Devisen-Vorschau Wacklige Euro-Erholung
20.06.2010, 14:23 UhrEine Erleichterungsrally bestimmt die Euro-Erholung. Die Schlagzeilen um die Schuldenkrise in der Eurozone haben in ihrer Dramatik in den vergangenen Tagen an Schärfe verloren. "Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", warnen Experten.
Ein mittlerweile ungewohntes Bild prägt gegenwärtig das Geschehen am Devisenmarkt. Der von vielen bereits abgeschriebene Euro hat zum Gegenschlag ausgeholt und sich in einem langen Atemzug von Niveaus von unter 1,1900 US-Dollar bis Richtung 1,2400 US-Dollar vorgearbeitet. Einige Beobachter sprechen bereits von einer sich abzeichnenden Bodenbildung mit einem neuen Unterstützungssockel für die Einheitswährung. An diesem optimistischen Bild sind allerdings Zweifel angebracht, denn die Gründe für den Anstieg überzeugen nicht.
Die Euro-Erholung ist vor allem eine Erleichterungsrally. Die Schlagzeilen um die Schuldenkrise in der Eurozone haben in ihrer Dramatik in den vergangenen Tagen an Schärfe verloren. Dazu beigetragen haben unter anderem eine Reihe erfolgreicher Auktionen seitens der Peripheriestaaten, allen voran in Spanien, wo auch Papiere mit langer Laufzeit am Markt platziert werden konnten. Angesichts der Tatsache, dass allerdings jeden Monat und das über Jahre hinweg hohe Milliardenbeträge der Refinanzierung harren, macht eine Schwalbe noch keinen Sommer.
Vorsicht vor Fehltritten
Jeder Fehlschritt in dem schwierigen Balanceakt zwischen Haushaltskonsolidierung und wirtschaftlicher Erholung, jeder Rückschlag bei den Sparplänen kann neue Verwerfungen am Bondmarkt auslösen. Völlig unklar ist auch, inwieweit und wie lange das Wahlvolk die Konsolidierungsbemühungen der Regierungen unterstützen wird. Daneben wird der Euro-Rettungsschirm nur dann zum Erfolg, wenn die erkaufte Zeit dazu genutzt wird, den europäischen Bankensektor nachhaltig zu stabilisieren. Die fundamentalen Probleme bleiben ungelöst.
Zahlreiche europäische Institute aus der Peripherie haben seit Ausbruch der Schuldenkrise entweder keinen oder nur unzureichenden Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Damit wird die Europäische Zentralbank (EZB) zunehmend zur wichtigsten Refinanzierungsquelle für die Branche, und das zu einer Zeit, in dem die Zentralbank bereits vollauf damit beschäftigt ist, durch Bondkäufe den Anleihemärkten der Peripherieländer Leben einzuhauchen. Damit besteht die Gefahr, dass die EZB ihre Politik der quantitativen Lockerung, oder Geldpresse im Volksmund, wird ausweiten müssen - eine Entwicklung, die klar negativ für den Euro wäre.
Demgegenüber bereitet die Federal Reserve den Rückzug aus den geldpolitischen Sondermaßnahmen vor, wenngleich der Leitzins noch bis weit ins kommende Jahr auf niedrigstem Niveau verharren wird. Die Offenmarktsitzung der US-Notenbank in der kommenden Woche wird vor diesem Hintergrund wenig zu bieten haben. Gefahr droht dem Euro auch von der Konjunkturseite, denn jeder Rückschlag der weltweiten Wirtschaftserholung sollte die Einheitswährung belasten, da Enttäuschungen eine quasi-automatische Rückkehr in die Reservewährung Dollar auslösen dürften.
US-Konjunktur macht Sorgen
Und mit einem schwachen Arbeitsmarkt, wieder rückläufigen Einzelhandelsumsätzen, einbrechenden Baubeginnen und einer Scheitelbildung bei den Frühindikatoren ziehen wieder dunkle Wolken am amerikanischen Himmel auf; Wolken, die bislang von den Finanzmärkten vollkommen ignoriert worden sind. Mit Blick auf die Eurozone ist die jüngste Enttäuschung beim ZEW-Index ebenfalls ein Warnsignal. Entsprechend spannend wird die Bekanntgabe des ifo-Geschäftsklimaindex am kommenden Dienstag. Die Analysten der Commerzbank erwarten, dass der Index im Juni sein Niveau von 101,5 halten konnte.
Wie lange kann sich die Euro-Erholung noch hinziehen? Die Antwort lautet: noch eine ganze Weile. Denn die extreme Shortpositionierung im Euro, die seit Jahresbeginn an den Derivatemärkten aufgebaut wurde, spricht dafür, dass die Erholung noch nicht zu Ende ist. Durch den anhaltenden Anstieg in der Einheitswährung sieht sich eine zunehmende Zahl von Investoren genötigt, ihre Positionen einzudecken, was wiederum weiteren Eindeckungsbedarf bei anderen Teilnehmern auslöst.
Es entsteht ein positiver Rückkopplungskreislauf, der sich in steigenden Notierungen widerspiegelt, und so lange anhalten kann, bis die Short-Überhänge abgebaut sind. Nach Einschätzung von Morgan Stanley kann die Erholung den Euro noch bis in den Bereich von 1,2500 bis 1,3000 US-Dollar tragen, im Anschluss werde die Einheitswährung wieder ihren strukturellen Abwärtstrend gegen den Dollar aufnehmen. Dieser werde die Einheitswährung dann noch im laufenden Jahr bis auf ein Tief von 1,12 US-Dollar führen.
Quelle: ntv.de, Manuel Priego-Thimmel, DJ