Ausreißer oder Trendwende? Euro prescht über 1,25
04.06.2012, 06:43 Uhr
(Foto: REUTERS)
Die Schuldenkrise bleibt das beherrschende Thema am Devisenmarkt. Der Euro, am Morgen noch nach unten geprügelt, erholt sich im weiteren Handelsverlauf deutlich. Marktteilnehmer verweisen auf das anstehende Treffen der Zentralbanker G7-Staaten. Analysten bleiben aber äußerst skeptisch. Manche nehmen sogar das Wort "Parität" in den Mund.
Die Hoffnung auf neue Maßnahmen im Kampf gegen die Schuldenkrise hat den Euro am Montag zeitweise wieder über die Marke von 1,25 Dollar gehievt. Die Gemeinschaftswährung kletterte auf bis zu 1,2508 Dollar und notierte später bei 1,2472 Dollar.
Am Dienstagmorgen wollen die Finanzminister und führende Mitglieder der Zentralbanken der sieben größten Industriestaaten (G7) nach Angaben Kanadas in einer Telefonkonferenz über die Schuldenkrise beraten. Am Mittwoch steht das Thema auf der Agenda der Europäischen Zentralbank (EZB).
Analysten üben sich in Pessimismus
Nach Einschätzung von Analysten hat der Euro seine Talsohle indes noch nicht erreicht. Viele von ihnen halten angesichts der gravierenden Probleme in der Eurozone kurzfristig Kurse unter 1,20 Dollar für realistisch. Selbst die Parität zur US-Währung wird in den Szenarien der Experten durchgespielt. "Obwohl die Märkte überverkauft sind und die Stimmung schon sehr düster ist, hat die Erfahrung uns gelehrt, dass es unter genau diesen Bedingungen noch einmal richtig schlimm bergab gehen kann", sagt Stewart Richardson, der für den britischen Vermögensverwalter RMG die Investmentstrategie verantwortet.
Die Gemeinschaftswährung hat seit Monatsbeginn zeitweise rund 8 US-Cent - oder knapp sieben Prozent - an Wert verloren. Hauptgrund für die Talfahrt: Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wird inzwischen als realistisches Szenario gehandelt. Denn sollten die Spargegner vom Linksbündnis bei den Neuwahlen am 17. Juni gewinnen, halten viele Experten das für den einzig gangbaren Weg. Dazu kommt, dass der viertgrößten Euro-Volkswirtschaft, Spanien, die Kontrolle über ihre mit faulen Immobilienkrediten kämpfenden Banken zu entgleiten droht. Und die weltweite Konjunktur gibt eher Anlass zu Skepsis denn zu Hoffnung.
"Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir kurzfristig die Marke von 1,20 Dollar testen", sagt Helaba-Analyst Ralf Umlauf. Er hält es auch für möglich, dass der Euro unter die technisch wichtige Marke von 1,1875 Dollar fällt. So niedrig wurde die Gemeinschaftswährung zuletzt vor zwei Jahren gehandelt.
Einige Beobachter spekulieren schon über die Parität zum Jahresende hin. Zuletzt waren Euro und Dollar Anfang Dezember 2002 gleich bewertet. "Ich sehe die Parität nur, wenn die Wetten auf ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone deutlich stärker werden", sagt UniCredit-Analyst Armin Mekelburg zu diesen Gedankenspielen. "Griechenland allein macht den Euro nicht kaputt. Da müsste schon das Worst-Case-Szenario eintreten, dass auch Spanien, Italien, Portugal und Irland wieder mit in den Abwärtsstrudel gerissen werden."
Mekelburg sieht um "1,15 Dollar plus minus ein, zwei Cent" die Talsohle für den Euro erreicht. Schließlich hätten auch die USA ihre Probleme. Der Greenback profitiere wegen seiner hohen Liquidität einzig und allein vom Status als sicherer Hafen. Weder unter konjunkturellen noch unter zinsstrategischen Aspekten sei der Dollar derzeit attraktiv.
Mittelfristig, da sind sich die Experten einig, wird die Kursentwicklung des Euro eng mit den politischen Entscheidungen in der Euro-Zone korrelieren. Eine konkrete Prognose wagt derzeit kein Analyst. "Wir hängen an den Lippen der Politiker, aber deren Entscheidungen können wir beim besten Willen nicht vorhersagen", sagt einer von ihnen.
Quelle: ntv.de, bad/rts/DJ