Merkel und Amazon schocken Wall Street zittert deutlich
25.10.2011, 22:40 Uhr
Scharfer Schnabel: Der Weißkopfseeadler ist das Wappentier der USA.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Vor dem EU-Gipfel reagieren die Anleger in New York extrem empfindlich auf Unsicherheitssignale aus Europa: Anders als vorbörslich erwartet, gehen die Notierungen an der Wall Street deutlich auf Tauchstation. Händler verweisen auf die schwachen Konsumsignale und die Worte der deutschen Regierungschefin. Nachbörslich schockt Amazon noch zusätzlich.
Die ungelöste Schuldenkrise in Europa und enttäuschende Ausblicke von US-Unternehmen haben am Dienstag für deutliche Kursrückgänge an der Wall Street gesorgt. Die Aussage, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einem EU-Entwurf zur Rolle der Europäischen Zentralbank in der Krise nicht zustimme, habe die zuvor herrschende Euphorie angesichts guter Unternehmenszahlen wieder zerstört, sagten Händler.
Die Bundeskanzlerin wies einen in Brüssel zirkulierenden Entwurf für eine Abschlusserklärung des EU-Gipfels am Mittwoch, in dem der EZB weitere Bond-Käufe nahegelegt werden, zurück. Es solle nicht das Missverständnis aufkommen, dass die Politik von der EZB etwas erwarte, hieß es. Der Text des inoffiziellen Entwurfs war am späten Vormittag an die Öffentlichkeit gelangt.
(Zu) viele Baustellen
Kurz darauf hatte die polnische Ratspräsidentschaft den für Mittwochvormittag geplanten Rat der EU-Finanzminister abgesagt und damit zusätzliche Verunsicherunga ausgelöst. Die Präsidentschaft begründete dies damit, dass die für die Sitzung notwendigen Details des Gesamtpaketes zur Lösung der Euro-Schuldenkrise dann noch nicht bekannt seien. Schließlich würden diese erst beim Euro-Sondergipfel am Mittwochabend geklärt. Die Absage des Treffens der EU-Finanzminister werde auf den Sondergipfel keine Auswirkungen haben, hieß es.
Ursprünglich sollten sich die EU-Finanzminister auf die Bitte des EU-Gipfels vom Sonntag hin am Mittwoch noch einmal abschließend mit dem Thema der Bankenrekapitalisierung beschäftigen. Zur Bankenfrage werden die EU-Staats- und Regierungschefs auf einem kurzen Gipfel am Mittwochabend aber selbst noch einmal vor dem Euro-Gipfel abschließend beraten.
Der anstehende EU-Gipfel und seine Auswirkungen beherrschten die Gespräche am New Yorker Börsenparkett. "Heute dreht sich alles um Europa. Es geht nur um das, was morgen nach dem Gipfel passiert", sagte Analyst Todd Schoenberger von Landcolt Trading. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte gab um 1,7 Prozent auf 11.707 Punkte nach. Im Tagesverlauf bewegte er sich zwischen den Marken von 11.682 und 11.912. Der breiter gefasste S&P 500 fiel um zwei Prozent auf 1229 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor 2,3 Prozent auf 2638 Punkte. Der deutsche Leitindex Dax war 0,2 Prozent leichter bei 6047 Zählern aus dem Handel gegangen.
US-Zahlenwirrwarr
Auf Unternehmensseite gab es zahlreiche Zwischenbilanzen, die von dem vorherrschenden Thema Euro-Krise jedoch in den Hintergrund gedrängt wurden. So haben Preisanhebungen und die starke Nachfrage nach einem wichtigen Farb-Pigment dem US-Chemiekonzern DuPont einen unerwartet kräftigen Gewinnsprung beschert. Die DuPont-Aktie notierte 2,5 Prozent leichter.
Auf der Verliererseite standen unter anderem die Aktien des Mischkonzerns 3M, der seine Jahresziele wegen der unerwartet langen Schwäche der Wirtschaft kassierte. Die Aktie fiel 6,3 Prozent.
Der US-Logistikkonzern UPS verdiente im dritten Quartal zwar mehr und bekräftigte den Ausblick für das Gesamtjahr. Am Markt kam der Zwischenbericht dennoch nicht gut an. Das Papier verlor 2,1 Prozent an Wert.
Die Anteilsscheine des vor allem für seine Kopierer bekannten Technologiekonzerns Xerox stiegen dagegen um 0,3 Prozent, dank guter Geschäfte mit Dienstleistungen und somit höheren Gewinnen im dritten Quartal.
Amazon schockt nachbörslich
Nachbörslich verschreckte der weltgrößte Internethändler Amazon die Investoren mit einem Gewinnrückgang von 73 Prozent. Das Unternehmen begründete das Minus unter anderem mit Investitionen in einen neuen Tablet-PC, mit dem Amazon dem Marktführer Apple Kunden abjagen will.
Der Nettogewinn betrug im 3. Quartal 63 Mio. Dollar und ist damit deutlich niedriger als von Analysten erwartet. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg der Umsatz um 44 Prozent auf 10,88 Mrd. Dollar.
Düstere Daten zum Konsum
Die Stimmung unter den US-Verbrauchern hat sich im Oktober weitaus deutlicher als erwartet eingetrübt, was hauptsächlich eine Folge der schlechten Beurteilung der Arbeitsmarktlage war. Wie das Forschungsinstitut Conference Board berichtete, fiel der Index des Verbrauchervertrauens auf 39,8 Punkte. Volkswirte hatten einen Stand von 46,0 prognostiziert. Für den Vormonat war zunächst ein Wert von 45,4 ausgewiesen worden, der nun auf 46,4 korrigiert wurde.
"Das Verbrauchervertrauen befindet sich jetzt auf einem Niveau, dass es zuletzt während der Rezession 2008 und 2009 hatte", sagte Umfragechefin Lynn Franco. Nach Angaben des Conference Board gaben 3,4 Prozent der Befragten an, dass es am Arbeitsmarkt eine Fülle an Jobs gebe. 47,1 Prozent meinten, dass es schwierig sei, eine neue Stelle zu bekommen. Im Rahmen der Umfrage des Conference Board wurden insgesamt 5000 Haushalte befragt.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts