Wall-Street-Vorschau Weihnachtsquartal im Blick
22.10.2011, 12:48 UhrIn der kommenden Woche richtet sich der Blick der amerikanischen Börsianer erneut auf Europa. Man hofft auf einen Durchbruch im Kampf gegen die Schuldenkrise. Die lahmende US-Konjunktur sorgt hinsichtlich des vierten Quartals für Skepsis.
Noch dreht sich an der Wall Street alles um die Schuldenkrise in Europa. Sobald sich das jedoch ändert, dürfte sich der Blick der Börsianer wieder auf die Gewinnaussichten der US-Unternehmen richten. Was sie dann sehen, könnte ihnen jedoch schnell neue Kopfschmerzen bereiten. Denn obwohl das vergangene Quartal insgesamt positiv ausfällt, droht die lahme Konjunktur das Bild schon bald einzutrüben. Die Analysten haben bereits damit begonnen, ihre Gewinnschätzungen für das kommende vierte und das erste Quartal im neuen Jahr zu stutzen.
Besonders die Prognosen für Rohstoff-, Energie- und Finanzkonzerne werden seit Anfang Oktober getrimmt. "Die Furcht hat nicht nur die Märkte ergriffen, sondern auch US-Konzerne", sagt Peter Cardillo von Rockwell Capital in New York. Die Anleger machen sich vor allem Sorgen über eine schwindende Nachfrage in Europa und China, wo sich das Wachstum ebenfalls abschwächen wird.
Nach Daten des Informationsdienstleisters Thomson Reuters haben in der laufenden Berichtssaison bislang knapp 70 Prozent der S&P-500-Unternehmen die Erwartungen übertroffen. Die Firmen verdanken ihre Stärke jedoch zum Großteil der internationalen Nachfrage, was sie verwundbar für eine Abkühlung der Weltkonjunktur macht. "Es gibt noch immer einen Widerspruch zwischen dem robusten Gewinnwachstum und der weltwirtschaftlichen Unsicherheit", erläutert Thomson Reuters-Analyst Jharonne Martis. Im Schnitt verkaufen die Konzerne im S&P-500-Index rund 30 Prozent ihrer Produkte ins Ausland.
Im dritten Quartal dürften die Gewinne den aktuellen Prognosen zufolge gegenüber dem Vorjahr um insgesamt 14,7 Prozent gestiegen sein - und damit deutlicher als noch vor drei Wochen mit 13,1 Prozent erwartet. Dieser Trend wird sich jedoch den Vorhersagen zufolge nicht fortsetzen. Im vierten Quartal erwarten die Analysten nur noch einen Gewinnanstieg von 12,5 Prozent und Anfang 2012 sogar nur noch 7,6 Prozent. Hier haben sich die Einschätzungen bereits deutlich eingetrübt, denn Anfang Oktober lauteten die Prognosen noch auf 15 beziehungsweise 10,2 Prozent.
Wichtige Unternehmens- und Konjunkturdaten
Die entscheidende Frage lautet nun für die Börsianer, inwieweit diese Entwicklung bereits in den Kursen eingepreist ist. Einige Analysten sind überzeugt, dass die Gewinnschätzungen lediglich der Skepsis an der Börse hinterherlaufen. Falls dies tatsächlich der Fall ist, wären die Prognosen bei einer Aufhellung der Aussichten zu pessimistisch. "Falls Europa die Märkte mit einer Lösung der Schuldenkrise zufriedenstellen kann, werden sich die Prognosen als falsch herausstellen", sagt Cardillo.
Die neue Handelswoche dürften jedoch zunächst wieder die Nachrichten aus Europa bestimmen. Die Staats- und Regierungschefs der von EU und Euro-Zone wollen auf drei Gipfeln um den Weg aus der Schuldenkrise ringen und spätestens Mittwoch entsprechende Entscheidungen fällen. Auch die Berichtssaison wird sich mit einigen Schwergewichten wie Caterpillar am Montag, Boeing am Mittwoch und Procter & Gamble am Donnerstag fortsetzen.
Zudem sind die Börsianer auf das Wachstum der US-Wirtschaft im dritten Quartal gespannt, das ebenfalls am Donnerstag veröffentlicht wird. Volkswirte tippen im Schnitt darauf, dass die Wirtschaftsleistung aufs Jahr hochgerechnet mit einer Rate von 2,5 Prozent zugelegt hat. Das wäre eine deutliche Verbesserung gegenüber dem zweiten Quartal, als die weltgrößte Volkswirtschaft mit einer Rate von lediglich 1,3 Prozent vorwärts kroch. Falls die US-Wirtschaft eine neue Rezession weiterhin umschiffen kann, dürfte auch der von einigen befürchtete Einbruch der Firmengewinne ausbleiben.
Quelle: ntv.de, Sören Amelang, rts