Starker Zustrom ins Gold Euro starrt nach Brüssel
25.10.2011, 17:30 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Vor den anstehenden Entscheidungen zur Eindämmung der Schuldenkrise in Europa bricht an den Devisenmärkten unvermittelt neue Unruhe aus: Der Kurs der Gemeinschaftswährung gerät am Nachmittag ins Zittern. Der Preis für Gold zieht steil an. Überspannte Reaktionen fordern ihren Tribut.
Der Kurs des Euro hat sich am Tag vor dem EU-Gipfel zur Schuldenkrise nahe der Marke von 1,39 Dollar gehalten. Händler sprachen von einem "sehr nervösen" Handel mit teils kräftigen Kursschwankungen.
Im Nachmittagshandel stand die Gemeinschaftswährung am Dienstag bei 1,3881 Dollar. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Referenzkurs auf 1,3918 (Montag: 1,3856) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7185 (0,7217) Euro.
Einen Hinweis auf die Nervosität der Investoren lieferte am Nachmittag die Meldung über die Absage eines Treffens der EU-Finanzminister am Rande des Gipfels der Staats- und Regierungschefs. Das Treffen war überflüssig geworden, weil die Finanzminister ihr Programm bereits abgearbeitet hatten.
An den Finanzmärkten wurde die Absage für kurze Zeit aber fälschlicherweise als Absage des gesamten Gipfels interpretiert, woraufhin unter anderem auch der Kurs des Euro zeitweise auf ein Tagestief bei 1,3847 Dollar abstürzte.
Trotz der großen Nervosität rechnet der Markt weiter fest mit einem greifbaren Ergebnis beim EU-Schuldengipfel. "Die Märkte hoffen, dass irgendetwas kommt", beschrieb der Devisenexperte Lutz Karpowitz von der Commerzbank die Stimmung unter den Investoren. Daher dürfte der Euro nach der Veröffentlichung der Gipfelergebnisse in einer ersten Reaktion zunächst steigen. Nach Einschätzung von Karpowitz wird sich am Devisenmarkt aber schnell herausstellen, dass die eigentlichen Ursachen der Schuldenkrise der Eurozone auf dem Gipfel nicht beseitigt werden können.
Neben dem Euro stand aber auch der Kurs des japanischen Yen im Mittelpunkt des Interesses. Die asiatische Währung ist unter Anlegern als ein sicherer Hafen beliebt und der Kurs erreichte am Nachmittag im Handel mit dem Dollar den höchsten Wert seit Ende des Zweiten Weltkriegs. In der Spitze mussten für einen Dollar nur noch 75,84 Yen bezahlt werden.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,87010 (0,86910) britische Pfund, 105,98 (105,45) japanische Yen und 1,2253 (1,2280) Schweizer Franken fest.
Am Edelmetallmarkt hatte die aufkommende Unsicherheit einen starken Preissprung beim Gold ausgelöst. Am Spotmarkt zog die Notierung am Nachmittag binnen weniger Minuten um rund 35 Dollar an. Zuletzt notierte Gold bei 1686 Dollar. In London wurde der Preis für eine Feinunze Gold am Nachmittag noch mit 1656,00 (1652,00) Dollar gefixt. Ein Kilogramm Gold kostete 37.570,00 (37.660,00) Euro.
Anstieg Richtung Gipfel
Bis zum Nachmittag hatte sich die Gemeinschaftswährung auf den höchsten Stand seit Anfang September vorgeschoben. Händlern zufolge waren hauptsächlich kurzfristig orientierte Investoren aktiv, strategische Anleger hielten sich wie schon in den vergangenen Tagen zurück. Der Euro war in der Spitze bis auf 1,3960 Dollar gestiegen.
"Der Euro hält sich recht robust, und ich könnte mir vorstellen, dass wir noch vor dem EU-Gipfel die 1,40 Dollar sehen", hatte ein Händler die Aussichten vor dem steilen Absturz kommentiert. Irgendwie habe man sich mit einem Schuldenschnitt für Griechenland zwischen 50 und 60 Prozent abgefunden. "Und man vertraut darauf, dass der Gipfel am Mittwoch handfeste Ergebnisse bringt", sagte der Händler.
"Daneben habe ich den Eindruck, dass wieder verstärkt auf ein neues Geldlockerungsprogramm in den USA spekuliert wird, und das scheint den Dollar etwas zu schwächen." Am Montagabend hatte der einflussreiche Chef der Fed von New York, William Dudley, gesagt, dass er weitere Ankäufe von Staatsanleihen durchaus für möglich halte. Innerhalb einer Woche hat damit das dritte Mal ein Fed-Vertreter weitere Hilfen für die klamme US-Wirtschaft signalisiert.
Hauptthema in den Handelsräumen blieb der anstehende EU-Gipfel. Bislang zeichnet sich ab, dass der Rettungsfonds EFSF auf mehr als eine Billion Euro gehebelt werden soll. Zwei Varianten werden diskutiert; Investoren können offenbar mit beiden gut leben. "Ich sehe keine großen Unterschiede", sagte der Chef-Volkswirt der Deka Bank, Ulrich Kater. "Beide Optionen haben eine Chance auf Akzeptanz an den Finanzmärkten." Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibe die Ansteckungsgefahr. Einige Analysten fürchten, dass selbst eine Billion Euro nicht ausreichen wird, um im Zweifel auch Italien oder Spanien zu stützen.
Die spekulativen Marktteilnehmer seien im Euro tendenziell immer noch "short", hieß es in einer Einschätzung der Commerzbank. Sie setzten also auf eine schwächere Gemeinschaftswährung. Durch den steigenden Euro gerieten sie allerdings in Zugzwang. Von anderer Seite hieß es mit Blick auf den Brüsseler Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Schuldenkrise am Mittwoch, die Angst der Bären vor einer großen Lösung sei nun größer als die Angst der Bullen vor einem Scheitern.
Unterstützung bekommt der Euro aber auch aus den USA. Dort mehren sich die Stimmen, die nach einer weiteren Runde Quantitativer Lockerung durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) rufen. Besonders gegenüber dem Yen mache der Dollar einen labilen Eindruck, erklärte ein Experte der Commerzbank.
Fed pumpt, EZB kauft
Diskutiert wurde am Markt das weitere Vorgehen der Europäischen Zentralbank: Die Euro-Länder wollen die EZB beim Euro-Krisengipfel bisher unbestätigten Angaben zufolge zum fortgesetzten Aufkauf von Staatsanleihen strauchelnder Mitgliedstaaten auffordern. "Wir unterstützen die EZB vollkommen dabei, die Preisstabilität in der Euro-Zone zu sichern, einschließlich der unkonventionellen ('non-standard') Maßnahmen im derzeitigen außergewöhnlichen Finanzmarktumfeld", zitierte ein Insider die entsprechende Passage aus einem Entwurf für die Erklärung des Gipfels.
Dies sei so zu verstehen, dass sich die Euro-Länder für eine Fortsetzung der Anleihe-Käufe aussprechen werden. EU-Diplomaten hatten beim Gipfel am Sonntag erklärt, Frankreich sei dies wichtig, nachdem es von seiner Forderung nach einer Banklizenz für den Rettungsfonds EFSF abgerückt sei. Mehrere Notenbanker in der Euro-Zone hatten bisher aber signalisiert, die Anleihekäufe beenden zu wollen, sobald der Euro-Rettungsfonds EFSF die Möglichkeit zu Bondskäufen habe. Die EZB wollte sich dazu nicht äußern.
Weitere Impulse für den Devisenmarkt könnten vom Index für das US-Verbrauchervertrauen am Nachmittag ausgehen. Die Daten werden gegen 16.00 Uhr (MESZ) erwartet. Aus technischer Sicht gilt der Bereich um 1,3970 Dollar als starker Widerstand. Als unterstützt gilt die europäische Einheitswährung bei 1,37 Dollar.
Italien nicht lächerlich machen
Mit Blick auf die Renditen der italienischen Staatsanleihe rückte die Lage der Regierung in Rom in den Vordergrund. Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte sich gegen den Druck aus Paris und Berlin verwahrt und erklärt, kein Land in der Europäischen Union könne sich zum Lehrmeister aufschwingen. Die EU-Kommission versuchte daraufhin die Wogen zu glätten und sagte, mit dem Druck auf Italien gehe es nicht darum, die Regierung des Landes lächerlich zu machen oder deren Souveränität in Frage zu stellen. Dennoch müsse Italien konkrete Reformpläne vorlegen
Das italienische EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi forderte unterdessen, zur Lösung der Schuldenkrise sehr viel Geld in die Hand zu nehmen. "Es ist wichtig zu realisieren, dass eine finanzielle Auffanglösung proportional zur Größe des systemischen Risikos ausfällt, vor dem wir stehen", sagte Bini Smaghi laut einem am Dienstag veröffentlichten Redemanuskript bei einer Veranstaltung in der vergangenen Woche in Frankfurt.
Quelle: ntv.de, DJ/rts