"Die Reaktion war sehr ungewöhnlich" Euro pendelt Ifo-Index aus
27.08.2013, 17:13 Uhr
"Das war kein Riesensprung, aber besser als erwartet": Nach dem Ifo-Index sackt der Euro deutlich ab.
(Foto: REUTERS)
Im Zentrum der Eurozone hellt sich das Geschäftsklima weiter auf: Das starke Signal aus Deutschland führt an den Devisenmärkten zunächst zu einem scharfen Kursrutsch. Am Nachmittag setzt der Euro zur Gegenbewegung an.
Der Euro hat am Dienstag nach deutlichen Schwankungen unter dem Strich leicht zugelegt. Am späten Nachmittag kostete die Gemeinschaftswährung 1,3380 US-Dollar und damit etwas mehr als am Morgen. Viele Währungen asiatischer Schwellenländer standen unterdessen wieder massiv unter Druck, als sichere Häfen empfundene Währungen wie der Schweizer Franken oder der japanische Yen waren dagegen gefragt. Händler nannten die sich zuspitzende Syrien-Krise als Grund.
"Den Yen als sicheren Hafen anzusehen, ist schon ein wenig fragwürdig", kritisierte ein Händler die Fluchtbewegung der Anleger. "Normalerweise sollte der Dollar selbst steigen, denn in Krisenzeiten ziehen US-Anleger meist ihre Gelder aus dem Ausland ab." Der Dollar fiel auf 97,31 Yen von 98,50 Yen am Vortag. Zum Schweizer Franken büßte die US-Währung 0,4 Prozent auf 0,9190 Franken ein. Das britische Pfund notierte bei 1,5526 nach 1,5579 Dollar am Vorabend.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Euro-Referenzkurs gegen Mittag auf 1,3338 (Montag: 1,3361) Dollar festgesetzt. Ein Euro entspricht außerdem 130,07 Yen, 0,86090 Pfund Sterling und 1,2293 Schweizer Franken.
Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Daten zum Ifo-Geschäftsklimaindex am Vormittag rutschte der Euro-Kurs von seinem Niveau bei 1,3380 bis auf 1,3321 Dollar ab. Im Lauf des Nachmittags zog der Euro dann allerdings wider innerhalb von wenigen Minuten zum US-Dollar bis auf 1,3383 Dollar an. Starke Bewegungen gab es zeitgleich auch beim Preis für Gold. Der Preis für eine Feinunze des Edelmetalls stieg binnen Minuten um knapp 8 Dollar auf 1411,40 Dollar. Zuletzt notiert Gold bei 1418,60 Dollar. Der Preis für Silber liegt bei 24,50 Dollar je Feinunze klar über Vortagesniveau.
Marktbeobachter sprachen von einem schwankenden Euro-Dollar-Handel, Wirtschaftsdaten oder die Nachrichtenlage hätten aber wenig dazu beigetragen. "Die Reaktion etwa auf das Ifo-Geschäftsklima war sehr ungewöhnlich", sagte Experte Eugen Keller von Bankhaus Metzler. Der Euro war am Vormittag unter Druck geraten, obwohl sich die Wirtschaftsstimmung in deutschen Unternehmen aufgehellt hatte. Gegen Nachmittag sorgten dann robuste Konjunkturdaten aus den USA eher für Auftrieb beim Euro - eine ebenfalls unübliche Reaktion.
Militärschlag am Donnerstag?
"Vermutlich sind es die Medienberichte über einen Raketenangriff auf Syrien schon morgen, die den Dollar belasten", sagte ein Beobachter. Der US-Fernsehsender NBC berichtet unter Berufung auf einen ranghohen US-Beamten, die US-Streitkräfte könnten bereits am Donnerstag Syrien angreifen. Die Angriffe könnten demnach drei Tage andauern.
"Normalerweise profitiert der US-Dollar von solchen Nachrichten", bestätigte der Beobachter. Allerdings seien am Vormittag in größerem Ausmaß Euro-Long-Positionen gegen Dollar abgebaut worden. "Nachdem diese Orders platt gemacht wurden, fährt der Zug jetzt wieder in die andere Richtung", fügte der Marktteilnehmer hinzu.
"Spürbare Auswirkungen, insbesondere in Asien, hat die Syrien-Krise", sagte Bankhaus-Metzler-Analyst Keller. Ohnehin stehen viele Börsen und Währungen aufstrebender Ländern wie Indien oder Indonesien wegen der absehbaren geldpolitischen Wende in den USA unter Druck. Für zusätzliche Belastung sorgt nun die drohende militärische Intervention westlicher Länder in Syrien. Auch im Nachbarland Türkei trübte sich die Stimmung stark ein: Die Aktienkurse gaben deutlich nach, die Lira fiel zu Dollar und Euro auf neue historische Tiefstände.
Der eskalierende Konflikt um Syrien trieb die Anleger in Bundesanleihen, britische Staatsanleihen (Gilts) und US-Treasuries. Der Bund-Future stieg um 54 Ticks auf 140,59 Zähler. Entsprechend zog der Kurs der Bundesanleihe um 38 Ticks an, was die Rendite um vier Basispunkte auf rund 1,85 Prozent drückte. Der Gilt-Future stieg um mehr als einen vollen Punkt und damit sehr viel deutlicher als der Bund-Future. Auch die entsprechenden US-Anleihen waren gesucht: Ihre Rendite fiel um etwa drei Basispunkte auf 2,75 Prozent.
"Die Angst vor einer Eskalation in Syrien hat zu einer Flucht in die als sicher geltenden Staatsanleihen geführt", sagte ein Händler. Gute Konjunkturdaten würden dagegen ignoriert. Das gelte sowohl für den Ifo-Geschäftsklima-Index, der stärker als erwartet gestiegen war, als auch für das besser als erwartet ausgefallene Verbrauchervertrauen in den USA. "Normalerweise hätten die Daten die Anleihen schwächen und die Aktien stärken müssen", sagte ein Händler. Der Dax verharrte rund zwei Prozent im Minus.
Die geldpolitischen "Exit"-Überlegungen in den USA werden dabei nicht nur an den Handelsplätzen in New York, London oder Frankfurt mit wachsender Nervosität verfolgt: China hat angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten vor dem G20-Treffen in Russland die US-Notenbank zu Vorsicht beim Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik aufgefordert.
Peking kündigt Abwehr-Fonds an
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) müsse darüber nachdenken, wann und wie stark sie ihre Konjunkturstützen zurückfahre, um schädliche Auswirkungen auf Schwellenländer zu vermeiden, sagten Vizefinanzminister Zhu Guangyao und Notenbankvize Yi Gang. Spekulationen, die Fed könnte schon im September das Volumen ihrer Staatsanleihenkäufe reduzieren, hatte zuletzt die Währungen von Schwellenländern wie Brasilien, Indien, Indonesien oder der Türkei stark belastet und zum Teil auf Rekordtiefs fallen lassen. Zugleich gerieten die Börsen unter Druck.
Zentralbanker Yi sagte nun, derzeit werde über die Einrichtung eines 100 Milliarden Dollar umfassenden Devisenfonds durch die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gesprochen. China werde einen "großen Anteil" daran stellen, sagte er, ohne nähere Details zu nennen.
China werde seine Wirtschaftspolitik stabil halten, sagte Zhu. Konjunkturstützen für die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft werde es nicht geben. Die Regierung werde stattdessen die strukturellen Anpassungen beschleunigen, darunter den Abbau von Überkapazitäten. Die Regierung rechnet mit einem Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 7,5 Prozent in diesem Jahr.
Im asiatisch geprägten Devisenhandel hatten zuvor Sorgen wegen eines möglichen Militärschlags der USA gegen Syrien den Dollar gegen den Yen ins Minus gedrückt. US-Außenminister John Kerry hatte von klaren Beweisen für einen Giftgaseinsatz des Syrischen Regimes gegen Zivilisten gesprochen. Die Gefahr eines Angriffs der US-Streitkräfte dürfte die Anleger vor Risiken zurückschrecken lassen, merkte ein Händler einer japanischen Bank an. Dies belaste den Greenback und lasse Anleger Zuflucht in dem in Krisenzeiten als sicherer Hafen geltenden Yen suchen. Sollte die Marke von 98 Yen nach unten durchbrochen werden, sei der Weg in Richtung 97,50 Yen geebnet, ergänzt der Händler.
Zum n-tv.de Liveticker: Eskalation im Syrien-Konflikt
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts/DJ