Angst um Athen kehrt zurück Dax bricht ein
08.05.2012, 17:50 Uhr
Eulen musste niemand an den Aktienmarkt tragen - das Thema Griechenland war auch so omnipräsent.
(Foto: REUTERS)
Börsianer auf dem deutschen Aktienparkett haben am Dienstag nichts zu lachen. Erst verzögert sich wegen einer technischen Panne der Handelsstart in Frankfurt um mehr als eine Stunde, dann sorgen neu aufflammende Sorgen um die Zukunft Griechenlands für einen kräftigen Kurssturz. Steigende Aktien muss man mit der Lupe suchen.
Europas Staatsschuldenkrise hat am Dienstag den deutschen Aktienmarkt wieder fest in den Würgegriff genommen. Börsianer sorgen sich vor den Folgen einer sich abzeichnenden Linksregierung in Griechenland. Weil die mit der Regierungsbildung beauftragte extreme Linke dem bisherigen Sparkurs der Troika eine unmissverständliche Absage erteilt, fürchteten Investoren eine Staatspleite, die wohl auch in den übrigen Euro-Staaten für Schockwellen sorgen würde.
Der Dax ging mit einem Kursrutsch von 1,9 Prozent auf 6444,74 Punkte aus dem Handel. Der MDax verlor 2,0 Prozent auf 10.416,30 Punkte. Im Technologiesektor zogen die Papiere der Branche den TecDax um 1,4 Prozent nach unten auf 772,49 Punkte.
Der Vorsitzende der Demokratischen Linken in Griechenland, Fotis Kouvelis, hat sich offen gezeigt für die Bildung einer Koalitionsregierung mit der linksradikalen Syriza-Partei. Dies wäre der erste Schritt zu einer Mehrparteienregierung in Griechenland, nachdem die Wahl am Sonntag zunächst zu einem politischen Vakuum geführt hat. Die Linksradikalen haben unter anderem die Aufkündigung der Sparbeschlüsse angekündigt. Damit droht Griechenland erneut der Staatsbankrott. Auch am griechischen Aktienmarkt sorgten die Entwicklungen für große Kursverluste. Der Leitindex ASE fiel auf den tiefsten Stand seit 1992.
Dass es am deutschen Aktienmarkt überhaupt zu Kursabschlägen kommen konnte, war am Dienstag zunächst nicht sicher: Wegen technischer Probleme standen Investoren zum regulären Handelsstart um 9 Uhr für mehr als eine Stunde quasi vor verschlossenen Türen. Grund war eine Panne in der elektronischen Handelsplattform Xetra, über die quasi alle Aktiengeschäfte abgewickelt werden. Eine solche Panne gilt als sehr ungewöhnlich. "Auf Entscheidung der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse wurde der Beginn des Handels in Xetra bis auf weiteres verschoben", hieß es lapidar in einer Mitteilung auf der Homepage des Börsenbetreibers am Morgen. Um 10:15 Uhr nahm die Börse den Handel dann wieder auf. Genauere Hintergründe für die Auszeit nannte die Börse nicht.
Die Fahne der Konjunktur hielt allein die deutsche Wirtschaft noch hoch: Die Produktion im produzierenden Sektor war im März dank eines rasanten Anstiegs der Bautätigkeit stärker als erwartet gestiegen. Das lockte jedoch niemand hinter dem Ofen hervor. "Nachdem am Montag bereits der Auftragseingang der heimischen Industrie positiv überrascht hat, musste man kein großer Prophet sein, um vorauszusagen, dass auch die Produktion im produzierenden Gewerbe die Markterwartungen übertreffen würde", sagte ein Börsianer.
Konjunkturtitel verkauft
Kursverluste zogen sich am Dienstag durch beinahe alle Branchen. Am stärksten erwischte es Titel aus dem Technologie- und Automobilsektor, auch Banken mussten kräftig Federn lassen. Das dickste Minus verbuchte der Chipkonzern Infineon mit einem Minus von 3,9 Prozent. Branchentitel aus der zweiten Reihe standen ebenfalls unter Druck. Dialog Semiconductor verloren 3,3 Prozent, Adva gingen 4,1 Prozent schwächer aus dem Handel. Aixtron schlossen 1,5 Prozent tiefer. Unter den Autotiteln gaben im Dax die Papiere von BMW mit 3,9 Prozent Minus am stärksten ab. Daimler verbilligte sich um 2,8 Prozent. Volkswagen-Vorzüge schloss mit einem Minus von 2,3 Prozent.
Unter den wenigen Gewinnern zogen die Aktien der Deutschen Telekom um 0,6 Prozent an. Der Konzern hatte sich mit der Gewerkschaft Verdi auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt, der einen Anstieg der Gehälter um 6,5 Prozent vorsieht. Da dies im Rahmen der Erwartungen ausgefallen ist, vermuteten Börsianer keinen Zusammenhang mit dem Kursplus. Vielmehr sahen sie gute Stimmung im gesamten Telekom-Sektor durch eine Offerte von Carlos Slim, dem reichsten Mann der Welt, für eine Aufstockung bei der niederländischen KPN.
Die beiden Gesundheitsunternehmen FMC und Fresenius führten den Dax am oberen Ende mit 0,8 bzw. 0,7 Prozent Plus an.
Als "sehr ordentlich" bezeichnete Equinet-Analyst Jochen Rothenbacher die Zahlen der Deutschen Post für das erste Quartal. Sowohl auf der Umsatz- als auch auf der Ergebnisseite habe der Logistiker die Markterwartungen übertroffen, gleichzeitig sei die Prognose für das Gesamtjahr bestätigt worden. Er hat die Papiere zum Kauf empfohlen und das Kursziel bei 17 Euro festgesetzt. Nach frühen Kursgewinnen kippten die Papiere der Post ins Minus und beendeten den Handel schließlich 0,8 Prozent im Minus.
Nicht ganz so überzeugend waren die Geschäftszahlen von Munich Re ausgefallen. Weniger Großschäden und Gewinne aus Kapitalanlagen hatten die Münchener im ersten Quartal zwar in die Gewinnzone zurückgebracht, aber andere waren noch erfolgreicher. "Die Zahlen der Swiss Re haben mir besser gefallen", bemängelt Christian Muschick, Analyst bei Silvia Quandt Research. Ein Blick auf die vergleichsweise schwächere Eigenkapitalentwicklung verrate, dass das Unternehmen weniger von den sinkenden Zinsen und Währungseffekten profitieren konnte als die Wettbewerber. Die Aktie verlor 3,7 Prozent.
Gildemeister kräftig
Deutlicher Zuwächse bei den Geschäftszahlen erfreute sich Gildemeister. Das Geschäft lief so gut, dass der Maschinenbauer schon jetzt eine höhere Dividende für 2012 in Aussicht stellte. "Besonders positiv ist der unerwartet hohe ", sagte Lampe-Bank-Analyst Gordon Schönell. Dies werde auch in den kommenden Vierteljahren für eine ordentliche Auslastung bei dem sorgen. "Vor diesem Hintergrund erscheint die Guidance für das Gesamtjahr als zu konservativ." Schönell empfahl die Gildemeister-Aktie zum "Kauf", als Kursziel nannte er 16 Euro. Die zeitweise üppigen Kursaufschläge konnte Gildemeister nicht bis zum Handelsschluss halten, ging aber gegen den Gesamtmarkttrend 1,0 Prozent fester aus dem Handel.
Tagesgewinner unter den Nebenwerten war GSW Immobilien mit einem Plus von 2,9 Prozent. Fundamentale Gründe für das Kursplus waren derweil nicht erkennbar.
Geschäftszahlen von Hochtief bezeichneten Händler als "nicht schön", dennoch gebe es Anzeichen für eine Stabilisierung, hieß es. Positiv überrasche der stark verbesserte Auftragseingang. Als stützend wertete der Teilnehmer auch die Entwicklung bei der australischen Tochter Leighton. Immerhin sei hier zur Abwechslung mal eine Gewinnwarnung ausgeblieben. Ähnlich zwiegespalten zeigten sich auch Anleger von Hochtief, die Aktie ging mit einem Minus von 0,1 Prozent aus dem Handel.
Der rückläufige Gewinn bei der Gea Group sorgte unter Investoren für Unruhe. Die Aktien des Anlagenbauers verbilligten sich um 5,2 Prozent. Während der Umsatz im ersten Quartal gestiegen war, lag das Konzernergebnis mit 12,7 Mio. Euro deutlich unter dem Vorjahreswert. Schwächster Wert im MDax war der Autozulieferer Dürr, der sich um 7,2 Prozent verbilligte.
Quelle: ntv.de, nne/DJ/dpa/rts