Marktberichte

Wall-Street-Vorschau US-Börsianer fürchten die Klippe

Wie geht es nach der Wahlwoche weiter an der Wall Street? Erst einmal die veröffentlichte Meinung durchklicken.

Wie geht es nach der Wahlwoche weiter an der Wall Street? Erst einmal die veröffentlichte Meinung durchklicken.

(Foto: dpa)

Die Wahl ist kaum vorüber, schon schieben sich die unausweichlichen Probleme im US-Staatshaushalt an der Wall Street wieder in den Vordergrund: Schon in der kommenden Woche wird sich nach Einschätzung von Beobachtern zeigen, wie Anleger mit den Risiken des "fiscal cliff" umgehen.

Nach der Wahl steuern die US-Börsen auf unruhiges Fahrwasser zu: Die Furcht vor der sogenannten Fiskalklippe droht den Handel an der New Yorker Wall Street schon in der kommenden Woche zu überschatten. Nach der Wiederwahl von Präsident rückt der seit Monaten schwelende Haushaltsstreit zwischen Demokraten und Republikanern immer stärker in den Fokus der Anleger. Sie fürchten einen Rückfall in die Rezession, sollten sich die beiden Parteien im Kongress nicht bald auf einen Kompromiss einigen. Denn dann würden zum Jahreswechsel automatisch Steuererhöhungen und Einsparungen im Volumen von 600 Mrd. Dollar einsetzen, die nach Einschätzung von Experten die US-Wirtschaft in eine neue Krise manövrieren könnten.

Schon unmittelbar nach dem unerwartet klaren Wahlsieg zur Wochenmitte, schwenkte die Wall Street in Richtung Süden um. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte beendete die Handelswoche mit einem Abschlag von 2,1 Prozent. Der breiter gefasste S&P-500 fiel auf Wochensicht um 2,4 Prozent - sein höchster Wochenverlust seit Juni. Der Composite-Index der Technologiebörse Nasdaq verlor sogar 2,6 Prozent. "Es gibt zwar noch keinen Grund zur Panik, aber der Markt wird sich in den kommenden Monaten wohl eher nach unten bewegen", sagte Analyst Frank Gretz vom Brokerhaus Wellington Shields & Co. "Ich denke, die nächste Rally wird eine Verkaufsrally sein."

Auch aus dem Lager der charttechnisch orientierten Marktbeobachter waren nur Unkenrufe zu vernehmen: Der aus 500 Einzelwerten zusammengesetzte S&P habe zum Ende der Woche wichtige Unterstützungslinien gerissen, hieß es. Ein weiterer Rückgang könnte den Experten zufolge eine neue Verkaufswelle auslösen.

Hauptsorge der Investoren bleibt dabei auch hier die drohenden Fiskalklippe (" "): Die Aussicht auf höhere Abgaben an den Fiskus nahmen die Anleger bereits zum Verkauf von Aktien zum Anlass, um ihre Steuerlast auf Wertpapierpositionen zu drücken.

"Man sollte meinen, dass die Szenarien der Fiskalklippe bereits eingepreist sind, aber das sind sie nicht. Es scheint vielmehr so zu sein, dass der Markt an einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidet und sich immer nur auf eine Sache konzentrieren kann", sagte Natalie Trunow von Calvert Investment Management.

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hält das Risiko weiterhin für gering, dass US-Politiker keinen Kompromiss in Haushaltsfragen finden und so zum Jahreswechsel automatische Einsparungen in Milliardenhöhe in Gang setzen. Die Gefahren der "Fiskalklippe" wüchsen zwar, aber wahrscheinlich würden Demokraten und Republikaner noch rechtzeitig zusammenfinden, erklärte die Agentur. Die S&P-Analysten bezifferten die Wahrscheinlichkeit auf etwa 15 Prozent, dass politisches Taktieren einen Kompromiss verhindert. S&P hatte den USA bereits im vergangenen Jahr und dies auch mit dem erbitterten Streit im Kongress über die Haushaltspolitik begründet.

Die Nervosität am Markt ließ sich dadurch kaum befrieden: Auch die Einladung von Obama zu einem mit den Fraktionsspitzen beider Kongressparteien konnte die Anleger kurz vor dem Wochenende nicht beruhigen. Seine Forderungen schürten eher die Furcht, dass ein Kompromiss in weiter Ferne liegt. Sollte es aber doch anders kommen, rechnen Experten mit einem schnellen Stimmungsumschwung an den Börsen.

Das Weihnachtsgeschäft beginnt

"Wenn der Markt eine Lösung bei der Fiskalklippe oder der Schuldenkrise in Europa oder einem der anderen wirtschaftlichen Probleme vorausahnt, kann er auch leicht wieder durchstarten", sagte Adam Sarhan von Sarhan Capital. So sorgten Nachrichten von den US-Konsumenten zum Wochenausklang . Ihre Stimmung ist so gut wie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr. Der Index für das Verbrauchervertrauen im November stieg nach vorläufigen Berechnungen von Thomson Reuters und der Universität Michigan unerwartet kräftig auf 84,9 Zähler von 82,6 Punkten im Vormonat.

Davon profitieren könnten auch die Einzelhändler, von denen einige Branchengrößen wie Weltmarktführer Wal-Mart, Target und Home Depot in der kommenden ihre Quartalsbilanz vorlegen.

Vor allem die Aussichten für das wichtige Weihnachtsgeschäft dürften die Anleger interessieren, sagte Rick Meckler von LibertyView Capital. Zumal die bisherige Berichtssaison in den USA eher mau verlief. Vor allem die Umsätze der Unternehmen waren enttäuschend. Nur 38 Prozent der 449 Konzerne des S&P-500, die bislang ihre Zahlen veröffentlicht haben, konnten die Markterwartungen übertreffen.

Durchmischt ins Wochenende

Vor dem Wochenende war der Dow-Jones-Index belastet durch deutliche Verluste der Disney-Aktien nur um 0,03 Prozent auf 12.815,39 Punkte vorgerückt. Tags zuvor hatte er noch auf dem tiefsten Stand seit Juli geschlossen. Für den marktbreiten S&P500-Index ging es am letzten Handelstag der vergangenen Woche um 0,17 Prozent auf 1379,85 Punkte nach oben. Die Indizes der Technologiebörse Nasdaq legten ebenfalls zu: Der Composite Index stieg um 0,32 Prozent auf 2904,87 Punkte und der Auswahlindex Nasdaq 100 zog um 0,45 Prozent auf 2584,10 Punkte an.

Der Euro blieb im New Yorker Handel unter Druck und notierte zuletzt bei 1,2712 US-Dollar. Die als sicher geltenden, richtungweisenden zehnjährigen US-Staatsanleihen stiegen um 2/32 auf 100 3/32 Punkte. Sie rentierten mit 1,612 Prozent. Zum Wochenausklang habe die Risikofreude der Investoren einen Dämpfer erhalten, sagten Börsianer mit Blick auf den neuen Realismus nach der Wahlwoche.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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