Inside Wall Street Hohe Kosten im neuen China
13.08.2008, 17:46 UhrRechtzeitig zu den Olympischen Spielen scheint sich der Smog über dem Vogelnest verzogen zu haben. Jedenfalls ist auf den Fernsehschirmen kein grauer Nebel mehr zu sehen, und damit scheint China das wichtigste Ziel zu erreichen: Man will sich als modernes, sauberes Land vorstellen - als Partner für die ganze Welt.
Modern und sauber, nach diesen zwei Aspekten wird China seit geraumer Zeit umgebaut. Man bemüht sich um Umweltschutz, um Arbeitnehmerrechte und ähnliches - doch das passt nicht jeden. Denn was eigentlich Geschäftspartner anlocken sollte, kommt einige alte Freunde teuer zu stehen. Zahlreiche amerikanische Mittelständler leiden unter den Vorschriften im "neuen China".
Melanie Corpstein, etwa, die Gründerin und Chefin von Adorable Originals, eines kleinen Puppenhersteller aus Arizona. Die Firma produziert seit 2003 in China und verbucht für die letzten fünf Jahre einen Kostenanstieg um 20 Prozent. Schuld daran sei, so Corpstein, der "grüne Trend" im Land der Billigproduktion. Schärfere Abgasnormen hätten viele Unternehmen gezwungen, Technologien umzustellen und teure Filter in ihre Schornsteine zu bauen. Die Kosten dafür legen sie auf die amerikanischen Kunden um, denen damit die Margen weg brechen.
Auch Ted Hornbein passen die jüngsten Veränderungen nicht. Der Managing Director von Richco, einem Unternehmen aus Chicago, das Plastikbinder vertreibt, klagt über neue Gesetze, nach denen chinesische Unternehmen ihre Arbeiter für Überstunden bezahlen und ihnen zudem die Versicherung bezahlen müssen. Für ihn wäre die Produktion mit 20 Mitarbeitern so teuer gewesen, dass er in eine Maschine investiert habe, erklärt Hornbein. Die müsse aber mehrfach im Jahr ersetzt werden, was die Kapitalinvestitionen unverantwortlich hoch mache.
Die Beschwerden der beiden finden sich in dieser Woche in einem amerikanischen Wirtschaftsmagazin, und selbst in diesem Kontext sind sie an Schamlosigkeit nicht zu überbieten. Es ist ganz offensichtlich, dass Corbstein und Hornbein in der Vergangenheit ganz bewusst darauf gesetzt hatten, dass chinesische Arbeiter ausgenutzt werden und Umweltschutz nicht stattfinden. Doch solche Missstände zu nutzen, ist eine Sache. Auf deren Beibehaltung zu pochen, eine ganz andere.
Sie entspricht aber dem amerikanischen Selbstverständnis, das in den letzten Jahren in eine üble Richtung abgedriftet ist. Der Verbraucher will immer mehr immer billiger, und dabei ist ganz egal, auf wessen Kosten die Konsumgier geht.
Ganz so drastisch ist die Lage bei Alden Mills von Perfect Pushups nicht. Der Unternehmer, dessen Firma seit 2004 Fitness-Geräte in China herstellt und in den USA verkauft, hat die Herstellungskosten um bis zu 40 Prozent anziehen gesehen, was aber vor allem mit höheren Rohstoffpreisen zu tun hat. China leidet unter dieser Entwicklung doppelt. Denn nicht nur die Fertigung der Produkte wird teurer, sondern vor allem deren Transport zum Kunden.
Auch die Brüder Jason und Rodney Carr jammern über höhere Kosten nach Abschluss der Produktion. Denn seit letztem Jahr hat die chinesische Regierung vielen Konzernen die jahrelang genutzten Steuervergünstigungen gestrichen. Vor allem Firmen mit schlechter Umweltbilanz hat es erwischt, und damit auch die Textilfabriken, in denen die Amerikaner seit zehn Jahren Stoffe für Softline Home Fashions herstellen lassen.
So zeigt sich, dass der Wandel in China - der dringend notwendig ist - nicht überall auf positives Echo stößt. China präsentiert sich zu den Olympischen Spielen als modernes Land und hat in vielen Bereichen eine Erneuerung auch tatsächlich geschafft. Doch hat sie einen Preis.
Quelle: ntv.de