"Es ist schon sehr ungewöhnlich" US-Börsen schließen verunsichert
15.07.2014, 23:43 Uhr
Janet Yellen spricht, die Börsen wackeln: Die Anhörung der US-Notenbankchefin vor dem US-Kongress wurde im Handelssaal der Nyse live übertragen.
(Foto: dpa)
Die Worte von Fed-Chefin Yellen dürften an der Wall Street noch lange nachhallen. Die Währungshüterin versetzt dem Börsengeschehen mit Äußerungen über eine hohe Bewertung einzelner Hightech-Werte einen Dämpfer.
Die US-Berichtssaison zum zweiten Quartal kommt langsam in Schwung: An der New Yorker Wall Street geben die Ergebnisse aus dem US-Bankensektor am zweiten Handelstag die Richtung vor. Konjunkturdaten und eine Mega-Übernahme im Tabaksektor liefern positive Impulse. Fed-Chefin Janet Yellen sorgt dagegen zwischenzeitlich mit Äußerungen zum Börsenwert einzelner Hightech-Werte für Unruhe.
Der Dow-Jones-Index ging am Abend mit einem hauchdünnen Plus von 0,03 Prozent auf 17.060,68 Punkten aus dem Handel. Im frühem Verlauf war der US-Leitindex mit seinen 30 Standardwerten noch auf ein neues Rekordhoch bei 17.120 Punkten gestiegen. Der marktbreite S&P 500 beendete den Tag 0,19 Prozent im Minus bei 1973,28 Punkten. An der Technologiebörse Nasdaq gab der Auswahlindex Nasdaq 100 um 0,38 Prozent auf 3914,45 Punkte nach.
Börsianer begründeten die Zurückhaltung der Investoren mit Aussagen der US-Notenbankchefin Janet Yellen. Die oberste Währungshüterin der USA äußerte Bedenken hinsichtlich einiger Unternehmen in der Biotech- und der IT-Branche. Die Bewertungen erschienen ihr im historischen Vergleich recht hoch, hieß es. An der Nasdaq gaben die Kurse daraufhin zeitweise deutlich nach.
"Ihre Bedenken mit Blick auf die Bewertung einiger Branchen stoßen vielen Investoren auf", sagte Portfoliomanager Stefan de Schutter von Alpha Wertpapierhandel. "Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass sich die Fed zu bestimmten Branchen äußert", ergänzte ein Marktstratege. "Daher drücken die Aussagen auf die Kurse." Bei einigen Anlageklassen gebe es Anzeichen, dass die Risikobereitschaft der Investoren gestiegen sei, warnte Yellen. Weitergehend äußerte sich die Fed-Chefin allerdings nicht.
Bei einer Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats bekräftigte Yellen zudem die geldpolitische Haltung der Zentralbank. Sie wiederholte frühere Äußerungen, wonach eine Zinsstraffung von der wirtschaftlichen Lage abhänge. Sie bestätigte auch, dass die Notenbank ihre bereits dritte Runde von Anleihekäufen voraussichtlich im Oktober einstellen werde.
Fed-Chefin Yellen signalisierte damit in den Augen der Markteilnehmer trotz der fortschreitenden Erholung der US-Wirtschaft ein weiter niedriges Zinsumfeld. Die Erholung der US-Wirtschaft sei noch nicht abgeschlossen und zu viele Amerikaner seien immer noch arbeitslos, sagt die Währungshüterin bei ihrer halbjährlichen Anhörung vor dem US-Kongress. "Ein hoher Grad an geldpolitischer Hilfe für die Konjunktur bleibt angemessen", sagte Yellen.
Die im Tagesverlauf veröffentlichten Konjunkturdaten fielen unterdessen gemischt aus. So hatte sich die Stimmung der Industrie im US-Bundesstaat New York deutlich aufgehellt, während die Einzelhändler in den USA weniger Umsatz erzielt hatten als erwartet.
Starke Zahlen aus der Bankenbranche
Positive Nachrichten kamen dagegen von Unternehmensseite. Die Banken JP Morgan und Goldman Sachs überzeugten die Anleger mit ihren Quartalsberichten. Die Reihe positiver Quartalszahlen von US-Banken setzt sich damit fort.
Nach der Citigroup hätten nun auch JP Morgan und Goldman Sachs überzeugt, meinte ein Händler. Das trage zur Beruhigung bei, nachdem der Bankensektor mit den Problemen der Banco Espirito Santo wieder auf den Radarschirmen der Investoren aufgetaucht sei. Sicherlich sei der US-Bankensektor nicht mit dem europäischen gleichzusetzen. Dennoch setzten die US-Zahlen ein positives Signal für den Sektor, denn die Erwartung der Anleger im Vorfeld der Berichtssaison sei gering gewesen, heißt es.
Bei den Geschäftszahlen wartete JP Morgan Chase mit einem überschaubaren Gewinnrückgang auf. Im zweiten Quartal verdient die größte US-Bank 6,0 Milliarden Dollar und damit 8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch muss JP Morgan mehr Geld für Kreditausfälle zur Seite legen und Kosten für Rechtsstreitigkeiten verdauen. Die Erträge - die gesamten Einnahmen - schrumpfen um 3 Prozent auf 24,5 Milliarden Dollar. Mit den Ergebnissen übertrifft das New Yorker Geldhaus aber die Erwartungen der Analysten. Die Titel schlossen 3,5 Prozent im Plus.
Goldman Sachs meldete für das zweite Quartal einen Anstieg des Gewinns je Aktie auf 4,10 US-Dollar. Analysten haben dagegen mit einem Rückgang auf 3,05 Dollar von 3,70 Dollar im Vorjahreszeitraum gerechnet. Ein Boom bei Fusionen und Übernahmen - das Volumen ist auf die höchsten Werte seit der Finanzkrise gestiegen - stützte die Ergebnisse. Die Einnahmen im Investmentbanking kletterten um 15 Prozent. Der Bereich Investing & Lending legte sogar um fast die Hälfte zu und steigerte die Einnahmen auf 2,1 Milliarden Dollar. Auf diesem Weg gelingt es Goldman, konzernweit die Einnahmen um 6 Prozent auf 9,1 Milliarden Dollar auszuweiten. Die Goldman-Aktien gewannen 1,3 Prozent.
Übernahme im Tabak-Geschäft
Ein echter Mega-Deal lenkte die Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer auf eine zuletzt eher vernachlässigte Branche: Die US-Tabakkonzerne Reynolds American und Lorillard sind sich handelseinig geworden. Sie vereinbarten eine Übernahme durch Reynolds im Volumen von 27,4 Milliarden Dollar.
Der Anbieter von Camel und Pall-Mall-Zigaretten übernimmt dafür den kleineren Wettbewerber komplett. Lorillard ist vor allem für seine beliebten Mentholzigaretten Newport bekannt. In der Branche war bereits monatelang über die Transaktion spekuliert worden. Vor wenigen Tagen hatte Reynolds Verhandlungen bestätigt. Die Aktien von Reynolds American brachen um 6,9 Prozent ein.
J&J denkt um
Johnson & Johnson (J&J) will sich verstärkt dem Bereich der Immunonkologie als neuem Forschungsbereich widmen. Die Entwicklung der medikamentösen Therapie in diesem vielversprechenden Feld, in dem sich Unternehmen wie Merck oder Bristol-Myers engagieren, zielt darauf, das Immunsystem aktiv an der Bekämpfung der Krebszellen zu beteiligen. Nach Angaben von Paul Stoffels, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei J&J, kooperiert sein Unternehmen derzeit mit dem Dana-Farber Cancer Institute in Boston bei einer Lungenkrebstudie. Nach seinen Angaben wird die Immunonkologie für J&J künftig zu den wichtigsten Forschungs- und Entwicklungsbereichen gehören. Die J6J-Papiere verloren knapp 2 Prozent.
Knapp 10 Prozent nach oben ging es dagegen für die Aktien des Chemiekonzerns Rockwood. Der Rivale Albemarle hat ein Übernahmeangebot in Höhe von 6,2 Milliarden Dollar vorgelegt. Nachbörslich legen mit Intel und Yahoo noch zwei Schwergewichte ihr Zahlenwerk für das zweite Quartal vor.
An der New York Stock Exchange wechselten rund 730 Millionen Aktien den Besitzer. 1029 Werte legten zu, 1997 gaben nach und 151 blieben unverändert. An der Nasdaq schlossen bei Umsätzen von 1,73 Milliarden Aktien 749 im Plus, 1907 im Minus und 135 unverändert.
Die US-Kreditmärkte bewegten sich nach den Äußerungen Yellens nur in engen Spannen. Die zehnjährigen Staatsanleihen notierten zuletzt unverändert bei 99-18/32. Die Rendite betrug 2,5486 Prozent. Der 30-jährige Bond legte 1/32 auf 100-4/32 zu und rentierte mit 3,3673 Prozent. Händler interpretierten die Bemerkungen der Notenbankchefin dahingehend, dass die Leitzinsen nicht früher als erwartet erhöht werden.
Quelle: ntv.de, bad/DJ/dpa/rts