Inside Wall Street US-Airlines wollen aus der Krise
31.05.2007, 17:59 UhrDie Börsenkolumne aus New York von Lars Halter
Es ist ein historischer Tag für die amerikanische Airline-Branche: Zum ersten Mal seit fünf Jahren befindet sich keine der großen Fluggesellschaften im Gläubigerschutz. Mit Northwest Airlines fliegt am Donnerstag der letzte große Carrier aus der Restrukturierung - aber keineswegs in eine sorglose Zukunft.
Douglas Steenlands Lächeln wirkte etwas gezwungen, als er am Donnerstagmorgen die Eröffnungsglocke an der New York Stock Exchange läutete. Dabei hätte der CEO von Northwest Airlines eigentlich Grund zur Freude gehabt. Fast zwei Jahre nachdem die Aktie an der Nasdaq aus dem Handel genommen wurde, gibt es ein neues Papier unter dem Tickerkürzel NWA. Man hat 20 Monate lang umgebaut, den Schuldenberg um 4,2 Mrd. US-Dollar abgebaut und 2,4 Mrd. US-Dollar an jährlichen Kosten gesenkt. Sowohl die Flugzeuge als auch die Aktie könnten nun steil in den Himmel steigen.
Werden sie aber wohl nicht. Anleger sehen den Neustart von NWA mit der gleichen Skepsis, mit der die ganze Branche betrachtet wird. Die allgemeinen Probleme der großen Fluggesellschaften sind lange bekannt, vor allem die Konkurrenz der Billig-Flieger und die hohen Preise für Flugbenzin, die gemeinsam die Margen erschüttern.
Bei Northwest kommt ein weiteres Problem hinzu: Die Mitarbeiter sind schwer frustriert. In zähen Verhandlungen haben die größtenteils gewerkschaftlich organisierten Angestellten Lohneingeständnisse von 1,4 Mrd. US-Dollar gegeben. Wenige Tage vor dem Börsenstart haben sie erfahren, dass dem Top-Management für das laufende Jahr dicke Prämien in die Verträge geschrieben wurden. Bis zu 20 Mio. US-Dollar kann allein CEO Steenland an Aktien und Optionen einstreichen, während Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal ihre privaten Haushaltspläne zusammenstreichen müssen.
Vor allem in einer Service-orientierten Branche wie dem Flugsektor ist es gefährlich, frustrierte und unmotivierte Mitarbeiter zu haben. Überträgt sich deren miese Stimmung auf die Kunden, ziehen die schnell zur Konkurrenz weiter. Umso unverständlicher ist, dass das Management von Northwest Airlines aus den Fehlern der Vergangenheit - auch denen der Konkurrenten - nichts gelernt hat. Vor vier Jahren wurde CEO Don Carty bei American Airlines mit Schimpf und Schande davon gejagt, nachdem Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften gescheitert waren. Diese hatten bereits auf 1 Mrd. US-Dollar an Löhnen und Gehältern verzichtet und dann erfahren, dass das Management an eigenen Boni über 41 Mio. US-Dollar festhalten wollte.
Zurück zu Northwest: Der Fehlstart disqualifiziert das Unternehmen nicht zwingend von einem erfolgreichen Neubeginn. Branchen-Analysten sehen das Unternehmen in einer guten Marktposition, vor allem wegen dessen Dominanz an den Verteiler-Flughäfen in Detroit und Minneapolis. Diese mache es dem Unternehmen möglich, für schnellere Anbindungen höhere Ticketpreise zu verlangen als die Konkurrenz.
Andere setzen auf Konsolidierung, die etwas Konkurrenzdruck aus dem Markt nehmen könnte. Eine Übernahme von Northwest durch Delta Air Lines wird von Branchen-Insidern nicht ausgeschlossen. Zuletzt schlossen sich vor zwei Jahren US Airways und American West zusammen, was seinerzeit American West vor der Pleite bewahrte.
Bevor allerdings entsprechende Verhandlungen geführt werden, dürften die Chefs sämtlicher Fluggesellschaften zumindest einmal den Sommer abwarten. Man steht vor der ersten Reise-Saison, an der die gesamte Branche außerhalb des Gläubigerschutzes gegeneinander antritt und kann nun die Fronten klären.
Quelle: ntv.de