die Anleger enttäuschend ausgefallen, sagte Experte Leuchtmann. Das Treffen der Minister in Luxemburg habe ein Zeichen der mangelnden Handlungsfähigkeit der Politik in Europa geliefert.
"Alles was am Markt derzeit interessiert, ist die Frage, wann gibt's die nächste Tranche für Athen, und sind sie nun zahlungsunfähig oder nicht", sagte ein Händler. "Bislang hat es immer geheißen, sie brauchen das Geld Mitte Oktober, um Gehälter auszahlen zu können, auf einmal sollen sie bis November warten. Das alles verunsichert den Markt immer weiter."
Die Auszahlung der nächsten Hilfstranche an Griechenland werde wohl auf den kommenden Monat verschoben, hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker zuvor angekündigt. Für eine Auszahlung im Oktober werde wohl der Bericht der Geldgeber EU, EZB und IWF über die Fortschritte der griechischen Reformen nicht rechtzeitig fertig.
Finanzminister beteuerte daraufhin, dass sein Land bis Mitte November auf die Auszahlung der nächsten Tranche warten könne ohne pleitezugehen. Investoren sahen das skeptischer. "Derzeit werden die verschiedensten Szenarien durchgespielt, welche Konsequenzen ein Zahlungsausfall Griechenlands nach sich ziehen würde", sagte der Händler. "Die Frage ist, ist das Geld aus dem Rettungsschirm dann tatsächlich nur für die Banken da?"
Mehr Risiko als im Bundestag genehmigt?
Laut Eurogruppen-Chef Juncker wird inzwischen eine stärkere Beteiligung der Geldinstitute am zweiten Rettungspaket erwogen. Daneben werden Möglichkeiten diskutiert, über die Aufnahme von Fremdkapital das Volumen des EFSF aufzupumpen. Als Idee kursiert, dass der Rettungsfonds über eine Zweckgesellschaft Staatsanleihen aufkauft, diese als Sicherheit bei der EZB hinterlegt und dadurch Kredite in viel höherem Volumen vergeben kann.
Das Risiko läge dann bei den Mitgliedsländern der EZB. Die Commerzbank hält diesen Weg für nicht machbar. "Das würde die Bonität des EFSF untergraben", sagte der Chefvolkswirt des Instituts, Jörg Krämer. "Und es wäre auch die Demokratiefrage berührt, denn letzten Endes ginge der EFSF dann höhere Risiken ein, als die Parlamente genehmigt haben."
Einfluss auf die Bonität Deutschlands
Angesichts der Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands beurteilen Investoren auch die Bonität anderer Euroländer zunehmend skeptisch. Kreditausfallversicherungen verteuerten sich. Besonders stark zogen angesichts des starken Griechenland-Engagement des französisch-belgischen Geldinstituts Dexia die Kosten zur Absicherung gegen einen Zahlungsausfall Frankreichs oder Belgiens an.
Aber auch die Kreditwürdigkeit Deutschlands wird von Investoren zunehmend kritisch gesehen. Die CDS auf zehnjährige Bundesanleihen verteuerten sich um fünf Basispunkte auf ein Rekordhoch von 121 Basispunkten. "Es sieht so aus, als trage Deutschland immer mehr die von den Peripherieländern ausgehenden Risiken", sagte Volkswirtin Jennifer McKeown von Capital Economics. "Selbst wenn diese Volkswirtschaften keine neuen Rettungspakete brauchen sollten; die deutschen Banken sind dort stark engagiert und sind von daher ohnehin gefährdet."
Die deutschen Institute sind nach den französischen am zweitstärksten in griechische und italienische Anleihen investiert. Mit einem Volumen von 177,9 Mrd. Dollar halten sie zudem die meisten spanischen Anleihen, wie Daten der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Stichtag Ende März zeigen. "Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass Deutschland eine ordentliche Last bei der Stützung der Eurozone zu tragen hat", sagte Analyst Gavan Nolan von Markit.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,85650 (0,85960) britische Pfund, 101,08 (102,39) japanische Yen und 1,2169 (1,2140) Schweizer Franken fest.
Der Preis für eine Feinunze Gold wurde in London am Nachmittag mit 1.638,00 (1.620,00) Dollar gefixt. Ein Kilogramm Gold kostete 40.040,00 (38.110,00) Euro.
Quelle: ntv.de, DJ/rts