Erst pfui, dann hui Wall Street legte zu
14.08.2002, 22:10 UhrAm Dienstagnachmittag verdarb der schwache Ausblick der US-Notenbank den Anlegern noch kräftig die Laune - am Mittwoch hat sich die Aufregung bereits wieder gelegt. Nach verhaltenem Start ging es dann auch ordentlich ins Plus. Der Dow Jones gewann 3,1 Prozent auf 8.743 Punkte, für die Nasdaq ging es 5,1 Prozent auf 1.334 Punkte nach oben.
Die US-Notenbank warnte am Dienstag erstmals seit März wieder vor einer weiteren wirtschaftlichen Abschwächung, ließ die Leitzinsen aber erwartungsgemäß unverändert. In dem eher trüben Konjunkturausblick sahen Experten allerdings ein Signal für eine mögliche Zinssenkung im weiteren Jahresverlauf. Fazit der Erklärung der US-Notenbank sei schlicht, dass die Konjunktur sich wieder abkühle, so ein Händler. Das habe am Dienstagabend für deutliche Abschläge gesorgt und die Stimmung merklich eingetrübt.
Von der Konjunkturseite gab es auch am Mittwoch Neuigkeiten. Die US-Lagerbestände sind im Juni um 0,2 Prozent gestiegen und lagen damit über den Erwartungen von Analysten, die mit unveränderten Lagerbeständen gerechnet hatten.
Der weltgrößte Computerkonzern IBM will eigenen Angaben zufolge bis Ende September insgesamt rund 15.600 Stellen abbauen. Die meisten der betroffenen Stellen seien im Dienstleistungsbereich, so der Konzern. Analysten hatten einen Abbau von etwa 10.000 Stellen erwartet. Die Computerbranche leidet unter einem stagnierenden Absatz bei Unternehmenskunden. Die Aktie legte 4,2 Prozent auf 74,92 Dollar zu.
Der weltgrößte Ausrüster von Chipfabriken, Applied Materials, hat im abgelaufenen dritten Quartal einen Gewinn von 7 Cent je Aktie erwirtschaftet und lag damit 2 Cent über den Erwartungen der Analysten. Für das laufende Quartal warnte der Konzern allerdings vor einem Auftragsrückgang um bis zu 15 Prozent. Die Aktie verbesserte sich um 7,1 Prozent auf 14,42 Dollar.
Der Firmen- und der Finanzchef des weltgrößten Medienkonzerns AOL Time Warner haben sich einem Medienbericht zufolge nun offenbar doch entschieden, mit ihren Unterschriften die Korrektheit der Unternehmensbilanzen noch an diesem Mittwoch fristgerecht zu attestieren. Dies habe das Unternehmen am späten Dienstagabend nach Beratungen von Konzernchef Richard Parsons und Finanzchef Wayne Pace entschieden, so der Bericht. Die Aktie schloss mit 2,3 Prozent bei 11,05 Dollar im Plus.
Im Blickpunkt der Anleger stand auch die Aktie von Interpublic. Der Werbekonzern muss nach eigenen Angaben seine Bilanzen über mehrere Jahre überprüfen, nachdem 68,5 Millionen Dollar an falsch verbuchten Gebühren aufgetaucht waren. Im zweiten Quartal hat Interpublic zudem die Erwartungen der Analysten verfehlt und korrigierte seine Planungen für das Gesamtjahr nach unten. Die Aktie konnte sich dennoch um 8,1 Prozent auf 17,06 Dollar verbessern.
Der TV-Sender Fox Entertainment, zu dem die US-Film- und TV-Bereiche der australischen News Corp. gehören, hat im vierten Quartal einen Gewinn von 5 Cent je Aktie nach 24 Cent im vergleichbaren Vorjahresquartal erwirtschaftet. Analysten hatten im Schnitt mit einem Gewinn von 6 Cent je Anteilsschein erwartet. Die Aktie legte 1,6 Prozent auf 20,20 Dollar zu.
Für eine positive Gewinnüberraschung sorgte der Einzelhändler Federated Department Stores. Der Konzern hat im abgelaufenen Quartal 66 Cent je Aktie verdient, mehr als Analysten erwartet hatten. Für den Rest des Jahres wurden die Prognosen bestätigt. Die Aktie legte 7,1 Prozent auf 34,83 Dollar zu. Zum Konzern gehören unter anderem die Kaufhausketten Macy's und Bloomingdale's.
Einen kräftigen Rückschlag hat das Biotechnologieunternehmen Cryolife erlitten, das künstliches menschliches Gewebe für Transplantationszwecke herstellt. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das Unternehmen aufgefordert, nach dem 3. Oktober 2001 hergestelltes Gewebe aus dem Verkehr zu ziehen und zu vernichten. Cryolife habe nicht nachweisen können, dass die Kulturen keimfrei sind. Anlass für die Untersuchungen der FDA war der Tod eines Kniepatienten im November 2001, der vermutlich auf kontaminiertes Gewebe zurückzuführen war. Die Cryolife-Aktie brach um 42 Prozent auf 5,50 Dollar ein, ehe sie vom Handel ausgesetzt wurde.
Der Hersteller von Datenspeicher-Computern Network Appliance hat am Dienstagabend Quartalszahlen vorgelegt, die über den Erwartungen der Wall Street lagen. Mehr noch dürfte aber der optimistische Ausblick auf das laufende Quartal die Anleger begeistert haben. Die Aktie gewann 27,7 Prozent auf 9,00 Dollar.
Erneut kräftig unter Druck stand die Aktie von UAL, der Mutter von United Airlines, die 10,6 Prozent auf 2,45 Dollar abgab. Nachbörslich wurde dann bekannt, was viele schon vermutet hatten: der Airline steht das Wasser bis zum Hals. Allein im vierten Quartal werden Verbindlichkeiten von 875 Millionen Dollar fällig, die das Unternehmen nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht aufbringen kann. In den kommenden Tagen soll der Belegschaft ein neues Kostensenkungsprogramm unterbreitet werden. Sollten die Verhandlungen scheitern, sei der Gang zum Konkursrichter unausweichlich. Nach Börsenschluss brach der Kurs um weitere zehn Prozent ein.
Quelle: ntv.de